Mit der Reform zum 1. Juli 2023 hat der Gesetzgeber die rechtliche Behandlung von Erbschaften im Bürgergeld grundlegend geändert. Nach der Neufassung des § 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II gilt:
Eine Erbschaft ist kein Einkommen mehr, sondern wird ausschließlich als Vermögen behandelt. Sie mindert daher das Bürgergeld nicht als laufende Einnahme, sondern wird nur im Rahmen der Vermögensprüfung berücksichtigt.
Dies bedeutet: Erbschaften erhöhen nicht das monatlich anrechenbare Einkommen (§ 11 SGB II), können aber die Vermögensgrenzen überschreiten (§ 12 SGB II).
1. Gesetzliche Neuregelung (§ 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II)
Nach § 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II werden Erbschaften ausdrücklich nicht als Einkommen berücksichtigt. Die Regelung lautet:
„Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind … Erbschaften.“
Damit wurde eine frühere Rechtsunsicherheit beseitigt, nach der der Zeitpunkt des Zuflusses entscheidend war. Maßgeblich ist nun nur noch, ob die Erbschaft zum Vermögen gehört und innerhalb der Vermögensfreigrenzen liegt.
Beispiel: Eine Bürgergeld-Empfängerin erhält im September 2023 eine Erbschaft von 5.000 €. Diese gilt als Vermögen. Nur soweit ihr Gesamtvermögen die Freigrenze übersteigt, kann die Leistung gekürzt werden.
Die Änderung trat am 1. Juli 2023 in Kraft (Gesetz zur Stärkung der Bürgergeldreform, BGBl. I 2023 Nr. 172). Für Zuflüsse vor diesem Zeitpunkt gelten weiterhin die alten Grundsätze des Bundessozialgerichts.
2. Frühere Rechtslage (bis 30. Juni 2023)
Vor der Neuregelung galt eine Erbschaft als Einkommen, wenn sie nach Antragstellung zufloss. Maßgeblich war das Zuflussprinzip nach § 11 Abs. 1 SGB II. Diese Rechtsprechung ist heute nur noch für Altfälle relevant (BSG, 28. Oktober 2009 – B 14 AS 62/08 R).
„Einkommen ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte.“
Das führte in der Praxis dazu, dass der Zeitpunkt der Antragstellung darüber entschied, ob eine Erbschaft als Einkommen oder Vermögen galt. Durch bloßes Verschieben der Antragstellung konnten Betroffene die rechtliche Einstufung beeinflussen.
Erbschaften wurden damals als einmalige Einnahme behandelt und auf sechs Monate verteilt (§ 11 Abs. 3 SGB II a. F.). Nach Ablauf dieses Zeitraums galt ein etwaiger Rest als Vermögen („Schonvermögen“).
3. Rechtsprechung zur früheren Rechtslage
BSG, 29. April 2015 – B 14 AS 10/14 R)
„Das Einkommen ist erst mit dem tatsächlichen Zufluss zu berücksichtigen. Maßgeblich ist, wann das Geld dem Leistungsberechtigten als bereites Mittel zur Verfügung steht.“
Diese Rechtsprechung bleibt nur noch für Erbfälle vor dem 1. Juli 2023 relevant.
4. Häufige Fragen
Wie wird eine Erbschaft beim Bürgergeld seit 2023 behandelt?
Sie gilt als Vermögen, nicht als Einkommen. Eine Kürzung der Leistungen erfolgt nur, wenn die Vermögensfreigrenzen überschritten werden.
Gilt das auch für Erbfälle vor 2023?
Nein. Für Erbfälle vor dem 1. Juli 2023 gilt noch die alte Rechtsprechung des BSG: Erbschaften waren damals als Einkommen anzurechnen.
Was passiert, wenn die Erbschaft während des Leistungsbezugs zufließt?
Nach neuem Recht bleibt der Zeitpunkt des Zuflusses unbeachtlich. Maßgeblich ist allein, ob die Erbschaft zum Vermögen gehört und die Grenze nach § 12 SGB II übersteigt.
5. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Einkommen, Vermögen und einmaligen Einnahmen im Bürgergeld:



Sven Bucher says
Ich plane derzeit meine Erbschaft und setzte in Beratung mein Testament auf. Ich frage mich derzeit ob das Erbe dann als Einkommen oder Vermögen deklariert wird. Das dieses über den Zeitpunkt des Zuflusses definiert ist, macht für mich Sinn. Ich werde dies mit meinem beratendem Anwalt besprechen, vielen Dank.
Wünsche, Petra says
Warum wird im Änderungsantrag nach Erhalt Pflegegeld gefragt, wenn es nicht anrechenbar aufs Einkommen ist? Muss ich das angeben?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Wünsche,
… eine gute und meines Erachtens auch berechtigte Frage … darauf weiß ich aber keine Antwort …
Ohne jetzt im Einzelnen auf damit verbundene „Spitzfindigkeiten“ einzugehen, würde ich raten, Anträge korrekt auszufüllen …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt