§ 65 SGB I – Grenzen der Mitwirkung
(4 Beiträge mit § 65 SGB I – Grenzen der Mitwirkung)
1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
- (1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
- 1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
- 2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
- 3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
- (2) Behandlungen und Untersuchungen,
- 1. bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
- 2. die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
- 3. die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.
- (3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung) die Gefahr zuziehen würden, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
2. Kommentierung
I. Systematik und Funktion
§ 65 SGB I konkretisiert die Grenzen der Mitwirkungspflichten, die in den §§ 60–64 SGB I geregelt sind. Der Schutz von Persönlichkeitssphäre und körperlicher Integrität des Betroffenen ist leitendes Prinzip. Das Verhältnis zwischen Mitwirkungslast und beantragter Leistung muss angemessen sein.
II. Einzelne Grenzen nach Abs. 1
- Nr. 1 – Verhältnismäßigkeit: Aufwand/Nutzen dürfen nicht außer Verhältnis stehen.
- Nr. 2 – Unzumutbarkeit: Wichtige Gründe können persönliche, gesundheitliche oder familiäre Belastungen sein.
- Nr. 3 – Selbstbeschaffung durch Leistungsträger: Wenn der Träger die Information einfacher/effizienter ermitteln kann, entfällt die Pflicht des Leistungsberechtigten.
III. Abs. 2 – Grenzen bei Untersuchungen
Untersuchungen dürfen abgelehnt werden, wenn:
- ein Gesundheitsschaden nicht sicher auszuschließen ist,
- erhebliche Schmerzen zu erwarten sind oder
- ein erheblicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit droht.
Damit wird die körperliche Integrität besonders geschützt.
IV. Abs. 3 – Selbstbelastungsfreiheit
Die Pflicht zur Mitwirkung endet dort, wo Angaben die Gefahr einer Strafverfolgung oder Ahndung einer Ordnungswidrigkeit begründen könnten. Dies gilt auch für Angaben über nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1–3 ZPO).
V. Gesetzesmaterialien
Die Vorschrift enthält Beschränkungen aller in §§ 60 bis 64 genannten Mitwirkungspflichten. Absatz 1 nennt mit der Zumutbarkeit die Grenze, die zur Wahrung der Persönlichkeitssphäre und der körperlichen Integrität des einzelnen erforderlich ist und stellt klar, dass die in Anspruch genommene Sozialleistung und die Mitwirkung des Berechtigten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Absatz 2 und 3 enthalten Konkretisierungen von Absatz 1 für Behandlungen und Untersuchungen sowie für Tatsachenangaben einschließlich der in § 60 Abs. 1 Nr. 1 vorgesehenen Zustimmung zu Auskünften Dritter.
3. Beitragsliste
In den folgenden Beiträgen habe ich § 65 SGB I angesprochen:
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