§ 64 SGB I – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
(2 Beiträge mit § 64 SGB I – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben)
1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
- (1) Wer wegen Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des Leistungsträgers einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung oder Heilbehandlung unterziehen, soweit diese zur Feststellung der Leistungsvoraussetzungen oder zur Durchführung von Leistungen erforderlich ist.
- (2) Eine Heilbehandlung darf nur verlangt werden, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg verspricht und für den Betroffenen zumutbar ist.
- (3) Der Leistungsträger trägt die Kosten der Untersuchung oder Heilbehandlung.
2. Kommentierung
I. Funktion und Systematik
§ 64 SGB I normiert die Mitwirkungspflicht zur Heilbehandlung. Die Vorschrift ergänzt die allgemeinen Mitwirkungspflichten der §§ 60–63 SGB I und dient dazu, die Anspruchsvoraussetzungen zu klären oder Leistungen überhaupt erst zu ermöglichen. Gleichzeitig wird durch Abs. 2 und 3 der Schutz der Betroffenen gesichert.
II. Heilbehandlung als Mitwirkungspflicht
Nach Abs. 1 soll sich der Antragsteller oder Leistungsberechtigte auf Verlangen einer Untersuchung oder Behandlung unterziehen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die Leistungsfähigkeit oder der Grad einer Behinderung/Pflegebedürftigkeit festgestellt werden muss. Die Vorschrift hat große praktische Bedeutung in der Renten-, Unfall- und Krankenversicherung sowie in der Pflegeversicherung.
III. Grenzen – Zumutbarkeit und Erfolgsaussicht
Eine Heilbehandlung darf nur verlangt werden, wenn:
- die Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg verspricht,
- sie für den Betroffenen zumutbar ist (z. B. keine unzumutbaren Risiken, keine unverhältnismäßigen Schmerzen).
Damit knüpft § 64 Abs. 2 SGB I unmittelbar an die in § 65 SGB I
Grenzen der Mitwirkungspflichten, insb. Schutz von körperlicher Integrität und Zumutbarkeit
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 65 SGB I geregelten allgemeinen Zumutbarkeitsgrenzen an.
IV. Kostentragung
Abs. 3 stellt klar, dass die Kosten einer verlangten Heilbehandlung oder Untersuchung immer vom Leistungsträger zu tragen sind. Dem Antragsteller darf dadurch keine finanzielle Belastung entstehen.
V. Gesetzesmaterialien
Die Vorschrift verdeutlicht, dass Heilbehandlungen nur verlangt werden dürfen, wenn diese nicht nur erforderlich, sondern auch zumutbar und erfolgversprechend sind. Sie grenzt den Grundsatz der Mitwirkungspflicht dort ein, wo die persönliche Integrität des Betroffenen betroffen ist. Der Gesetzgeber stellt klar, dass der Betroffene nicht durch unverhältnismäßige Risiken belastet werden darf und die Kosten nicht selbst zu tragen hat.
3. Beitragsliste
In den folgenden Beiträgen habe ich § 64 SGB I angesprochen:
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Wann darf die Behörde Leistungen nach § 66 SGB I versagen/entziehen? Voraussetzungen, Hinweis- und Fristsetzung, Rechtsfolgen und Rechtsschutz einfach erklärt.
... | mehrMitwirkungspflichten nach dem SGB I – §§ 60 bis 66 SGB I einfach erklärt
Welche Mitwirkungspflichten gibt es nach dem SGB I (§§ 60–66)? Erklärung zu Tatsachenangabe, persönlichem Erscheinen, Untersuchungen, Heilbehandlung & Grenzen (§ 65) – plus Folgen fehlender Mitwirkung (§ 66) & Aufwendungsersatz (§ 65a)
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