Der Eilrechtsschutz hat in sozialgerichtlichen Verfahren eine besondere Bedeutung, da nicht selten ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann. Nachfolgend soll auf die am häufigsten anzutreffenden Fallgestaltungen des Eilrechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren eingegangen werden:
Entscheidend ist die Abgrenzung des Systems der aufschiebenden Wirkung (§ 86 a aufschiebende Wirkung
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei…
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 86 a SGG, § 86b einstweilige Maßnahmen
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)86 b Abs. 1 SGG), die kraft Gesetzes oder durch gerichtliche Anordnung eintritt, vom Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung (§ 86 b Abs. 2 SGG).
Die aufschiebende Wirkung gilt für Fälle, in denen durch Verwaltungsakt erfolgende Eingriffe abgewehrt werden, also bei Anfechtungswiderspruch und -klage. Eine einstweilige Anordnung ist zu beantragen, wenn ein Leistungs- oder Verpflichtungsbegehren verfolgt wird oder wenn Eingriffe abgewehrt werden sollen, die nicht durch Verwaltungs-, sondern durch Realakt erfolgen.
I. Die aufschiebende Wirkung, § 86 a SGG
Normalerweise haben Widerspruch und Klage gegen belastende Verwaltungsakte nach § 86 a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung, der Verwaltungsakt kann also nach Widerspruch und Klage nicht mehr vollzogen werden. Aus den in dem Verwaltungsakt getroffenen Regelungen dürfen bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf keine Konsequenzen mehr gezogen werden.
Die aufschiebende Wirkung tritt mit Eingang des Widerspruchs bei der Ausgangsbehörde bzw. beim Eingang der Klage bei Gericht rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides ein. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bleibt über den Erlass des Widerspruchsbescheides hinaus bestehen.
Von dem Grundsatz der gesetzlich eintretenden aufschiebenden Wirkung gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen:
Die Vorschrift des § 86 a Abs. 2 SGG enthält einen Katalog von Ausnahmen. Bei den Ausnahmen ist insbesondere die Vorschrift des § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 SGB II relevant. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung gegen Verwaltungsakte, die Leistungen der Grundsicherung aufheben, zurücknehmen, widerrufen, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellen oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regeln. Nicht enthalten in § 39 SGB II sind allerdings Erstattungsverfügungen aus Aufhebungs-und Erstattungsbescheid.
II. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, § 86 b Abs. 1 SGG
Das Gericht kann nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Dies gilt zum Beispiel in den oben genannten Beispielsfällen zu § 39 SGB II.
Der Antrag nach § 86 b Abs. 1 SGG ist nur statthaft, wenn ein Eingriff durch Verwaltungsakt vorliegt, der in der Hauptsache mit Widerspruch oder Anfechtungsklage anzugreifen ist.
Beachte:
Bei Änderungsbescheiden, welche zum Beispiel eine ursprünglich bewilligte Leistung herabsetzen, ist nur ein Antrag nach § 86 b Abs. 1 zulässig (wenn Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben). Ein zusätzliches Auszahlungsbegehren ist dann nicht statthaft.
Der Antrag ist begründet, wenn nach einer Abwägung des Vollzugsinteresses der Verwaltung gegen das private Interesse an der Aufschiebung das private Aufschiebungsinteresse überwiegt. Dabei ist die Erfolgsaussicht in der Hauptsache wesentlicher Prüfungsmaßstab. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aufschiebungsinteresse, da es kein öffentliches Interesse an dem Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes geben kann. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt grundsätzlich das öffentliche Vollzugsinteresse.
III. die einstweilige Anordnung, § 86 b Abs. 2 SGG
Die einstweilige Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kommt bei allen übrigen Verfahren außer den Anfechtungssachen in Betracht. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft, wenn kein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt.
Der Antrag ist begründet, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bestehen. Dabei darf die Hauptsache grundsätzlich durch die Entscheidung nicht vorweggenommen werden.
1. Anordnungsanspruch
Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch gegeben ist, auf den das Begehren des Antragstellers gestützt werden kann. Bei Ermessensentscheidungen muss daher regelmäßig eine Ermessensreduktion auf Null vorliegen.
2. Anordnungsgrund
Es muss weiterhin ein Anordnungsgrund gegeben sein, also eine besondere Eilbedürftigkeit. Die besondere Eilbedürftigkeit ist in der Regel gegeben, wenn dem Antragsteller die Änderung des bisherigen Zustandes oder dessen Aufrechterhaltung in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann.
IV. Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Gegen Entscheidungen des Sozialgerichts im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 SGG oder einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG) besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen.
Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht oder dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen,§ 173 Beschwerdefrist
Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich…
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt) § 173 SGG.
Zu beachten ist noch, dass die Beschwerde nur dann zulässig ist, wenn auch in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre.
