Die Postkontrolle greift tief in das Grundrecht des Art. 10 Abs. 1 GG ein. Sie darf nur durch gerichtliche Anordnung erfolgen, § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB und nur, wenn sie erforderlich ist, um das Wohl des Betreuten zu schützen. Eine pauschale oder routinemäßige Anordnung ist unzulässig.
1. Verfassungsrechtlicher Schutz
Das Art. 10 Abs. 1 GG schützt das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis.
Eingriffe sind nur auf Grundlage eines Gesetzes und unter strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig.
Auch im Betreuungsrecht gilt daher: Eine Postkontrolle ist nicht automatisch Teil der Betreuung, sondern bedarf einer gesonderten gerichtlichen Anordnung.
2. Gerichtliche Anordnung (§ 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB)
Nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB darf der Betreuer über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post des Betreuten nur dann entscheiden, wenn das Betreuungsgericht diesen Aufgabenbereich ausdrücklich anordnet. Allgemeine Formulierungen wie „alle Angelegenheiten“ oder „persönliche Angelegenheiten“ reichen nicht aus.
Ist die Kontrolle erforderlich, muss der Aufgabenkreis nach § 1871 Abs. 3 BGB erweitert werden. Das gerichtliche Verfahren richtet sich nach § 293 FamFG.
3. Voraussetzungen & Erforderlichkeitsgrundsatz
Die Postkontrolle ist nur zulässig, wenn sie zur Wahrung der Interessen des Betreuten unerlässlich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn:
- der Betroffene wegen Krankheit oder Verwirrung seine Post nicht mehr eigenverantwortlich bearbeiten kann,
- erhebliche finanzielle oder gesundheitliche Schäden drohen,
- wichtige Dokumente (z. B. gerichtliche Schreiben, Zahlungsfristen) sonst verloren gingen.
Eine pauschale Anordnung ist rechtswidrig, weil sie ohne konkrete Gefährdung in das Grundrecht des Betroffenen eingreift.
4. Umsetzung & Grenzen der Kontrolle
Die Befugnis zur Postkontrolle verpflichtet den Betreuer nicht, jede Post automatisch zu prüfen.
Er muss das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten wahren.
Unbedenkliche Sendungen dürfen ohne Kontrolle übergeben werden.
Nur wenn Gefahr für das Wohl des Betroffenen besteht, darf der Betreuer die Post öffnen oder zurückhalten.
Die Postanstalt ist zur Aushändigung verpflichtet, wenn der Betreuer die gerichtliche Anordnung vorlegt.
5. Kritik & Praxisprobleme
Einige Amtsgerichte ordnen in fast jeder Betreuung automatisch eine „Postvollmacht“ an.
Diese Praxis ist verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie ohne konkrete Erforderlichkeit in das Postgeheimnis eingreift.
Zudem verletzt sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 10 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG).
Der Eingriff muss stets möglichst schonend erfolgen – eine vollständige Vorenthaltung der Post ist nur in Ausnahmefällen zulässig.
6. Häufige Fragen zur Postkontrolle
Darf der Betreuer meine Post öffnen?
Nur, wenn das Betreuungsgericht dies ausdrücklich im Aufgabenkreis nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB angeordnet hat. Ohne gerichtliche Erlaubnis ist das Öffnen oder Zurückhalten von Post unzulässig.
Muss der Betreuer jede Post kontrollieren?
Nein. Auch bei angeordneter Postkontrolle gilt der Grundsatz der möglichst geringen Einschränkung. Der Betreuer darf die Post nur sichten, wenn andernfalls das Wohl des Betreuten gefährdet wäre.
Kann ich mich gegen eine Postkontrolle wehren?
Ja. Betroffene können die Erweiterung oder Aufhebung des Aufgabenkreises beantragen (§ 1871 Abs. 3 BGB). Auch eine Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung nach § 293 FamFG ist möglich.
Was dürfen Gerichte nicht tun?
Gerichte dürfen die Postkontrolle nicht pauschal in jede Betreuung aufnehmen. Das würde gegen das Postgeheimnis nach Art. 10 GG verstoßen.
7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zur Erforderlichkeit der Betreuung, den Aufgabenkreisen eines Betreuers, dem Einwilligungsvorbehalt und der Haftung des Betreuers:
Siehe auch:
Art. 10 GG · § 1815 BGB · § 1871 BGB · § 293 FamFG.

Ingrid Horneber says
Sehr geehrter Herr RA,
das Postgeheimnis ist ein hohes Gut. Ich als Generalbevollmächtigte musste erfahren, dass im Maßregelvollzug so manches nicht eingehalten wird. Es wurden Briefe vom Betreuungsgericht geöffnet und vorgelesen, welche mein Betreuter sie nicht annahm. Sie wurden nicht an mich weitergeleitet. So wird das Rechtssystem immer wieder missbraucht. Meine Rechte als Generalbevollmächtigte wurden hier enorm beschnitten.
Mit freundlichen Grüßen