Entstehen Urlaubsansprüche während einer befristeten Erwerbsminderungsrente?
Kann die Urlaubsabgeltung als Hinzuverdienst gewertet werden?
Kurzfassung: Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch während einer befristeten EM-Rente (BAG 7.8.2012 – 9 AZR 353/10).
Als Hinzuverdienst nach § 96a SGB VI gilt Urlaubsentgelt regelmäßig nur, wenn es während eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zufließt („neben“ der Rente).
Fließt es nach Beendigung (bzw. in Ruhensphasen) zu, ist es regelmäßig rentenunschädlich (BSG 10.7.2012 – B 13 R 81/11 R).
1. Erwerb von Urlaubsansprüchen auch während der befristeten Rente wegen Erwerbsminderung
Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft (BAG, 07.08.2012 – 9 AZR 353/10).
1. Der gesetzliche Erholungsurlaub (§§ 1, 3 BUrlG) und der schwerbehinderten Menschen zustehende Zusatzurlaub (§ 125 Abs. 1 SGB IX) setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft.
Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG (im Folgenden: BUrlG) 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (vgl. BAG vom 7. August 2012, 9 AZR 353/10, 2. Leitsatz).
2. Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (im Anschluss an EuGH 22. November 2011 – C-214/10 – [KHS]).
Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG und § 3 Abs. 1 BUrlG steht ebenso wie der Urlaubsanspruch nach § 125 SGB IX (alt – neu: § 208 SGB IX) nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Urlaubsanspruch entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet.
Das Entstehen und Bestehen eines Urlaubsanspruches ist also nicht notwendig dadurch ausgeschlossen, dass bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis ein Arbeitnehmer eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht. Denn die Erwerbsunfähigkeit setzt nicht notwendig voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen kann.
2. Berücksichtigung von Urlaubsentgeltnachzahlungen als „rentenschädlicher“ Hinzuverdienst
Fraglich ist, wie eine Nachzahlung von Urlaubsentgelt bei der Rente behandelt wird.
Es wird danach unterschieden, ob die Zahlungen vor oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Aber auch während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses erfolgte Zahlungen sind eventuell nicht als Hinzuverdienst zu bewerten (BSG, 10.07.2012 – B 13 R 81/11 R):
- Fließt das einmalig gezahlte Urlaubsgeld während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, so ist es als Hinzuverdienst „rentenschädlich“. „Rentenschädlich“ ist folglich der Hinzuverdienst aus einer Arbeit des Versicherten gleichzeitig „neben“ der Rente.
Denn in einer solchen Konstellation ist trotz des Eintritts des versicherten Risikos der Erwerbsminderung eine finanzielle Kompensation durch die Rente aufgrund des gleichwohl weiter erzielten Arbeitsverdienstes nicht geboten (s. o. BSG, Rdnr. 48).
Die Berechnung der noch zu zahlenden Erwerbsminderungsrente erfolgt gemäß § 96a SGB VI. - Fließt das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt hingegen nach Rentenbeginn und nach Aufgabe der Beschäftigung aufgrund arbeits- bzw. tarifvertraglicher Regelung zu, so bleibt das Entgelt im Rahmen des § 96 a SGB VI unberücksichtigt (s. o. BSG vom 10. Juli 2012). Der Versicherte arbeitet nicht „neben“ der Rente „auf Kosten seiner Gesundheit“. Das erzielte Arbeitsentgelt bzw. das Urlaubsgeld bleibt dann „rentenunschädlich“.
