Nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II sind bestimmte ausländische Staatsangehörige von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, obwohl sie grundsätzlich leistungsberechtigt wären. Da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist die Vorschrift restriktiv auszulegen.
1. Einreisende in den ersten drei Monaten
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II erhalten Ausländerinnen und Ausländer in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts keine Leistungen nach dem SGB II,
wenn sie
- weder Arbeitnehmer noch Selbständige sind und
- nicht nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind.
Die Regelung soll insbesondere EU-Bürger erfassen, die nur zur Arbeitssuche einreisen und hierfür zunächst keinen Aufenthaltsnachweis benötigen.
Frühere europarechtliche Bedenken (Art. 39 EG) gelten als überholt, da der EuGH (u. a. Dano, Alimanovic) seit 2014 ausdrücklich bestätigt hat, dass Mitgliedstaaten EU-Bürger ohne Arbeitnehmerstatus von Grundsicherungsleistungen ausschließen dürfen.
2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer dauerhaft ausgeschlossen,
- wenn ihr einziges Aufenthaltsrecht der Zweck der Arbeitssuche ist.
Auch Familienangehörige sind in diesem Fall ausgeschlossen.
3. Gesetzeslage ab 2017 (Sozialhilfe- und SGB-II-Reform)
Seit dem 29. Dezember 2016 erhalten EU-Bürger **grundsätzlich** nur noch dann Sozialhilfe oder Leistungen nach dem SGB II, wenn sie durch Beschäftigung oder Beitragszahlungen Ansprüche in den deutschen Sozialsystemen erworben haben. Ansonsten besteht ein Anspruch frühestens nach **fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt**.
Diese Neuregelung betrifft sowohl:
- Leistungen nach dem SGB II
- Leistungen nach § 23 SGB XII
Damit wurde die zuvor unklare Rechtslage vollständig neu geordnet.
4. Rechtsprechung zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA)
Die folgende Rechtsprechung ist **nur für Zeiträume vor dem 29. Dezember 2016** relevant. Heute lässt sich daraus **kein Leistungsanspruch** mehr herleiten.
Das Bundessozialgericht hatte 2010 entschieden, dass Staatsangehörige von Staaten, die das Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) ratifiziert haben, nach Art. 1 EFA nicht vom Leistungsausschluss erfasst werden.
BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R
Ein Ausländer, dessen Aufenthaltsrecht allein auf Arbeitssuche beruht, ist nicht ausgeschlossen, wenn er unter den persönlichen Schutzbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens fällt.
Seit den Urteilen Dano (C-333/13), Alimanovic (C-67/14), García-Nieto (C-299/14) und Jobcenter Krefeld / LN (C-181/19) ist geklärt, dass Mitgliedstaaten EU-Bürger, die weder Arbeitnehmerstatus besitzen noch über hinreichende Existenzmittel verfügen, von steuerfinanzierten Sozialleistungen ausschließen dürfen. Ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche vermittelt keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Linie mit den Reformen 2016/2017 umgesetzt: EU-Bürger erhalten SGB-II- oder SGB-XII-Leistungen grundsätzlich erst nach fünfjährigem rechtmäßigem Aufenthalt oder bei vorherigem Erwerbstätigenstatus. Das frühere „EFA-Schlupfloch“ besteht damit nicht mehr.
- EuGH-Urteil vom 11. November 2014, C-333/13 (Dano):
Dieses Urteil stellte klar, dass ein Unionsbürger, der nicht erwerbstätig ist und über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt, um die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38/EG zu erfüllen, keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen in Bezug auf Sozialleistungen hat.
- EuGH-Urteil vom 15. September 2015, C-67/14 (Alimanovic):
Dieses Urteil bekräftigte, dass ein Mitgliedstaat Unionsbürger, die Leistungen zur Existenzsicherung in Anspruch nehmen wollen, ausschließen darf, wenn ihr Aufenthaltsrecht aus dem Zweck der Arbeitsuche resultiert und sie nach Ablauf von sechs Monaten keine hinreichende Aussicht auf eine Beschäftigung haben.
Das BSG hat in der Folge seine EFA-Rechtsprechung von 2010 revidiert (vgl. u. a. BSG, 13.12.2016 – B 4 AS 55/15 R).
5. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu EU-Bürgern, Freizügigkeitsrecht, Leistungsausschlüssen und Sozialhilfe:


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