§ 1 SGB I – Aufgaben des Sozialgesetzbuchs
1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
- (1) Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten. Es soll dazu beitragen,
- ein menschenwürdiges Dasein zu sichern,
- gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen,
- die Familie zu schützen und zu fördern,
- den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und
- besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen.
- (2) Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll auch dazu beitragen, dass die zur Erfüllung der in Absatz 1 genannten Aufgaben erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen.
2. Kommentierung
I. Einordnung und Funktion
§ 1 SGB I ist Programmsatz und Auslegungsleitlinie des gesamten Sozialrechts. Er konkretisiert das Sozialstaatsprinzip und benennt Zielgrößen (Würde, Teilhabe, Familien- und Erwerbsförderung, Ausgleich besonderer Belastungen), an denen Einzelvorschriften auszurichten sind.
II. Rechtscharakter
Die Norm ist primär programmatisch; sie begründet in der Regel keine unmittelbaren Leistungsansprüche. Sie dient als Auslegungskriterium, als Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und zur Abwägung bei Ermessensentscheidungen.
III. Strukturmerkmale
– Gestaltungsauftrag: Sozialleistungen als Mittel zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit/Sicherheit.
– Leitziele (Abs. 1 Nr. 1–5): Sicherung der Existenz, Persönlichkeitsentfaltung, Schutz/Förderung der Familie, Förderung von Erwerb, Hilfe zur Selbsthilfe.
– Infrastrukturauftrag (Abs. 2): Sicherstellung ausreichender sozialer Dienste/Einrichtungen.
IV. Systematische Bezüge
§ 1 SGB I wirkt als „Meta-Norm“ u. a. bei der Auslegung von § 2 SGB I, § 14 SGB I (Beratung), § 17 SGB I (Leistungskoordination) sowie beim Leistungsrecht einzelner Bücher (z. B. SGB II, SGB XII).
V. Entstehungsgeschichte (BT-Drs. 7/868)
Der Gesetzgeber wollte Leitvorstellungen des Sozialstaats für das SGB bündeln und klarstellen, dass Einzelnormen aus diesen Leitideen zu verstehen sind. Die programmatische Setzung (Ziel- und Infrastrukturauftrag) sollte die spätere Rechtsentwicklung steuern, ohne bereits detaillierte Ansprüche zu statuieren.
Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft haben die Entscheidung des Grundgesetzes für den sozialen Rechtsstaat zu Leitvorstellungen konkretisiert, die für alle Rechtsbereiche Bedeutung haben. § 1 nennt die wichtigsten dieser Leitvorstellungen, soweit sie im Gegenstandsbereich des Sozialgesetzbuchs wirksam werden, und stellt damit klar, dass alle im Sozialgesetzbuch enthaltenen Einzelvorschriften aus diesen Leitvorstellungen heraus verstanden werden müssen. Bei der Formulierung wurde beachtet, dass einerseits die genannten Leitvorstellungen auch außerhalb des Sozialgesetzbuchs ihren Niederschlag finden und dass andererseits das spezifische Mittel ihrer Verwirklichung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs die Gestaltung von Sozialleistungen ist.
Die Ausprägungen, die das Sozialstaatsprinzip im Gegenstandsbereich des Sozialgesetzbuchs gefunden hat, werden in zweifacher Weise genannt. Zunächst werden ...
Sozialstaatsprinzip · § 2 SGB I · § 14 SGB I · § 17 SGB I.
3. Beitragsliste
In den folgenden Beiträgen habe ich § 1 SGB I angesprochen: