Wenn ein Ehepartner ins Pflegeheim muss, stehen schnell existenzielle Fragen im Raum: Wer zahlt zuerst (Pflegekasse, eigenes Einkommen/Vermögen, Ehegatte, Sozialamt)? Was ist geschützt (Selbstbehalt, Eigenheim, Altersvorsorge)? Welche Abzüge mindern das einzusetzende Einkommen – und muss Vermögen wirklich verwertet werden? Der Beitrag führt praxisnah durch Reihenfolge der Haftung, Selbstbehalt/Schonvermögen, Abzugsposten, Anspruchsübergang an das Sozialamt und häufige Streitpunkte (Getrenntleben, Verweigerung des Vermögenseinsatzes).
- 1. Wer zahlt zuerst? Reihenfolge der Haftung
- 2. Unterhaltspflicht des Ehegatten
- 3. Selbstbehalt und Schonvermögen
- 4. Welche Abzüge mindern das einzusetzende Einkommen?
- 5. Beispiel: Unterhaltspflicht im Pflegefall
- 6. Getrennt lebende Ehepartner
- 7. Häufige Fragen
- 8. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
1. Wer zahlt zuerst? Reihenfolge der Haftung
- Pflegeversicherung (Pflegegrad-Leistungen) + Renten/Einkünfte des pflegebedürftigen Ehegatten
- Eigenes verwertbares Vermögen des Pflegebedürftigen (Schonvermögen beachten, § 90 SGB XII)
- Ehegattenunterhalt nach Leistungsfähigkeit (§ 1360 BGB, ggf. § 1361 BGB)
- Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) – mit Anspruchsübergang gegen den Ehegatten (§ 94 SGB XII)
Merke: Der nicht pflegebedürftige Ehegatte zahlt nur, wenn nach Selbstbehalt und anerkannten Abzügen noch Leistungsfähigkeit verbleibt.
2. Unterhaltspflicht des Ehegatten
Ehegatten sind einander zum Familienunterhalt verpflichtet. Reichen die Mittel des pflegebedürftigen Ehepartners für die Heimkosten nicht aus, kann der andere Ehegatte grundsätzlich zum Unterhalt herangezogen werden. Maßgeblich sind die zivilrechtlichen Unterhaltspflichten (§ 1360 BGB Familienunterhalt; ggf. § 1361 BGB Trennungsunterhalt) und – wenn Sozialhilfe eintritt – die Regelungen zum Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger (§ 94 SGB XII).
Wichtig: Unterhalt wird nur nach Leistungsfähigkeit geschuldet. Der eigene angemessene Bedarf (Selbstbehalt) und Schonvermögen bleiben gewahrt.
3. Selbstbehalt und Schonvermögen
Der Selbstbehalt schützt das eigene Existenzminimum des nicht pflegebedürftigen Ehegatten. Seine konkrete Höhe orientiert sich an den unterhaltsrechtlichen Leitlinien (OLG-Leitlinien) und der aktuellen Rechtsprechung. Zusätzlich gilt:
- Wohnen/Eigenheim: Das selbst bewohnte Familienheim ist häufig Schonvermögen und muss in der Regel nicht verwertet werden (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII).
- Vermögensschutz: Angemessene Altersvorsorge und notwendige Rücklagen können geschont sein (Einzelfallprüfung, vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII).
- Anspruchsübergang: Zahlt der Sozialhilfeträger Heimkosten, kann er Unterhaltsansprüche gegen den Ehegatten in gesetzlichem Umfang übernehmen (§ 94 SGB XII).
Praxis-Tipp: Die konkrete Selbstbehaltshöhe kann regional abweichen. In der Beratung sollten stets die aktuellen Leitlinien des zuständigen OLG herangezogen werden (z. B. Düsseldorfer Tabelle/OLG-Leitlinien).
4. Welche Abzüge mindern das einzusetzende Einkommen?
- Wohnen: angemessene Kreditraten fürs selbstgenutzte Eigenheim, Hausgeld, Instandhaltung, Nebenkosten
- Altersvorsorge: angemessene private Vorsorge (Einzelfall), gesetzliche Beiträge
- Berufsbedingte Kosten (Pauschale oder nachgewiesen)
- Kranken-/Pflegezusatz, Mehrbedarfe (z. B. chronische Erkrankungen, Mobilität)
- Unterhaltspflichten gegenüber weiteren Berechtigten (z. B. Kindern)
Im Ergebnis zählt der bereinigte Überschuss über dem Selbstbehalt. Leitlinien des zuständigen OLG beachten.
5. Beispiel: Unterhaltspflicht im Pflegefall
| Nettoeinkommen Ehegatte (zu Hause) | 3.000 € |
| abzgl. berufstypische Aufwendungen (pauschal) | – 150 € |
| bereinigtes Einkommen | 2.850 € |
| Selbstbehalt (leitlinienorientiert) | z. B. 2.000 € |
| theoretisch einsetzbarer Überschuss | 850 € |
| davon ggf. Anteil für Ehegattenunterhalt | individuelle Quote |
Die tatsächliche Zahlungsverpflichtung hängt vom individuellen Bedarf des pflegebedürftigen Ehepartners, weiteren Abzügen (z. B. Kreditraten/Schutz des Wohnens) und der aktuellen Rechtsprechung ab.
6. Getrennt lebende Ehepartner
Bei Trennung richtet sich der Anspruch nach den Regeln des Trennungsunterhalts (§ 1361 BGB). Auch hier gilt der Selbstbehalt. Ob und in welcher Höhe Zahlungen geschuldet sind, hängt von Bedarf, Leistungsfähigkeit und eventuellen besonderen Belastungen ab. Greift Sozialhilfe ein, kann ein Übergang nach § 94 SGB XII erfolgen.
7. Häufige Fragen
- Muss der Ehepartner immer zahlen?
Nur, wenn nach Abzug des Selbstbehalts Leistungsfähigkeit verbleibt. Zudem sind Schonvermögen und notwendige Aufwendungen zu beachten. - Wie wird der Selbstbehalt bestimmt?
Leitlinien der Oberlandesgerichte und aktuelle Rechtsprechung. Beratungspraxis nutzt die regional einschlägigen Werte. - Eigenheim: Verkauf notwendig?
In der Regel nein – selbstgenutztes Wohneigentum ist meist geschützt (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII). Einzelfallprüfung bleibt erforderlich. - Was passiert, wenn Sozialhilfe zahlt?
Dann kann der Sozialhilfeträger Unterhaltsansprüche gegen den Ehegatten in gesetzlichem Rahmen geltend machen (§ 94 SGB XII).
8. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Unterhaltspflichten, Selbstbehalt/Schonvermögen und Anspruchsübergang:



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