A. Weber says
Hallo,
Frage: – das jobcenter übernimmt die haelfte der anteiligen Miete nicht mehr und der wohngemeinschaftskollege bezahlt diese aber bis zur entscheidung vor dem sozialgericht mit – muss das jobcenter diesen anteil wieder erstatten, wenn das gericht feststellt, dass keine Bedarfs,- sondern eine Wohngemeinschaft vorliegt?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo A. Weber,
wenn der Streit vor dem Sozialgericht genau diesen Punkt betrifft, dann muss das Jobcenter wohl die jetzt nicht gezahlten Kosten der Unterkunft nachträglich zahlen (für den Fall, dass die Kosten der Unterkunft bei Vorliegen nur einer Wohngemeinschaft auszugleichen wären).
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
CM says
Wie sind die Bearbeitungsfristen für die Sozialgerichte beim Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft, Heizung und Lebensunterhalt? Verpflichtung auf Entscheidung möglich? Beim LSG? Oder Justizministerium des Landes kontaktieren?
Weizel says
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach Ablehnung einer medizinischen Reha im Widerspruchsverfahren habe ich nun ein Klageverfahren eingeleitet.
Es dauert jedoch schon lange. Inzwischen sind die Beschwerden schlimmer und die Dringlichkeit ist enorm.
Kann ich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen ?? Wie muss dieser formuliert sein ?
Vielen Dank
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Weizel,
mit der korrekten Formulierung der Anträge zum Eilrechtsschutz und deren Begründung „tue ich mich oft selbst schwer“. Dann kenne ich aber auch den genauen Sachverhalt und den bisherigen Schriftverkehr.
In der „Allgemeinheit“, in der die Frage formuliert wurde, ist mir eine Beantwortung nicht möglich. Möglicherweise würde die Beantwortung auch den hiesigen Rahmen sprengen, selbst wenn der genaue Streitstand deutlich würde.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
MJ aus Karow says
Hallo, ich habe eine Frage.
Ich war vom 22.04.18-13.05.18 in einer Rehamaßnahme und habe Übergangsgeld beim Rententräger beantragt. Auf Nachfrage des Bearbeitungsstandes meines Antrages reagiert der Rententräger nicht. Der Monat Mai ist nun fast rum und ich kann deshalb die Mai Miete nicht bezahlen. Der Antrag wurde am 23.04.18 gestellt. Kann ich eventuell einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen, damit mein Antrag vom Rententräger endlich bearbeitet wird??
Vielen Dank für Ihre Mühen!
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo MJ,
an Ihrer Stelle würde ich jedenfalls drängen und nachweisbar mahnen (schriftlich). Wenn dies nicht fruchtet können (müssen) Sie ggf. auch den Eilrechtsschutz erwägen.
Grüße
Sönke Nippel
Denise Herrmann says
Lieber Anwalt,
seit Anfang des Jahres bin ich aufgrund eines Burnouts krankgeschrieben. Es folgten zwei Hörstürze, es liegt immer noch ein Tinnitus vor, ich bin in psychologischer und physiologischer Behandlung und nehme auch vorhergesehene Medikamente ein, um meinen Genesungsprozess zu beschleunigen.
Meine Krankenkasse schrieb mir, dass der MDK jedoch binnen der nächsten Woche eine Wiedereingliederung empfiehlt. Entsprechenden Widerspruch habe ich bereits eingereicht. Nun meine Frage: kürzt die Kasse im nächsten Schritt mein Krankengeld und gibt dem Widerspruch nicht statt, was für rechtliche Möglichkeiten habe ich ein Eilverfahren herbeizuführen?
Ich würde mich über Ihre Unterstützung freuen!
MfG
DH
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Herrmann,
Ihre Fragen sind wahrscheinlich nur dann leicht zu beantworten, wenn sämtliche Unterlagen, insbesondere die „Empfehlung“ Ihrer Krankenkasse hier vorliegen würden.
Gegen eine bloße „Empfehlung“ Ihrer Krankenkasse kann nicht ohne Weiteres „Widerspruch“ eingelegt werden. Dies gilt jedenfalls, solange sich die „Empfehlung“ nicht als Verwaltungsakt im Sinne des Sozialverwaltungsverfahrensrechtes darstellt.
Spekulationen helfen hier nicht weiter …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Danice says
Sehr geehrter Anwalt,
ich habe am 06.02.2019 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht gestellt, bezüglich meiner gekürzten Leistungen (60% Sanktion wegen nicht erbrachten Eigenbemühungen). Doch leider ist noch kein Geld auf dem Konto überwiesen worden. Was soll ich tun? Bin in einer ziemlichen Notlage!
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Dranice,
ich weiß auch keinen Rat über den gerichtlichen Eilrechtsschutz hinaus … machen Sie Ihre Not deutlich …
Cindy Schütz says
Guten Tag
und zwar habe ich eine Frage ich bin alleinerziehende Mutter von 3 Kindern und habe seit längerem Probleme mit meiner Leistungssachbearbeiterin.
