Immer wieder ist der Begriff der Bedarfsgemeinschaft insbesondere gemäß § 7 Leistungsberechtigte
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 7 SGB II und § 9 Hilfebedürftigkeit
(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 9 SGB II Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Nur beim Hartz 4 wird der Begriff Bedarfsgemeinschaft verwendet.
Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, § 7 Leistungsberechtigte
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(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. …
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 7 Abs. 2 S. 1 SGB II. Auch nicht erwerbsfähige Personen können also mit zur Bedarfsgemeinschaft gehören.
Weiterhin werden Personen, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, mit in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen. Jede Person gilt im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, § 9 Hilfebedürftigkeit
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(2) … Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei…
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 9 Abs. 2 S. 3 SGB II. Auch nicht bedürftige Personen können so zu Hilfeempfängern werden.
1. Kritik des Bundessozialgerichts
Das Bundessozialgericht übt harsche Kritik an den Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft (vgl. www.sozialgerichtsbarkeit.deUrteil vom 7. November 2007, B 7b AS 8/06 R ):
[14] … Nicht nur die schwer verständliche gesetzliche Regelung der Bedarfsgemeinschaft, sondern auch die tatsächliche Handhabung dieses Rechtsinstituts führt mithin zu Irritationen bei den Betroffenen, denen zumindest für eine Übergangszeit (bis 30. Juni 2007) bei der Auslegung von Anträgen, sei es im Verwaltungs-, sei es im Gerichtsverfahren, durch großzügige Auslegung Rechnung getragen werden muss. …
[25] … Andererseits wäre es nicht unangebracht, das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft, das das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) nicht kennt, in der bisherigen Ausprägung (insbesondere den § 9 Abs 2 S 3 SGB II) ersatzlos zu streichen. Die erörterten und geschilderten rechtlichen und tatsächlichen Probleme belegen, dass die Einführung einer Bedarfsgemeinschaft keineswegs der Praktikabilität dienlich ist.
Der Gesetzgeber hat bisher auf die nicht nur vom Bundessozialgericht formulierte Kritik nicht bzw. nur zurückhaltend reagiert. Auch 2019 muss daher die Kritik an den unübersichtlichen Rgelungen aufrecht gehalten werden.
2. Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft
Die Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft wird insbesondere aus zwei Überlegungen hergeleitet:
- ohne einen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch wird bei Kindern, die mit einem nicht leiblichen Elternteil in der Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen des nicht leiblichen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft bedarfsmindernd zum Ansatz gebracht;
- nicht hilfebdürftigen Personen wird ohne gesetzliche Grundlage Einkommen weggenommen und anderen Bedarfsgemeinschaftsmitgliedern zugewiesen.
3. Einzelfallentscheidungen
Jobcenter sind von den Problemstellungen im Hinblick auf den Begriff der Bedarfsgemeinschaft überfordert. Sozialgerichte müssen eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen zum Begriff der Bedarfsgemeinschaft treffen. Das Unverständnis bei den Betroffenen ist groß.
Beispielhaft werden hier Einzelfallentscheidungen genannt:
- Das LSG Hessen führt in einem Beschluss vom 17. Dezember 2007 zum Indiz für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft aus, dass ein gemeinsames Konto allein noch kein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ist (www.sozialgerichtsbarkeit.deL 7 AS 282/07 ER).
Beschluss des LSG Hessen vom 17. Dezember 2007, L 7 AS 282/07 ER Auch wenn man das gemeinsame Konto von Antragsteller und B. als Indiz ansieht, fehlt es an der Gegenseitigkeit, jeweils über das Einkommen beziehungsweise Vermögen des anderen verfügen zu können. Nach den übereinstimmenden Angaben des Antragstellers und B. ist dieser über das Konto nicht verfügungsberechtigt. Mit seiner Bankkarte kann er lediglich Kontoauszüge ausdrucken, jedoch kein Geld abheben. Vor dem Hintergrund seiner Angaben, dass bei ihm ein Verbraucherinsolvenzverfahren läuft, erscheint seine Begründung glaubhaft, er könne nicht mit Geld umgehen und es sei ihm lieber, wenn B. ihm das Geld zuteile.
- Andere Entscheidungen beschäftigten sich mit Abgrenzungsfragen zur „eheähnlichen Lebensgemeinschaft“, dem Begriff „Zweckgemeinschaft“ sowie auch der Haushaltsgemeinschaft und der Wohngemeinschaft.
Das LSG Baden-Württemberg formulierte in einem Beschluss vom 31. Januar 2006, das Vorliegen einer über eine Zweckgemeinschaft hinausgehenden, eheähnlichen Lebensgemeinschaft müsse als anspruchsvernichtende Tatsache bewiesen sein. Die Behörde trage hierfür die objektive Beweislast“ (www.lrbw.juris.deL 7 AS 108/06 ER-B):Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 31. Januar 2006, Leitsatz und Rdnr. 14 Das Vorliegen einer über eine Zweckgemeinschaft hinausgehenden, eheähnlichen Lebensgemeinschaft muss als anspruchsvernichtende Tatsache bewiesen sein; die Behörde trägt hierfür die objektive Beweislast. Auf die für die eheähnliche Lebensgemeinschaft konstituierende Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft (BVerfGE 87, 234 und NVwZ 2005, 1178) kann i.d.R. nur aus so genannten Indiztatsachen im Rahmen einer Gesamtwürdigung geschlossen werden. An den Nachweis sind erhöhte Anforderungen zu stellen.
…
[14] … Schon der Altersunterschied und die aus den Äußerungen beider Beteiligter erkennbare Isoliertheit der beiden Angehörigen der Wohngemeinschaft sprechen dafür, dass hier eine Beziehung nach einem anderen Leitbild gelebt wird als dem einer Ehe, wie es das BVerfG in den zitierten Entscheidungen zugrunde gelegt hat.
…
Heute (Stand: September 2019) formuliert § 7 SGB II in den Absätzen 3 und 3 a die wesentlichen Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft aus:
- …
- (3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1. die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
- 2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
- 3. als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
- a) die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
- b) die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
- c) eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
- (3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1. länger als ein Jahr zusammenleben,
- 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
- 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
- 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
- …
Ergänzend regelt § 9 Abs. 2 und 3 SGB II:
- …
- (2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Abs. 2 S. 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach S. 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.
- (3) Abs. 2 S. 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.
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Kuschel says
Hallo,
ich verstehe das unter Punkt 3 nicht so ganz: Was bedeutet: 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen?
Mein Freund versorgt mein Kind nicht, wir teilen alles, Miete Strom GEZ Telefon, Einkauf.
Wir leben aber erst seit 8 Monaten zusammen – heißt es, dass wir dann trotzdem eine Bedarfsgemeinschaft sind, weil ich eine Tochter habe?.
Viele Grüße
Kuschel