Berufung, Fristen und Vertretung vor dem Landessozialgericht: Im Unterschied zu anderen Gerichtsbarkeiten besteht kein Anwaltszwang (§ 73 SGG). Welche Personen als Prozessvertreter zugelassen sind und wie die Berufung abläuft, zeigt dieser Beitrag im Überblick.
1. Die Berufung vor dem Landessozialgericht
Gegen Entscheidungen der Sozialgerichte ist im Regelfall das Rechtsmittel der Berufung an das jeweils zuständige Landessozialgericht gegeben, § 143 SGG.
Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden, § 151 Abs. 1 SGG.
Sie ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts einzulegen. Eine Einlegung beim Sozialgericht ist ebenfalls zulässig, § 151 Abs. 2 SGG.
Eine Zulassung der Berufung ist erforderlich, wenn der Beschwerdewert 750 € nicht übersteigt, § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen Behörden liegt die Grenze bei 10.000 €, § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Das Verfahren vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht steht unter dem Amtsermittlungsgrundsatz – das Gericht ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen, § 103 SGG. Neue Tatsachen und Beweismittel sind auch in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen, § 157 SGG. Eine „Präklusion“ nach Zivilprozessrecht (z. B. § 530 ZPO) ist ausgeschlossen.
2. Kein Vertretungszwang vor dem Landessozialgericht
Anders als in der Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht in der Sozialgerichtsbarkeit im Berufungs-, Berufungszulassungs- und Beschwerdeverfahren kein Anwaltszwang (Vertretungserfordernis).
Die Vorschriften der §§ 144 ff. SGG und § 73 SGG enthalten keine dem § 124 ff. VwGO oder § 67 Abs. 4 VwGO entsprechenden Regelungen.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht und den Oberverwaltungsgerichten müssen sich die Beteiligten – außer im Prozesskostenhilfeverfahren – durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen.
Nach § 73 Abs. 1 SGG können sich die Beteiligten vor dem Landessozialgericht selbst vertreten. Ein Anwaltszwang besteht also nicht.
3. Zulässige Prozessvertreter
Etwas anderes gilt für Personen, die andere vertreten wollen.
§ 73 Abs. 2 SGG enthält eine abschließende Aufzählung der zulässigen Prozessvertreter. Danach dürfen im Verfahren vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht auftreten:
- Rechtsanwälte und Personen mit Befähigung zum Richteramt,
- Familienangehörige (§ 15 AO, § 11 LPartG), wenn die Vertretung unentgeltlich erfolgt,
- Rentenberater im Rahmen ihrer Befugnisse nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz,
- Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten,
- Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und berufsständische Vereinigungen der Landwirte für ihre Mitglieder,
- und schließlich anerkannte Vereinigungen mit sozialrechtlicher oder behindertenpolitischer Zwecksetzung (§ 73 Abs. 2 Nr. 8 SGG).
Eine unentgeltliche Vertretung durch Freunde oder Nachbarn ist dagegen nicht mehr zulässig.
Familienangehörige sind die einzigen Personen, die ohne Befähigung zum Richteramt unentgeltlich auftreten dürfen.
(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Sie können sich vertreten lassen durch Rechtsanwälte oder durch andere in den Nummern 1–9 genannten Personen (z. B. Familienangehörige, Rentenberater, Steuerberater, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände).
4. Häufige Fragen
- Muss ich in der Berufung einen Anwalt beauftragen?
Nein. Vor dem Landessozialgericht besteht kein Anwaltszwang (§ 73 Abs. 1 SGG). Eine Selbstvertretung ist zulässig. - Wer darf mich sonst vertreten?
Zulässig sind u. a. Rechtsanwälte, Familienangehörige, Rentenberater, Steuerberater oder Gewerkschaften (§ 73 Abs. 2 SGG). - Kann ich neue Beweise im Berufungsverfahren vorlegen?
Ja. Nach § 157 SGG prüft das Landessozialgericht den Fall im selben Umfang wie das Sozialgericht und berücksichtigt neue Tatsachen.
5. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Berufung, Vertretungszwang und Prozessvertretung:



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