Grundsätzlich gilt sowohl für das Sozialverwaltungsverfahren als auch für das Sozialgerichtsverfahren das Prinzip der Amtsermittlung gemäß § 20 Untersuchungsgrundsatz
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 20 SGB X und § 103 – Amtsermittlungsgrundsatz
Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 103 SGG, wonach der Leistungsträger und die Gerichte den Sachverhalt selbst erforschen müssen.
Bei der Aufklärung des Sachverhalts ist aber eventuell auch die Mitwirkung des Leistungsberechtigten oder eines Dritten erforderlich. Für diese Konstellationen regeln im SGB I die Mitwirkung des Leistungsberechtigten
§ 60 Angabe von Tatsachen
§ 61 …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§§ 60 ff. SGB I die allgemeinen Mitwirkungspflichten des Leistungsempfängers und z. B. die §§ 56 ff. SGB II spezielle Mitwirkungspflichten des Empfängers von Leistungen nach dem SGB II.
Wo sind die Mitwirkungspflichten geregelt?
Die §§ 60 ff. SGB I regeln Einzelheiten bezüglich der Mitwirkungspflichten ausschließlich des Leistungsberechtigten.
Die Vorschriften der §§ 60 bis 64 SGB I betreffen ausdrücklich nur das Leistungsverfahren. Die Vorschriften gelten auch im Erstattungsverfahren. Darüber hinaus können die Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit aus dem Sozialrechtsverhältnis stehenden Nebenpflichten gelten. Außerhalb des Leistungsverfahrens gelten die Vorschriften teilweise entsprechend. Im sozialversicherungsrechtlichen Auskunftsverfahren gelten gemäß dem SGB IV z. B. besondere Vorschriften (z. B. §§ 28 o, 148, … SGB IV).
Welche Mitwirkungspflichten kennt das SGB I?
Mit den §§ 60-64 SGB I wird der Leistungsträger ermächtigt,
- den Leistungsberechtigten zur Angabe von Tatsachen (§ 60 Angabe von Tatsachen
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat…
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 60 SGB I ), - den Leistungsberechtigten auch zum persönlichen Erscheinen (§ 61 Persönliches Erscheinen
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 61 SGB I), - zu ärztlichen und psychologischen Untersuchungen (§ 62 Untersuchungen
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 62 SGB I), - zu Heilbehandlungen (§ 63 Heilbehandlung
Wer wegen Krankheit oder Behinderung Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 63 SGB I) - oder der Teilhabe an berufsfördernden Maßnahmen(§ 64 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Wer wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 64 SGB I).
aufzuzfordern.
Nach § 60 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält (oder diese zu erstatten hat), alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers hat er der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Weiter hat er Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Sofern sich in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, Änderungen ergeben, hat der Leistungsberechtigte dies unverzüglich mitzuteilen.
Da es dem Leistungsträger oft nicht möglich ist, alle mit der Sozialleistung zusammenhängenden Fragen schriftlich zu klären, spricht § 61 SGB die schon bisher übliche und in einigen Sozialleistungsbereichen auch ausdrücklich genannte Pflicht zum persönlichen Erscheinen aus, soweit es zur Entscheidung über die Sozialleistung notwendig ist (vgl. Bundesregierung, Drucksache 7/868 vom 27. Juni 1973, Seite 33 zu § 61 SGB I).
§ 62 SGB I stellt klar, dass ärztliche und psychologische Untersuchungen grundsätzlich nicht verweigert, aber auch nur dann verlangt werden dürfen, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen nicht in anderer Weise, etwa durch ärztliche Atteste, geklärt werden können (vgl. Bundesregierung, Drucksache 7/868, Seite 33 zu § 62 SGB I).
Die Pflicht gemäß § 63 SGB I, sich einer erfolgversprechenden Heilbehandlung zu unterziehen, besteht in allen in Betracht kommenden Sozialleistungsbereichen (vgl. Bundesregierung, Drucksache 7/868, Seite 33 zu § 63 SGB I).
