Zur Frage „Erbschaft – Vermögen oder Einkommen im Sinne des SGB II?“ führt das BSG in einer
www.sozialgerichtsbarkeit.deEntscheidung vom 28. Oktober 2009 (B 14 AS 62/08 R) aus:
[21] Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst nicht vor. Wie die für das SGB II zuständigen Senate des BSG bereits entschieden haben, ist Einkommen im Sinne des § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge…
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Nicht entscheidend ist das Schicksal der Forderung.
Die Problematik der obigen Feststellungen liegt auf der Hand:
Durch die Wahl des Zeitpunkts der Antragstellung liegt es in der Hand des Antragstellers, ob eine Erbschaft Vermögen oder Einkommen ist. Durch die zeitliche Verschiebung des Antrags könnte – wird den Ausführungen gefolgt – Vermögen „gerettet“ werden.
1. Anwendbarkeit des § 11 SGB II auf die Erbschaft
Tritt der Erbfall erst während des Leistungsbezugs nach dem SGB II ein, handelt es sich um einen Wert, der dem SGB II-Leistungsberechtigten erst nach Antragstellung zuwächst. Er ist als Einkommen im Sinne von § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge…
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 11 Abs. 1 SGB II zu qualifizieren (so zuletzt ausdrücklich: www.sozialgerichtsbarkeit.deBSG, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 10/14 R).
Der zugeflossene Betrag ist – bereinigt um die hieraus zu bestreitenden Nachlassverbindlichkeiten – als einmalige Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigen. Zunächst ist daher die komplette Erbschaft als Einkommen nach der geltenden Rechtslage zu bewerten.
Die Erbschaft kann dann – würde sie zu einem kompletten Wegfall des Leistungsanspruchs in dem Zuflussmonat führen – gemäß § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II auf einen Zeitraum von 6 Monaten aufgeteilt und mit einem entsprechenden Teilbetrag berücksichtigt werden. Nach Ablauf des sechsmonatigen Verteilzeitraums ist die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme als Einkommen nicht mehr möglich. Ggf. noch vorhandene Restsummen sind dann als Vermögen anzusehen – es kann Schonvermögen entstehen.
2. Zeitpunkt des Zuflusses der Erbschaft
Das Einkommen aus der Erbschaft ist erst mit dem tatsächlichen Zufluss zu berücksichtigen (s. o. BSG vom 29. April 2015).
d) Das Einkommen ist indes erst mit dem tatsächlichen Zufluss am 27.6.2011 zu berücksichtigen. Auch wenn, wie vorliegend aufgrund von § 1922 BGB, normativ ein anderer als der tatsächliche Zufluss maßgeblich für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist, ist die Erbschaft dem Bedarf als Einkommen erst in dem Zeitpunkt gegenüberzustellen, in dem sie den Klägern tatsächlich als bereites Mittel zur Deckung ihres Bedarfs zur Verfügung stand (vgl BSG vom 25.1.2012 – B 14 AS 101/11 R – SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 22; BSG Urteil vom 17.2.2015 – B 14 KG 1/14 R – vorgesehen für SozR 4 RdNr 18). Dies ist vorliegend am 27.6.2011 der Fall, als die Zahlung aus dem Erbe in Höhe von 8000 Euro dem Konto des Klägers gutgeschrieben wurde.
Auch wenn normativ gemäß § 1922 BGB ein anderer als der tatsächliche Zufluss maßgeblich für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist, ist die Erbschaft dem Bedarf als Einkommen erst in dem Zeitpunkt gegenüberzustellen, in dem sie den Leistungsempfängern tatsächlich als „bereites Mittel“ zur Deckung ihres Bedarfs zur Verfügung steht.
Sven Bucher meint
Ich plane derzeit meine Erbschaft und setzte in Beratung mein Testament auf. Ich frage mich derzeit ob das Erbe dann als Einkommen oder Vermögen deklariert wird. Das dieses über den Zeitpunkt des Zuflusses definiert ist, macht für mich Sinn. Ich werde dies mit meinem beratendem Anwalt besprechen, vielen Dank.
Wünsche, Petra meint
Warum wird im Änderungsantrag nach Erhalt Pflegegeld gefragt, wenn es nicht anrechenbar aufs Einkommen ist? Muss ich das angeben?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Frau Wünsche,
… eine gute und meines Erachtens auch berechtigte Frage … darauf weiß ich aber keine Antwort …
Ohne jetzt im Einzelnen auf damit verbundene „Spitzfindigkeiten“ einzugehen, würde ich raten, Anträge korrekt auszufüllen …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt