Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

  • STARTSEITE
    • Allgemeines Sozialrecht (SGB I, …) – Einführung
      • 1. SGB I – Allgemeiner Teil
      • 2. SGB X – Sozialver­waltungsverfahren
      • 3. SGG – Sozialgerichtsgesetz
      • 4. Gebühren und Kosten im Sozialrecht
      • 5. allgemeine Fragen
    • Bürgergeld (SGB II) – Einführung
      • 1. Voraussetzungen & Grundlagen
      • 2. Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaft
      • 3. Einkommen und Vermögen
      • 4. Regelbedarf
      • 5. Kosten der Unterkunft
      • 6. Mehrbedarfe beim Bürgergeld
      • 7. Leistungsminderungen & Mitwirkung
      • 8. Antragstellung & Verfahren
      • 9. Ausländer, Asylberechtigte
      • 10. Allgemein
    • Sozialversicherungsrecht (SGB III, … ) – Einführung
      • 1. Allgemeines Sozialver­sicherungs­recht
      • 2. Arbeitslosenversicherung (SGB III)
      • 3. Krankenversicherung (SGB V)
      • 4. Rentenversicherung (SGB VI)
      • 5. Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII)
      • 6. soziale Pflegeversicherung (SGB XI)
    • Schwerbehindertenrecht (SGB IX) – Einführung
      • 1. Feststellung der Schwerbehinderung
      • 2. Merkzeichen
      • 3. arbeitsrechtliche Bezüge
      • 4. Allgemein
    • Sozialhilfe / Grundsich… (SGB XII) – Einführung
      • 1. Einkommen und Vermögen im SGB XII
      • 2. Kosten der Unterkunft
      • 3. Haushaltsgemeinschaft
      • 4. Mehrbedarfe in der Sozialhilfe
      • 5. diverse Fragestellungen
    • Kindergeld, Wohngeld, UVG, Elterngeld – Einführung
      • 1. Kindergeld
      • 2. Wohngeld
      • 3. Unterhaltsvorschuss
      • 4. Elterngeld
      • 5. Allgemein
    • Familienunterhalt / Elternunterhalt – Einführung
      • 1. Familienunterhalt und Ehegattenunterhalt
      • 2. Berechnung des Elternunterhaltes
      • 3. Altersvorsorge
      • 4. Wohnvorteil
      • 5. Schenkung und Schenkungsrückforderung
      • 6. weitere Fragestellungen
    • Vorsorge, Betreuung, Unterbringung – Einführung
      • 1. Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
      • 2. gerichtliches Betreuungsverfahren
      • 3. Unterbringung
  • Stichwortverzeichnis / §§-Verzeichnis
  • Kontakt und Anfahrt

Beitrag aufgelistet in: Allgemeines Sozialrecht – … - Einführung » 5. allgemeine Fragen

Sozialleistungsbetrug durch Unterlassen: Mitteilungspflichten & Strafbarkeit

Beitrag vom 14.05.2012, aktualisiert am 26.10.2025

VG Wort - ZählpixelKurz erklärt: Sozialleistungsbetrug liegt nicht nur bei aktiver Täuschung, sondern auch durch Unterlassen gebotener Mitteilungen vor. Wer Änderungen seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mitteilt, kann sich nach § 263 StGB in Verbindung mit § 13 StGB strafbar machen. Die Mitteilungspflichten ergeben sich aus § 60 SGB I. In bestimmten Fällen kann zudem Strafklageverbrauch eintreten, wenn der Lebensvorgang einheitlich ist (OLG Brandenburg, 25.08.2011 – 53 Ss 51/11).

  • 1. Tatbestand des Sozialleistungsbetrugs
  • 2. Täuschung durch Unterlassen
  • 3. Mitteilungspflichten nach § 60 SGB I
  • 4. Strafklageverbrauch beim fortgesetzten Sozialleistungsbetrug
  • 5. Folgen und Praxistipps
  • 6. Häufige Fragen
  • 7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

1. Tatbestand des Sozialleistungsbetrugs

Nach § 263 StGB begeht einen Betrug, wer durch Täuschung über Tatsachen einen Irrtum erregt und sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft. Dies gilt auch für Empfänger von Sozialleistungen, die durch falsche oder unvollständige Angaben Leistungen erhalten.

Eine Täuschung kann auch durch Unterlassen erfolgen, wenn eine rechtliche Pflicht zur Mitteilung besteht – die sogenannte Garantenpflicht nach § 13 StGB.

2. Täuschung durch Unterlassen

Wer pflichtwidrig schweigt, täuscht, sofern er rechtlich verpflichtet war, den Sachverhalt mitzuteilen. Maßgeblich ist, ob die Information leistungsrelevant war und der Betroffene dies erkannte oder billigend in Kauf nahm. Die Grenze zur bloßen Ordnungswidrigkeit wird überschritten, wenn der Vorsatz auf unrechtmäßigen Leistungsbezug gerichtet ist.

Eine solche Pflicht ergibt sich regelmäßig aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I: Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, sind unverzüglich mitzuteilen.

3. Mitteilungspflichten nach § 60 SGB I

Leistungsempfänger müssen dem zuständigen Träger alle Änderungen mitteilen, die den Leistungsanspruch beeinflussen können. Dazu zählen insbesondere:

  • Aufnahme oder Beendigung einer Beschäftigung,
  • Veränderungen beim Einkommen oder Vermögen,
  • Änderungen des Familienstands oder des Wohnsitzes,
  • gesundheitliche Veränderungen mit Leistungsrelevanz.

Die Pflicht gilt erst als erfüllt, wenn die Mitteilung den zuständigen Sachbearbeiter tatsächlich erreicht. Eine bloße Absendung genügt nicht. Wird trotz fortlaufender Zahlungen erkennbar, dass die Mitteilung nicht angekommen ist, muss sie wiederholt werden (vgl. OLG Hamburg, 11.11.2003 – II-104/03).