§ 64 SGB I erstreckt in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtspraxis die Grundsätze, die für die Heilbehandlung gelten, auf die Teilnahme an berufsfördernden Maßnahmen (z. B. Fortbildungs- und Umschulungskurse – vgl. Bundesregierung, Drucksache 7/868, Seite 33 zu § 64 SGB I).
Gelten Mitwirkungspflichten grenzenlos?
Eine Mitwirkung kann nur in den Grenzen des § 65 Genzen der Mitwirkung
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2. ihre …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 SGB I gefordert werden.
Die Erfüllung der Mitwirkungspflicht muss angemessen und zumutbar sein, § 65 Genzen der Mitwirkung
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 Abs. 1 Nrn. 1 und § 65 Genzen der Mitwirkung
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
1. …
2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)2 SGB I. Der Beschaffungsaufwand ist zu berücksichtigen, § 65 Genzen der Mitwirkung
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
…
3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I. Bestimmte Behandlungen und Untersuchungen können abgelehnt werden, § 65 Genzen der Mitwirkung
(1) …
(2) Behandlungen und Untersuchungen,
1. bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,…
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 Abs. 2 SGB I.
Welche Folgen kann eine Verletzung der Mitwirkungspflicht haben?
Der Leistungsberechtigte kann vom Leistungsträger nicht gezwungen werden, den zuvor genannten Aufforderungen nachzukommen. Entsprechende fehlende Mitwirkung kann aber im Rahmen von § 66 Folgen fehlender Mitwirkung
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 66 SGB I zur Entziehung oder Versagung von Leistungen führen. Voraussetzung dafür ist jedoch unter anderem eine vorherige schriftliche Belehrung des Betroffenen und dass die Aufklärung des Sachverhaltes ohne die Mitwirkung tatsächlich erheblich erschwert wird.
Die schriftliche Rechtsfolgenbelehrung gemäß § 66 Folgen fehlender Mitwirkung
…
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folgen schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 66 Abs. 3 SGB I muss klar, verständlich, vollständig und richtig sein, sonst kann die Belehrung ihre Warn- und Hinweisfunktion nicht erfüllen. Eine angemessene Frist zur Nachholung muss gesetzt werden. Geschieht dies nicht, hätte dies die Folge, dass eine Versagung und Entziehung von Leistungen nicht mehr in Betracht kommt. Insgesamt muss für den Adressaten der schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung die Möglichkeit bestehen, zu erkennen, welche Mitwirkung von ihm verlangt wird und ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, die Mitwirkungspficht nachholen zu können.
Zur schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung gemäß § 66 Abs. 3 SGB I vergleiche auch den Beitrag:
Kann der Berechtigte Ersatz für seine Aufwendungen verlangen?
Auf Antrag kann der Berechtigte auf ein Verlangen des Leistungsrägers zur Mitwirkung nach den §§ 61 und 62 SGB I (persönliches Erscheinen und ärztliche Untersuchungen) Ersatz der notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen, § 65 a Aufwendungsersatz
(1) Wer einem Verlangen des zuständigen Leistungsträgers nach den §§ 61 oder 62 nachkommt, kann auf Antrag Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalles in angemessenem Umfang erhalten. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 a Abs. 1 S. 1 SGB I. Auch Verdienstausfall kann ggf. geltend gemacht werden. Aufwendungen bei einer Anordnungen des „persönlichen Erscheinens“ sollen Aufwendungen nur in „Härtefällen“ ersetzt werden, § 65 a Aufwendungsersatz
(1) …Bei einem Verlangen des zuständigen Leistungsträgers nach § 61 sollen Aufwendungen nur in Härtefällen ersetzt werden.
(2) …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 a Abs. 1 S. 2 SGB I.
Zu den notwendigen Aufwendungen gehören Geldausgaben für Fahrt-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten sowie sonstigen Kosten z. B. für eine notwendige Begleitperson oder eine Haushalthilfe.
netloy meint
Hallo,
ich leide unter diagnostizierter antisozialer Persönlichkeitsstörungen (u.a. auch Hypertonie Stufe 2, Hypertrophy-Herz, Schildrüsenunterfunktion und Testeron, also hormonelle Störungen mit starken Stimmungsschwankungen. Das heißt, ich kann, wenn ich auch will, kann ich nicht geforderte Aufgaben in dem Maße erfüllen wie Gesunde. Kann ich dann bei Verweigerung der Vorlage von Kontoauszügen sanktioniert werden?
