Wenn Kinder ihre Eltern über längere Zeit pflegen, verzichten sie häufig auf Einkommen, reduzieren Arbeitszeit oder übernehmen Leistungen, die sonst hohe Pflegekosten verursacht hätten. Das Gesetz trägt diesem Einsatz Rechnung: Abkömmlinge können bei der Erbauseinandersetzung einen finanziellen Ausgleich verlangen – geregelt in § 2057a BGB.
Der Anspruch kann mehrere Tausend Euro betragen. Entscheidend sind Dauer, Umfang und wirtschaftlicher Wert der Pflege.
1. Gesetzliche Grundlage
Der Ausgleich für Pflege- und Unterstützungsleistungen beruht auf § 2057a BGB – Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings.
Der Anspruch gilt ausschließlich für:
✔ Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel)
✖ nicht für Geschwister, Schwiegerkinder, Ehepartner des Erblassers
Ein Ausgleich kommt in Betracht, wenn die Pflegeleistung:
- den Nachlass erhalten oder vermehrt hat oder
- der Pflegende hierfür auf eigenes Einkommen verzichtet hat oder
- die Pflege den Erblasser vor hohen Heimkosten bewahrt hat.
2. Voraussetzungen des Anspruchs
Ein Ausgleichsanspruch besteht, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
a) Besondere Leistung
Die Pflege muss über das „normale familiäre Maß“ hinausgehen.
Beispiele:
- tägliche Grundpflege
- Haushaltsführung
- Betreuung bei Demenz
- Organisation ärztlicher Behandlungen
- Betreuung rund um die Uhr
b) Längere Dauer
Gerichte verlangen typischerweise mehrere Monate oder Jahre.
c) Wirtschaftlicher Vorteil für den Erblasser
Beispiele:
- Vermeidung von Pflegeheimkosten
- Einsparung ambulanter Pflegedienste
- Einsparung eigener Ausgaben des Erblassers
d) Keine ausreichende Gegenleistung
Pflegegeld oder Zuwendungen schließen den Anspruch nur aus, wenn sie den Wert der Pflege tatsächlich decken.
3. Berechnung & wirtschaftlicher Wert der Pflege
Die Höhe des Ausgleichs richtet sich nach:
- Dauer der Pflege
- Umfang der tatsächlichen Leistungen
- Wert des Nachlasses
- Einkommen, auf das der Pflegende verzichtet hat
- ersparten Heim- oder Pflegekosten
Typische Berechnungsansätze der Gerichte:
Art der Leistung, Bewertungsmethode,
häusliche Rundum-Pflege, Vergleich mit Heimkosten,
stundenweise Pflege, fiktiver Stundensatz (z. B. ambulanter Pflegedienst),
Haushaltsführung, übliche Vergütung (z. B. 15–25 €/h),
Einkommensverzicht, durchschnittliches früheres Einkommen.
Gerichte betonen, dass es keine exakte Rechenformel gibt – die Bemessung erfolgt nach Billigkeit.
4. Rechtsprechung – Beispiele aus der Praxis
4.1 LG Konstanz, 18. Dezember 2009 – 5 O 249/08 E
4.2 OLG Nürnberg, 25. Februar 1992 – 1 U 3542/1991
5. Häufige Fehler & Missverständnisse
❌ „Pflegegeld reicht als Kompensation“
→ Falsch. Pflegegeld schließt einen Anspruch meist nicht aus.
❌ „Die Pflege muss rund um die Uhr erfolgen“
→ Nein. Auch regelmäßige, erhebliche Mithilfe kann genügen.
❌ „Der Anspruch gilt für alle Erben“
→ Nein. Nur Abkömmlinge.
❌ „Man muss die Pflege lückenlos dokumentieren“
→ Belege sind hilfreich (Kalender, Mails, Arztbesuche), aber nicht zwingend.
❌ „Der Anspruch besteht automatisch“
→ Er muss im Rahmen der Erbauseinandersetzung geltend gemacht werden.
6. Häufige Fragen
Gilt § 2057a BGB auch für Schwiegerkinder?
→ Nein, nur für Abkömmlinge.
Kann man den Anspruch schon zu Lebzeiten klären?
→ Einvernehmliche Vereinbarungen sind möglich – aber rechtlich heikel (Formvorschriften!).
Was ist, wenn mehrere Kinder gepflegt haben?
→ Dann sind die Beiträge anteilig zu berücksichtigen.
Spielt das Pflegegrad-Pflegegeld eine Rolle?
→ Ja – aber nur als Teil der Gesamtabwägung, kein Ausschluss.
Wie mache ich den Anspruch geltend?
→ Innerhalb der Erbauseinandersetzung gegenüber den Miterben; ggf. Klage möglich.
7. Weiterführende Beiträge
Weitere Informationen zu Vorsorge, Betreuung & familiären Pflegesituationen:
§ 2057a BGB.


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