Praxistipp: Änderungen sollten stets schriftlich und nachweisbar erfolgen (Fax, E-Mail mit Sendeprotokoll oder Eingangsbestätigung). Das belegt die Erfüllung der Mitwirkungspflicht.

4. Strafklageverbrauch beim fortgesetzten Sozialleistungsbetrug

Wird der Betrug über einen längeren Zeitraum oder mehrfach durch Unterlassen begangen, stellt sich die Frage, ob mehrere Taten vorliegen oder eine einheitliche Tat. Nach § 264 StPO darf niemand wegen derselben Tat zweimal bestraft werden – man spricht vom Strafklageverbrauch.

Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 25. 08. 2011 – 53 Ss 51/11) entschied, dass bei mehreren Arbeitsaufnahmen in engem zeitlichem Zusammenhang nur eine Tat vorliegen kann, wenn der Vorsatz durchgehend war:

Beschluss des OLG Brandenburg (verkürzt)

Auch sachlich-rechtlich selbständige Handlungen können prozessual eine Tat im Sinne des § 264 StPO sein, wenn sie innerlich so miteinander verknüpft sind, dass ihre getrennte Würdigung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde.
Da die Angeklagte nach einer ersten Arbeitsaufnahme kurz darauf eine zweite Beschäftigung aufnahm, ohne beide mitzuteilen, lag ein einheitlicher Vorsatz und damit Strafklageverbrauch vor.

Damit war ein zweites Strafverfahren unzulässig. Entscheidend war, dass die Angeklagte von Beginn an beabsichtigt hatte, die Arbeitsaufnahme nicht zu melden, um weiter Leistungen zu erhalten.

5. Folgen und Praxistipps

  • Mehrfache Arbeitsaufnahmen in engem zeitlichen Zusammenhang können eine Tat bilden.
  • Eine zweite Verurteilung ist dann ausgeschlossen (Strafklageverbrauch).
  • Liegt ein neuer Tatentschluss oder längerer zeitlicher Abstand vor, kann eine neue Tat entstehen.
  • Jede Arbeitsaufnahme sollte unverzüglich gemeldet werden, um Ermittlungen zu vermeiden.
Hinweis: Selbst wenn kein Vorsatz nachweisbar ist, drohen Rückforderungen und ggf. Ordnungswidrigkeiten. Frühzeitige Offenlegung schützt vor strafrechtlichen Risiken.

6. Häufige Fragen

Wann ist Unterlassen strafbar?

Nur, wenn eine rechtliche Pflicht zur Mitteilung besteht und das Unterlassen zu einer unrechtmäßigen Leistung führt (§ 13 StGB i. V. m. § 60 SGB I).

Was gilt als erhebliche Änderung?

Alle Änderungen, die den Leistungsanspruch beeinflussen können – z. B. Arbeitsaufnahme, Einkommensänderung, Umzug, Heirat, Kranken- oder Rentenbeginn.

Was bedeutet Strafklageverbrauch?

Er schützt vor einer erneuten Strafverfolgung, wenn es sich um denselben einheitlichen Lebensvorgang handelt (§ 264 StPO).

Wie kann ich mich absichern?

Änderungen stets schriftlich melden, Kopien aufbewahren und Eingangsbestätigung verlangen. Damit wird die Erfüllung der Mitwirkungspflicht nachgewiesen.

7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

Weiterführend zu Mitwirkungspflichten, Rückforderungen und Erstattung:

  • Sozialleistungsbetrug durch Unterlassen: Mitteilungspflichten & Strafbarkeit 1

    Mitwirkungspflichten SGB I (60–66) | Erklärung, Grenzen & Folgen

    Welche Mitwirkungspflichten gibt es nach dem SGB I (§§ 60–66)? Erklärung zu Tatsachenangabe, persönlichem Erscheinen, Untersuchungen, Heilbehandlung & Grenzen (§ 65) – plus Folgen fehlender Mitwirkung (§ 66) & Aufwendungsersatz (§ 65a) | mehr

  • Sozialleistungsbetrug durch Unterlassen: Mitteilungspflichten & Strafbarkeit 2

    Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 44-49 SGB X) – erklärt

    Wann und wie können Verwaltungsakte aufgehoben werden? §§ 44-49 SGB X regeln Rücknahme, Widerruf und Änderung von Bescheiden – mit Beispielen & Prüfschema | mehr

  • Sozialleistungsbetrug durch Unterlassen: Mitteilungspflichten & Strafbarkeit 3

    § 50 SGB X – Erstattungsanspruch bei Rückforderung von Sozialleistungen

    Wann müssen Sozialleistungen nach § 50 SGB X erstattet werden? Voraussetzungen, Fristen und Praxis-Hinweise zur Rückforderung – einfach erklärt | mehr

Siehe auch:
§ 263 StGB · § 13 StGB · § 60 SGB I.

Schreiben Sie einen Kommentar Antworten abbrechen

Wenn Sie anonym bleiben wollen, nutzen Sie bitte einen "Spitznamen".

Ihre Mail-Adresse veröffentliche und nutze ich nicht. Die Angabe einer E-Mail ist erforderlich, um Spam zu vermeiden.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine Antwort evtl. lange dauert und ich auch nicht alle Fragen beantworten kann.

Sozialleistungsbetrug durch Unterlassen: Mitteilungspflichten & Strafbarkeit

Rechtsanwalt Sönke Nippel
Kippdorfstraße 6-24
42857 Remscheid
 

Telefon: 0 21 91 / 46 00 876
 

ZUM IMPRESSUM

 
ZUR DATENSCHUTZERKLÄRUNG