Urteil des BSG vom 10. Juli 2012 – B 13 R 81/11 R, Rdnr. 48 Insgesamt erschließt sich hieraus mit hinreichender Deutlichkeit, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers „rentenschädlich“ grundsätzlich nur ein Hinzuverdienst aus einer „Arbeit“ des Versicherten (gleichzeitig) „neben“ der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sein soll, also Arbeitsentgelt, das der Versicherte durch Arbeitsleistung aus einer nach Rentenbeginn noch bestehenden Beschäftigung erzielt hat (vgl auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II – SGB VI, 3. Aufl, § 96a RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008; Quinten in Reinhardt, LPK-SGB VI, 2. Aufl 2010, § 96a RdNr 6). Denn in einer solchen Konstellation ist trotz des Eintritts des versicherten Risikos der Erwerbsminderung eine finanzielle Kompensation durch die Rente aufgrund des gleichwohl weiter erzielten Arbeitsverdienstes nicht geboten. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass Arbeitsentgelte, die dem Rentenempfänger nach Aufgabe der Beschäftigung (Unterbrechung oder Beendigung) für Zeiten vor Rentenbeginn noch zufließen, nicht als („rentenschädlicher“) Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 SGB VI zu berücksichtigen sind (vgl KomGRV, § 96a SGB VI, Anm 3, Stand Einzelkommentierung April 2008; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II – SGB VI, 3. Aufl, § 96a SGB VI RdNr 15d, Stand Einzelkommentierung Februar 2008).
Wie oben bereits ausgeführt, kann aber sogar noch bei Bestehen des Arbeitsverhältnisses, das nach tarifrechtlichen Regelungen „ruht“, das Arbeitsentgelt bzw. das Urlaubsgeld als Hinzuverdienst unberücksichtigt bleiben.
3. Häufige Fragen
Entstehen Urlaubsansprüche auch während der Erwerbsminderungsrente?
Ja. Nach der Rechtsprechung des BAG (7.8.2012 – 9 AZR 353/10) entstehen gesetzliche Urlaubsansprüche auch bei Bezug einer befristeten Erwerbsminderungsrente, selbst wenn das Arbeitsverhältnis ruht.
Wird Urlaubsgeld als Hinzuverdienst gewertet?
Nur, wenn das Urlaubsgeld während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses „neben“ der Rente gezahlt wird. Erfolgt die Zahlung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist sie nicht rentenschädlich (§ 96a SGB VI).
Wie lange bleiben Urlaubsansprüche bestehen?
Bei dauernder Arbeitsunfähigkeit verfallen gesetzliche Urlaubsansprüche 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (§ 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG).
4. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Hinzuverdienst sowie Anspruch & Voraussetzungen bei der Erwerbsminderungsrente:



Thomas Müller says
Fließt das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt hingegen nach Rentenbeginn und nach Aufgabe der Beschäftigung aufgrund arbeits- bzw. tarifvertraglicher Regelung zu, so bleibt das Entgelt im Rahmen des § 96 a SGB VI unberücksichtigt (s. o. BSG vom 10. Juli 2012, Rdnr. 48). Der Versicherte arbeitet nicht „neben“ der Rente „auf Kosten seiner Gesundheit“. Das erzielte Arbeitsentgelt bzw. das Urlaubsgeld bleibt dann „rentenunschädlich“.
Wie oben bereits ausgeführt, kann aber sogar noch bei Bestehen des Arbeitsverhältnisses, das nach tarifrechtlichen Regelungen „ruht“, das Arbeitsentgelt bzw. das Urlaubsgeld als Hinzuverdienst unberücksichtigt bleiben.
…. also ist eine Nachzahlung im Dezember 2014(Weihnachtsgeld/ Urlaubsgeld aus 2001), damals noch voll erwerbsfähig und seit 2012 teilweise erwerbsfähig, kein rentenschädlicher Hinzuverdienst? Mein Arbeitgeber hat diese Nachzahlung der DRV aus 2001 nochmals bestätigt. Diese sieht es aber als rentenschädlichen Hinzuverdienst und fordert für Dezember 2014 meine Teilrente zurück. Ich kann doch nichts dafür, wenn ich jetzt nicht mehr voll erwerbsfähig sein kann. Die Zahlung stand mir doch schon 2001 zu.