Steht übrigens auch im Rentengutachten Erwerbsminderung, welcher der Grundsicherung vorliegt.
Besten Dank für eine Antwort
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo netloy,
zunächst würde ich an die „Grenzen der Mitwirkung“ gemäß § 65 Genzen der Mitwirkung
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
1. …
2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I denken. Möglicherweise kann Ihnen die Mitwirkung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Zet meint
Hallo bzgl. der Mitwirkungspflicht hätte ich da auch eine Frage.
Und zwar wird vom Jobcenter (einer Optionskommune) ein Merkblatt unterschrieben (Unterschrift das Merkblatt erhalten zu haben) zurückgefordert für die weitere Bearbeitung meines Antrages.
Muss ich dem Nachkommen im Sinne der Mitwrikungspflicht und welche weiteren Folgen hätte die Verweigerung meiner Unterschrift auf dem Dokument?
Alex N meint
Ich bin aktuell wegen Erschöpfungssyndrom im Krankenstand. Ursprünglich hatte ich eine Reha zugesagt bekommen (Antritt: 3 Monate vor Ablauf des Krankentagegeldes). Aufgrund Corona habe ich die Reha nun abgesagt. Die Krankenkasse fordert mich jetzt auf die Reha bis 2.10.2020 anzutreten. Konsequenz wäre die Entziehung der Leistungen, sprich des Krankengeldes.
Wie kann ich weiterhin argumentieren, um der Reha zu entgehen?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Alex N,
Ihnen droht, dass die Gewährung von Krankengeld zu Recht wegen mangelnder Mitwirkung auf der Grundlage von § 66 Abs. 2 SGB I versagt werden wird.
Bei Bewilligung einer Reha ist die Erwartung begründet, dass die Durchführung der bewilligten Reha-Maßnahme eine Besserung des Gesundheitszustands des Versicherten herbeiführen wird.
Ob diese Erwartung auch in „Corona-Zeiten“ gilt, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber … warum sollte dies nicht auch in Corona-Zeiten gelten?
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Jennifer D. meint
Schönen Abend,
ich bin im Krankengeldbezug und wurde nun von der Krankenkasse aufgefordert ärztliche Unterlagen einzufordern, da dies die Krankenkasse ohne Erfolg einige Wochen versucht hätte.
Ich war in einer stationären Behandlung.
Wie soll mir das nun gelingen, wenn die Krankenkasse nicht an die Unterlagen gekommen ist? Mir wurde Mitwirkung genannt und Drohung Einstellung der Leistungen. Frist von 8 Tagen habe ich bekommen.
Ich hoffe Sie können helfen.
Vielen Dank.
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Jennifer,
ist der folgende Beitrag für Sie evtl. relevant?
Beendigung der Arbeitsunfähigkeit durch die Krankenversicherung
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Regina meint
Ich habe am 01.07.2019 auf Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch verzichtet, da mein Mann und ich noch Barvermögen hatten.
In dieser Erklärung steht: Durch die Erklärung werden meine Mitwirkungspflicht nach §§ 60 ff. SGB I nicht berührt. Daher bin ich verpflichtet für den laufenden Bewilligungsabschnitt meinen Mitwirkungspflichten gegenüber dem Jobcenter nachzukommen.
Ich habe seitdem nichts mehr vom Jobcenter gehört. Wird die Zeit als Anrechnungszeit für mein Rentenkonto geführt, oder nicht?
Mike24 meint
Hallo,
wenn ein Sachbearbeiter für eine Wohnung eine – von ihm geforderte – Mietbescheinigung erhält, und danach den unterschriebenen Mietvertrag einsehen will, und ohne diese Einsicht die Miete bei der GruSi nicht berücksichtigt, überschreitet dieser nicht Grenzen?
Er unterstellt einem, einer Mitwirkungspflicht nicht (!) nachzukommen. Aber aus der Mietbescheinigung gehen doch alle Kosten hervor.
