Kurz erklärt: Sozialleistungsbetrug liegt nicht nur bei aktiver Täuschung, sondern auch durch Unterlassen gebotener Mitteilungen vor. Wer Änderungen seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mitteilt, kann sich nach § 263 StGB in Verbindung mit § 13 StGB strafbar machen. Die Mitteilungspflichten ergeben sich aus § 60 SGB I. In bestimmten Fällen kann zudem Strafklageverbrauch eintreten, wenn der Lebensvorgang einheitlich ist (OLG Brandenburg, 25.08.2011 – 53 Ss 51/11).
1. Tatbestand des Sozialleistungsbetrugs
Nach § 263 StGB begeht einen Betrug, wer durch Täuschung über Tatsachen einen Irrtum erregt und sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft. Dies gilt auch für Empfänger von Sozialleistungen, die durch falsche oder unvollständige Angaben Leistungen erhalten.
Eine Täuschung kann auch durch Unterlassen erfolgen, wenn eine rechtliche Pflicht zur Mitteilung besteht – die sogenannte Garantenpflicht nach § 13 StGB.
2. Täuschung durch Unterlassen
Wer pflichtwidrig schweigt, täuscht, sofern er rechtlich verpflichtet war, den Sachverhalt mitzuteilen. Maßgeblich ist, ob die Information leistungsrelevant war und der Betroffene dies erkannte oder billigend in Kauf nahm. Die Grenze zur bloßen Ordnungswidrigkeit wird überschritten, wenn der Vorsatz auf unrechtmäßigen Leistungsbezug gerichtet ist.
Eine solche Pflicht ergibt sich regelmäßig aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I: Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, sind unverzüglich mitzuteilen.
3. Mitteilungspflichten nach § 60 SGB I
Leistungsempfänger müssen dem zuständigen Träger alle Änderungen mitteilen, die den Leistungsanspruch beeinflussen können. Dazu zählen insbesondere:
- Aufnahme oder Beendigung einer Beschäftigung,
- Veränderungen beim Einkommen oder Vermögen,
- Änderungen des Familienstands oder des Wohnsitzes,
- gesundheitliche Veränderungen mit Leistungsrelevanz.
Die Pflicht gilt erst als erfüllt, wenn die Mitteilung den zuständigen Sachbearbeiter tatsächlich erreicht. Eine bloße Absendung genügt nicht. Wird trotz fortlaufender Zahlungen erkennbar, dass die Mitteilung nicht angekommen ist, muss sie wiederholt werden (vgl. OLG Hamburg, 11.11.2003 – II-104/03).
4. Strafklageverbrauch beim fortgesetzten Sozialleistungsbetrug
Wird der Betrug über einen längeren Zeitraum oder mehrfach durch Unterlassen begangen, stellt sich die Frage, ob mehrere Taten vorliegen oder eine einheitliche Tat. Nach § 264 StPO darf niemand wegen derselben Tat zweimal bestraft werden – man spricht vom Strafklageverbrauch.
Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 25. 08. 2011 – 53 Ss 51/11) entschied, dass bei mehreren Arbeitsaufnahmen in engem zeitlichem Zusammenhang nur eine Tat vorliegen kann, wenn der Vorsatz durchgehend war:
Auch sachlich-rechtlich selbständige Handlungen können prozessual eine Tat im Sinne des § 264 StPO sein, wenn sie innerlich so miteinander verknüpft sind, dass ihre getrennte Würdigung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde.
Da die Angeklagte nach einer ersten Arbeitsaufnahme kurz darauf eine zweite Beschäftigung aufnahm, ohne beide mitzuteilen, lag ein einheitlicher Vorsatz und damit Strafklageverbrauch vor.
Damit war ein zweites Strafverfahren unzulässig. Entscheidend war, dass die Angeklagte von Beginn an beabsichtigt hatte, die Arbeitsaufnahme nicht zu melden, um weiter Leistungen zu erhalten.
5. Folgen und Praxistipps
- Mehrfache Arbeitsaufnahmen in engem zeitlichen Zusammenhang können eine Tat bilden.
- Eine zweite Verurteilung ist dann ausgeschlossen (Strafklageverbrauch).
- Liegt ein neuer Tatentschluss oder längerer zeitlicher Abstand vor, kann eine neue Tat entstehen.
- Jede Arbeitsaufnahme sollte unverzüglich gemeldet werden, um Ermittlungen zu vermeiden.
6. Häufige Fragen
Wann ist Unterlassen strafbar?
Nur, wenn eine rechtliche Pflicht zur Mitteilung besteht und das Unterlassen zu einer unrechtmäßigen Leistung führt (§ 13 StGB i. V. m. § 60 SGB I).
Was gilt als erhebliche Änderung?
Alle Änderungen, die den Leistungsanspruch beeinflussen können – z. B. Arbeitsaufnahme, Einkommensänderung, Umzug, Heirat, Kranken- oder Rentenbeginn.
Was bedeutet Strafklageverbrauch?
Er schützt vor einer erneuten Strafverfolgung, wenn es sich um denselben einheitlichen Lebensvorgang handelt (§ 264 StPO).
Wie kann ich mich absichern?
Änderungen stets schriftlich melden, Kopien aufbewahren und Eingangsbestätigung verlangen. Damit wird die Erfüllung der Mitwirkungspflicht nachgewiesen.
7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Mitwirkungspflichten, Rückforderungen und Erstattung:

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