Eine Patientenverfügung liegt vor, wenn ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall späterer Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festlegt, ob er in bestimmte Untersuchungen, Heilbehandlungen oder Eingriffe einwilligt oder sie untersagt – vgl. § 1827 Abs. 1 S. 1 BGB.
1. Problemstellung
Die Intensivmedizin ermöglicht es, den Sterbeprozess erheblich zu beeinflussen. Maßnahmen wie künstliche Ernährung, Flüssigkeitsgabe oder Sauerstoffzufuhr können am Lebensende zweifelhaft sein. Der Palliativmediziner Borasio hat hierzu pointiert Stellung genommen (Borasio, Stellungnahme 04.03.2009):
„Leider haben diese Maßnahmen zwei große Nachteile: Erstens, sie bringen nichts. Das Durstgefühl in der Sterbephase korreliert nicht mit der Menge der zugeführten Flüssigkeit, sondern mit dem Grad der Trockenheit der Mundschleimhäute. Die Verflachung der Atmung ist ein physiologisches Zeichen der Sterbephase und kein Zeichen der Atemnot, sodass die Sauerstoffgabe keinem vernünftigen Zweck dient.
Zweitens, sie schaden den Patienten. Die Gabe von Sauerstoff über eine Nasenbrille trocknet die Mundschleimhäute aus, sodass dadurch tatsächlich ein qualvolles Durstgefühl entsteht, und zwar unabhängig von der Menge der zugeführten Flüssigkeit. Diese wiederum muss über die Niere ausgeschieden werden. Die Niere ist aber das Organ, das im Verlauf der Sterbephase mit als erstes seine Funktion einschränkt bzw. einstellt. Dadurch kann die zugeführte Flüssigkeit nicht mehr ausgeschieden werden und wird in das Gewebe eingelagert, insbesondere auch in die Lunge. Dies führt zum Lungenödem und damit zu Atemnot. Damit bringen die wohlgemeinten Maßnahmen zur Vermeidung von Verdursten und Ersticken genau die Symptome erst richtig hervor, die sie eigentlich verhindern sollten.“
Bei künstlicher Ernährung in fortgeschrittener Demenz wird teils sogar eine fehlende medizinische Indikation angenommen (s. Borasio, a.a.O.).
2. Maßgeblichkeit des Patientenwillens
Der Patientenwille ist maßgeblich. Eine Behandlung gegen den erklärten Willen verletzt körperliche Integrität und Selbstbestimmung. Eine hinreichend konkrete Patientenverfügung bindet Ärzte und Pflege unmittelbar. Fehlt sie, kann auch ein zuvor geäußerter Wille maßgeblich sein – vgl. BGH, 25.06.2010 – 2 StR 454/09 (Wachkoma; keine PV, aber beachtlicher früherer Wille). In anderen Fällen trug eine zu unbestimmte Verfügung nicht (keine Voraussetzungen erfüllt), vgl. BGH, 10.11.2010 – 2 StR 320/10.
Praxishilfe: Das BMJ stellt Textbausteine zur Verfügung (BMJ-Textbausteine Patientenverfügung). Wichtig bleibt die Anpassung an die persönliche Lebenssituation.
3. Unbeachtlichkeit des „natürlichen Willens“
Je sorgfältiger konkrete Situationen (z. B. Demenz, terminale Erkrankung, Beatmung, PEG-Sonde, Reanimation) geregelt sind, desto geringer die Gefahr, dass später ein bloß „natürlich“ geäußerter Wille (etwa nonverbale Signale eines Geschäftsunfähigen) die Verfügung faktisch verdrängt. Gut formulierte, situationsbezogene Anordnungen stärken die Bindungswirkung der Verfügung.
4. Vorsorgevollmacht
Von der Patientenverfügung zu unterscheiden ist die Vorsorgevollmacht: Sie regelt, wer entscheiden darf. Der/die Bevollmächtigte ist an die Patientenverfügung gebunden. Rechtsgrundlagen u. a.: § 1814 Abs. 2 BGB (Betreuungsvorrang der Vollmacht), § 1820 BGB (Anzeige an das Betreuungsgericht), § 1829 Abs. 5 BGB (Gerichtsgenehmigung bei ärztlichen Maßnahmen, entsprechend für Bevollmächtigte).
Praktische Formulare bietet u. a. die Stiftung Warentest (Stiftung Warentest – Vorsorge-Set) sowie das BMJ (s. o.). Bei komplexen Vermögens-/Familiensituationen: anwaltliche Beratung einplanen.
5. Häufige Fragen
- Reicht „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ als Formulierung?
Meist nein. Solche Generalklauseln sind zu unbestimmt. Besser: konkrete Anordnungen (z. B. zu Beatmung, Reanimation, künstlicher Ernährung/Flüssigkeit, Dialyse, Antibiotika, Schmerz-/Sedierungstherapie) mit Situationen verknüpfen. - Kann ich eine PV jederzeit widerrufen?
Ja – formlos, solange Einsichts- und Steuerungsfähigkeit besteht. Der spätere „natürliche Wille“ eines Geschäftsunfähigen ist grundsätzlich unbeachtlich, wenn die PV konkret ist. - Binden auch alte PVs?
Ja, sofern inhaltlich hinreichend bestimmt. Trotzdem sinnvoll: regelmäßige Aktualisierung (z. B. alle 2–3 Jahre Datum/Unterschrift), um den aktuellen Willen zu dokumentieren. - Wer entscheidet ohne PV?
Betreuer oder Bevollmächtigte nach § 1829 BGB; der (mutmaßliche) Wille ist zu ermitteln. Bei risikoreichen Maßnahmen kann eine gerichtliche Genehmigung nötig sein.
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Patientenwille:



Jim Winkler says
Eine Patientenverfügung ist immer etwas umstritten. Schließlich will man nicht komplett jemanden ausgeliefert sein. Aber es ist durchaus sehr wichtig, damit die Ärzte auch handeln können.
wolfgang Krähenbühl says
Ich finde das ist ein wirklich schweres Thema! Einige meiner Freunde stellen sich das schlimmste darunter vor aber es geht ja lediglich darum, dass für den Patienten so entschieden wird, wie dieser es gewünscht hat, als er noch zurechnungsfähig war. Meine Tante hat das gemacht bevor sie Dement geworden ist und so wird nun über sie entschieden wie es wollte.b