Kurz erklärt: Eine Betreuung darf nur angeordnet werden, wenn sie erforderlich ist. Das bedeutet: Nur dort, wo keine andere rechtliche oder tatsächliche Hilfe ausreicht, darf ein Betreuer eingesetzt werden (§ 1814 Abs. 3 BGB). Dieses Prinzip nennt man den Subsidiaritätsgrundsatz.
1. Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 1814 BGB)
Nach § 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts und der staatlichen Zurückhaltung. Eine Betreuung soll immer das letzte Mittel sein, wenn andere Hilfen versagen.
2. Wann ist die Betreuung nicht erforderlich?
Nach § 1814 Abs. 3 Satz 2 BGB ist eine Betreuung nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten
- durch einen Bevollmächtigten (z. B. Vorsorgevollmacht) oder
- durch andere Hilfen ohne gesetzliche Vertretung (z. B. Angehörige, Nachbarschaftshilfe, soziale Dienste)
ebenso gut wie durch einen Betreuer erledigt werden können.
3. Subsidiarität und enge Aufgabenkreise
Die Betreuung ist gegenüber privater Vorsorge oder tatsächlicher Hilfe nachrangig. Zudem müssen die Aufgabenkreise eng gefasst sein – etwa Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung oder Vermögenssorge – und sich auf die konkreten Belange des Betroffenen beschränken.
4. Rechtsprechung: BayObLG & OLG Köln
„Die Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge kann geboten sein, wenn die Schulden eines vermögenslosen Betroffenen zurückgeführt werden sollen.“
Das Gericht betonte, dass auch bei Überschuldung eine Betreuung zulässig sein kann, wenn nur so eine geordnete Schuldenregulierung möglich ist. Zugleich müsse der Aufgabenkreis klar begrenzt werden.
„Eine vorsorgliche Betreuerbestellung auf Vorrat ist unzulässig, wenn kein aktuelles Betreuungsbedürfnis besteht.“
Das OLG Köln stellte klar, dass die bloße Befürchtung künftiger Schwierigkeiten keine Betreuung rechtfertigt. Entscheidend ist ein konkreter aktueller Bedarf.
5. Häufige Fragen zur Erforderlichkeit der Betreuung
Wann darf ein Betreuer bestellt werden?
Nur, wenn eine psychische Krankheit oder Behinderung vorliegt und der Betroffene seine Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. Außerdem darf keine andere geeignete Hilfe zur Verfügung stehen (§ 1814 BGB).
Reicht eine Vorsorgevollmacht aus?
Ja. Besteht eine wirksame Vorsorgevollmacht, ist eine Betreuung in der Regel nicht erforderlich. Nur bei Missbrauchsverdacht oder Untätigkeit des Bevollmächtigten kann eine gerichtliche Betreuung notwendig werden.
Darf das Gericht eine umfassende Betreuung anordnen?
Nein. Das Betreuungsgericht muss die Aufgabenkreise genau festlegen. Eine pauschale Anordnung „für alle Angelegenheiten“ verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Was passiert, wenn sich der Gesundheitszustand verbessert?
Sobald der Betroffene wieder eigenständig handeln kann, ist die Betreuung aufzuheben (§ 1871 BGB).
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu den Themen Vorsorgevollmacht, Aufgabenkreise und gerichtliche Kontrolle:



Geiserich says
Darf ein Betreuer dem Betreuten das Telefonieren verbieten und darf er Besuche von Freunden verhindern bzw. wenn er nicht selbst im Haus ist von anderen verbieten lassen?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Geiserich,
ohne genaue Kenntnis des genauen Sachverhaltes wage ich keine verbindliche Antwort. Aber: „eigentlich“ erscheint ein derartiges Verbot unzulässig und möglicherweise genehmigungspflichtig.
Eventuell sollten Sie sich bei dem Betreuungsgericht melden und dort zu der Meinungsverschiedenheit vortragen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt