Die Familienkasse darf eine Kindergeldfestsetzung nur dann aufheben oder ändern, wenn eine der gesetzlich vorgesehenen Korrekturvorschriften des § 70 EStG greift. Viele Rückforderungsbescheide scheitern daran, dass die Familienkasse entweder die falsche Vorschrift anwendet oder eine Änderung rückwirkend vornimmt, obwohl dies gesetzlich ausgeschlossen ist.
Dieser Beitrag zeigt, wann Rückforderungen zulässig sind, welche Vorschriften gelten und welche Rechte Betroffene haben (Einspruch, Heilung, Begrenzung der Rückforderung).
1. Grundlagen der Aufhebung und Änderung (§ 70 EStG)
Kindergeld wird als Steuervergütung gezahlt. Entsprechend gelten die Korrekturregeln der Abgabenordnung (AO).
Ein Kindergeldbescheid kann daher nur dann rechtmäßig aufgehoben oder geändert werden, wenn eine gesetzliche Korrekturvorschrift vorliegt.
§ 70 Abs. 2 EStG oder § 70 Abs. 3 EStG dies zulässt.
Ohne Rechtsgrundlage → keine Rückforderung.
Entscheidend ist die Unterscheidung:
- Änderung der Verhältnisse → § 70 Abs. 2 EStG
- materieller Fehler → § 70 Abs. 3 EStG (nur Zukunft)
Der frühere § 70 Abs. 4 EStG ist seit 2012 aufgehoben und spielt keine Rolle mehr.
2. Änderung bei geänderten Verhältnissen (§ 70 Abs. 2 EStG)
Wann gilt § 70 Abs. 2 EStG?
Diese Vorschrift greift, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die für das Kindergeld maßgeblich sind, nachträglich ändern, z. B.:
- Ende der Ausbildung
- Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
- Änderung des Wohnsitzes bzw. der Berechtigung
- Die Änderung wirkt ab dem Zeitpunkt der Änderung.
- Keine Rückwirkung.
- § 70 Abs. 2 EStG ist nicht anwendbar, wenn die Familienkasse das Recht von Anfang an falsch angewandt hat.
Beispiel: Das Kind schließt im Juni seine Ausbildung ab → Kindergeld endet zum 30. Juni.
3. Materielle Fehler der letzten Festsetzung (§ 70 Abs. 3 EStG)
Ein materieller Fehler liegt vor, wenn die Familienkasse das Recht anfänglich falsch angewendet hat.
- z. B. falsche Rechtsauslegung, unzutreffende Würdigung
- keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse
und zwar erst ab dem Folgemonat der Bekanntgabe.
→ keine rückwirkende Rückforderung.
Der BFH (Urteil vom 28.06.2006, III R 13/06) hat ausdrücklich entschieden:
4. Rückforderung & Rechtsbehelfe
Eine Rückforderung erfolgt durch Aufhebungs- oder Änderungsbescheid auf Grundlage der AO, insbesondere:
Rückforderungen sind unzulässig, wenn:
- die Rechtsanwendung von Anfang an falsch war (→ nur Zukunftskorrektur)
- die Familienkasse § 70 Abs. 2 EStG falsch anwendet
- keine Korrekturvorschrift greift
5. Häufige Fragen (FAQ)
Darf die Familienkasse rückwirkend zurückfordern?
Nur, wenn eine zulässige Korrekturvorschrift greift.
Bei Anfangsfehlern → keine Rückwirkung.
Was gilt bei Änderung der Verhältnisse?
Dann greift § 70 Abs. 2 EStG, und die Änderung wirkt ab dem Änderungszeitpunkt.
Was tun gegen eine Rückforderung?
Einspruch nach § 347 AO binnen 1 Monat.
Was passiert bei materiellen Fehlern?
Korrektur nur für die Zukunft (§ 70 Abs. 3 EStG).
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Kindergeld, Feststellung & Bescheidkorrektur:



karin mendez says
Die Familienkasse schreibt am 31. März 2017, dass sie die Festsetzung des Kindergeldes ab Oktober 2016 gemäß § 70 Abs. 3 EStG für meine Tochter aufhebt.
Begründung: nach § 63 i.V.m. § 32 Abs 4 Satz 1 Nr. 3 EStG kann ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat . . . usw.
Die Behinderung des Kindes ist jedoch nach den hier vorliegenden Unterlagen nicht ursächlich dafür, dass es seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, da Ihr Kind fortlaufend arbeitslos gemeldet ist und damit den Vermittlungsbemühungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfügung steht.
Fakt ist, dass meine Tochter von Juni bis Ende Dezember ALG I bezogen hat und weiterhin bei der REHA-Abteilung arbeitssuchend blieb. Meine Tochter (30 J.) hat zu keinem Zeitpunkt soviel verdient, dass sie sich eine eigene Wohnung leisten konnte. Von Januar 2017 bis März 2017 fand sie keine Arbeit und musste trotzdem monatlich ihre gesetzliche Krankenkassenbeiträge von knapp 200 Euro selbst bestreiten. Mit anderen Worten: ohne fremde Hilfe kann sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten. Nun hat sie seit April 2017 eine sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung gefunden. Sie hat einen Schwerbehindertengrad von 60 bis Ende August 2017. Ich möchte zumindest bewirken, dass sie rückwirkend von Oktober 2016 Kindergeld bekommt. Jetzt hat sie zwar eine Stelle , monatlich 900 brutto und wie lange sie das schafft ist nur eine Frage der Zeit.
Ich möchte Sie höflich bitten mir mitzuteilen wie ich den Widerspruch begründen soll.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Mendez