Warum „überzieht“ dieser Mitarbeiter so?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Mike,
wenn das so geschehen ist wie sie es darstellen, ist das einfach ein falsches Handeln der Behörde.
Aber: was hat der Sachverständige mit der Entscheidung zur Bewilligung von Kosten der Unterkunft zu tun? Die Behörde – nicht der Sachverständige – entscheidet. Entscheidet die Behörde aufgrund fehlerhafter Tatsachenermittlungen, sollten Sie den entsprechenden Bescheid einfach entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung angreifen und ausführen, dass der Sachverhalt fehlerhaft ermittelt wurde. Meines Erachtens sollten Sie allerdings auf eine entsprechende Nachfrage der Behörde den Mietvertrag vorlegen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
RICHARD meint
Meine Tochter ist Studentin und hat Bafög beantragt. Da sie vermutlich die Kriterien für eine elternunbhängige Förderung nicht erfüllt, hat sie kurze Zeit später bei der zuständigen Wohngeldstelle auch Wohngeld beantragt. Diese Antrag wurde nun negativ beschieden mit der Begründung fehlender Mitwirkung nach 66 SGB i in Verbindung mit 60 SGB i. Konkret weil Sie keinen Bafög Ablehnungsbescheid vorlegen konnte, weil dieser noch nicht ergangen ist. Die Wohngeldstelle war über diesen Umstand fristgerecht informiert. Was tun?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Richard,
Studenten haben ggf. einen Anspruch auf Unterhalt gegenüber ihren Eltern (in der Regel bis zum Abschluss der Ausbildung). Nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 WoGG besteht kein Anspruch, wenn Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach in Frage kommen. … das BAföG ist das speziellere Gesetz und schließt die Anwendung anderer Förderungen weitgehend aus …
… das zuvor Ausgeführte wäre m. E. die richtige Begründung für die Ablehnung … eine fehlende Mitwirkung (Antrag BAföG) „eigentlich“ nicht … (Ihre Tochter hat Ihnen gegenüber ja nach Ihren Angaben wahrscheinlich einen Anspruch) …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Angela meint
Ich bin Bezieher von „Grundsicherung im Alter“ nach SGB XII und soll unter Androhung der Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I bis zum 15.8.23 (Eingang 29.7.23) einen Antrag auf Wohngeld stellen, da hier § 2 SGB XII Nachrang der Sozialhilfe greife. Außerdem wird mir mitgeteilt, dass die Leistungen bis zum 30.8.23 befristet werden.
Greift die Mitwirkungspflicht in meinem Fall, denn ich soll ja in Wirklichkeit aus dem System der Grundsicherung im Alter (ich bin 72 Jahre alt) ausscheiden.
Kann ich in das System Wohngeld gezwungen werden, das mich hinsichtlich meiner Rechte auf Zuwendung im Alter schlechter stellt als die „Grundsicherung im Alter“ schlechter stellt?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Angela,
„eigentlich“ können Sie durch den Bezug von Wohngeld nicht schlechter als beim Bezug von Leistungen nach dem SGB XII stehen. Darauf ist „eigentlich“ die gesamte Gesetzessystematik ausgerichtet. Dies ist auch verständlich: Derjenige, der sich (fast) gänzlich selbst versorgen kann und dies durch seine Lebensleistung erwirtschaftet hat, soll möglichst besser stehen, als derjenige, der das nicht erwirtschaftet hat.
Also: Nachteile dürften durch den Bezug von Wohngeld nicht entstehen! Die Anspruchshöhe beim Wohngeld müsste höher sein als bei der Grundsicherung. Dies gilt insbesondere nach den jüngsten Änderungen zum Wohngeld, bei der auch die Betriebskosten bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt werden müssen).
Aber: Das Bundessozialgericht entschied im Hinblick auf § 2 Abs. 1 SGB XII (dort ist der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe festgelegt), dass § 2 SGB XII im Hinblick auf das Wohngeld keine Ausschlussnorm ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2021, B 8 SO 2/20 R).
Mit freundlichen Grüßen
Sönke Nippel
Rechtsanwalt