Mein ältester Sohn 10 Jahre kam nach einem Klinikum Aufenthalt am 12.12.2018 zu mir nachdem er vorher bei seinem Vater gelebt hat zu mir.
Anfang September 2020 habe ich auf Anraten mein Familienhelferin ein Antrag auf Beratungshilfe gestellt da aufgefallen ist, das ich ein teilweise Leistungsversagung von 150 Monatlich drinne habe, die bis Februar 2017 in meinen Unterlagen zurückzuverfolgen sind.
Mir wurde seit 2017 ständig geschrieben, dass ich wohl niemals bei der Unterhaltsvorschusskasse für meinen Sohn Elias Martin Schütz geboren am 16.1.2012 einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss gestellt hätte ich aber schon im Jahre 2013 einen Antrag gestellt habe im April der mir dann im November 2013 abgelehnt worden ist.
2016 hatte ich durch das Jobcenter die Auflage noch mal einen Antrag auf unterhaltsvorschuss zu stellen. Habe mit meiner Leistung Sachbearbeiterin diesen Antrag gestellt und war auch bei der Unterhaltsvorschusskasse und der wurde mir auch abgelehnt.
In dem Bescheid vom 28. September schreibt meine Leistungssachbearbeiterin, dass ich aufgrund von Mitwirkungspflichtverletzungen diese 150 € teilweise Leistungsversagen ab dem Jahr 2017 Monat Februar drinne habe. Aufgrund dessen dass ich ja nie trotz Aufforderung des KCA Antrag auf Unterhalt gestellt habe aber ich die Bescheide oder Anträge von der Unterhaltsvorschusskasse rückwirkend bis 2013 noch vorliegen und ich überall das gleiche Aktenzeichen noch?!
Meine Leistungssachbearbeiterin hatte auch Einsicht auf das Protokoll 2017 von der Unterhaltsvorschusskasse aber behauptet ich hätte niemals einen Antrag gestellt.
Daraufhin haben ich und meine Familienhelferin einen Widerspruch gestellt der am 9. Oktober beim KC A eingegangen ist.
Mein Sohn Jason Schütz geboren am 18. 06.2010 ist seit 13. März 2020 in einer Wohngruppe untergebracht. Dadurch erhalte ich auch keinen Unterhalt und Kindergeld. Das wurde mir aber bis Monat August 2020 noch voll angerechnet, und erst ab August 2020 aus der Leistungsberechnung rausgenommen. Darauf hin habe ich wieder einen Widerspruch verfasst der am 17. Oktober beim KCA eingegangen ist.
Bis jetzt wurde noch nichts bearbeitet.
Mein Antrag auf Beratungshilfe beim Amtsgericht liegt immer noch in der Bearbeitung und mir kann nicht genau gesagt werden wann er bearbeitet wird PS: am 6.10. wurde er mir abgewiesen mit der Begründung, dass es um das Elterngeld meiner Tochter geht was ich nie beantragt hätte da ich mehrmals aufgefordert wurde dies zu beantragen würde es den Anschein machen, dass ich mutwillig gegen das Kca gehen würde und aus diesem grund kein Anspruch auf diese Kostenübernahme für die Beratung habe. Darauf hin wurde einen Widerspruch geschrieben mit der Zusammenfassung worum es tatsächlich geht. Und jetzt muss ich warten bis er bearbeitet ist und das längere Zeit in Anspruch nehmen kann wurde mir oder Telefon mitgeteilt.
Meine Frage welche Möglichkeiten bleiben mir?
Ich habe ja das Recht darauf meine Bescheide prüfen zu lassen ich habe zwei Kinder in meinem Haushalt und lebe seit längerem wirklich am Existensminimum.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Schütz,
der Sachverhalt ist umfangreich und hier unter „einstweiliger Rechtsschutz“ auch nicht am richtigen Ort gestellt.
Mir ist dann auch nicht ganz klar, ob heute noch die Leistungen gekürzt werden:
Wird immer noch kein Unterhaltsvorschuss durch die Unterhaltsvorschusskasse gewährt? Mit welcher Begründung?
Werden immer noch Leistungen durch das Jobcenter gekürzt?
Dass für Jason ab der Unterbringung in der Wohngruppe im März 2020 keine Leistungen mehr an Sie ausgezahlt werden (für den Regelbedarf und die Kosten der Unterkunft), könnte korekt sein. Sie benötigen ggf. aber noch Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts.
Sie sollten möglichst noch einmal Beratungshilfe beantragen bzw. geeignete Rechtsmittel gegen die Nichtgewährung beantragen und sich dann umfangreich beraten lassen. Aufgrund der Komplexität des Vorgangs ist aber ohne eine persönliche Rücksprache und Vorlage der vorhandenen Unterlagen eine Beratung hier nicht möglich.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt