Der Kindergeldanspruch für ein ausbildungsplatzsuchendes 18- bis 24-jähriges Kind hängt u. a. davon ab, dass es sich um einen Ausbildungsplatz bemüht. Zu den Anforderungen an die Bemühungen hat der BFH im Jahr 2008 Stellung genommen (Urteil vom 19. Juni 2008, Az.: III R 66/05):
Die Meldung eines ausbildungssuchenden volljährigen Kindes bei der Ausbildungsvermittlung des Arbeitsamtes (jetzt: Agentur für Arbeit) dient regelmäßig als Nachweis dafür, dass es sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Die Meldung wirkt jedoch nur drei Monate fort. Nach Ablauf dieser Frist muss sich das Kind erneut als ausbildungssuchend melden, da sonst der Kindergeldanspruch entfällt.
Kann ein 18- bis 24-jähriges Kind eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen, kann es dennoch gemäß § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder
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(4) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es
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2. noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 32 Abs. 4 S.1 Nr. 2 Buchst. c EStG für das Kindergeld berücksichtigt werden. Der BFH verlangt, dass das Kind sich um einen Ausbildungsplatz ernsthaft bemüht. Bei nicht bei der Berufsberatung als ausbildungsplatzsuchend gemeldeten Kindern seien kontinuierliche Bewerbungen nachzuweisen. Eine bestimmte Mindestanzahl von Bewerbungen ist nicht vorgeschrieben. Der BFH verzichtet in dem oben genannten Urteil sogar auf den Nachweis monatlicher Bewerbungen, solange über bisherige Bewerbungen nicht entschieden ist.
Erst nach Ablauf von 3 Monaten sei eine Parallelbewerbung erforderlich (s. o. BFH):
[21] Auch wenn das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen – wie das Bemühen um einen Ausbildungsplatz – in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist. Hat das Kind aber bis zum Ablauf von drei Monaten noch keinen Bescheid über seine Bewerbung(en) erhalten, ist ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich eine Parallelbewerbung erforderlich, es sei denn, das Kind kann sich nur zu bestimmten Zeitpunkten bewerben wie z.B. bei einem Studium oder wenn Firmen nur zu bestimmten Terminen Auszubildende einstellen. Hat das Kind für einen späteren Termin eine feste Zusage für einen Ausbildungsplatz, bedarf es ebenfalls keiner weiteren Bewerbungen, um die Ausbildungswilligkeit glaubhaft zu machen.
Ist das ausbildungsplatzsuchende Kind dagegen bei der Berufsberatung registriert, muss es sich kontinuierlich dort melden. Anderenfalls wird es in Anlehnung an § 38 Rechte und Pflichten der Ausbildung- und Arbeitsuchenden
(4) Die Arbeitsvermittlung ist durchzuführen, …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 38 Abs. 4 SGB III nach Ablauf von 3 Monaten aus der Kartei gestrichen und es entfällt der Kindergeldanspruch dann ab dem Folgemonat (s. o. Urteil des BFH, 19. Juni 2008). Dies soll sogar gelten, wenn die Streichung nicht mitgeteilt wird. Bei der Kartei handele es sich nur um ein verwaltungsinternes Hilfsmittel. Die Kindergeldberechtigung bleibe nur erhalten bleiben, wenn wie bei nicht ausbildungsplatzsuchend gemeldeten Kindern kontinuierliche Bewerbungen nachgewiesen werden.
Elliot says
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich habe folgenden Sachverhalt und hierzu die Frage, ob meiner Tochter noch Kindergeld zustehen könnte:
Meine Tochter ist 24 Jahre alt, lebt von ihrem Ehemann getrennt und hat zwei Kinder im Alter von 27 und 9 Monaten.
Bis einschließlich Mai `21 hat sie fortwährend Kindergeld erhalten. Nach einem örtlichen Wechsel der Zuständigkeit hat die aktuelle Mitarbeiterin bei der Agentur für Arbeit meine Tochter nicht mehr als ausbildungsplatzsuchend eingestuft, sondern sie bis zum 3. Geburtstag des jüngsten Kindes als vr (vermittlungsruhend) geführt.
Meine Tochter will seit ihrer Jugend Krankenschwester werden und hat auch schon eine Ausbildungsstelle im Auge, die eine entsprechende (besondere) Ausbildung über 4 Jahre halbtags, also durchaus für Mütter geeignet, anbietet. Durch den erfolgreichen Abschluss der Klasse 11 im Jahr 2017 eines Berufschulgymnasiums der Fachrichtung Gesundheit und Pflege sollte sie grundsätzlich gute Chancen auf einen solchen Ausbildungsplatz haben.
Eine Bewerbung für den Ausbildungsbeginn (nur) zum Dezember 2021 ist zu Beginn diesen Jahres durch die Geburt des 2. Kindes unterblieben, da meine Tochter durch die 2 kleinen Kinder keine realistische Aussicht auf einen Ausbildungsbeginn in diesem Jahr gesehen hat und sie sich durch eine nur „pro-forma-Bewerbung“ nicht die Chancen auf einen vielleicht schon im kommenden Jahr realistischen Ausbildungsplatz verbauen wollte.
Die Unterlagen der Arbeitsagentur wurden der Familienkasse als Begründung zur Weitergewährung des Kindergeldes für ein zwar ausbildungswilliges, aber de facto aktuell durch die doppelte Mutterrolle nicht ausbildungsfähiges Kind, weitergeleitet. Die Familienkasse hat daraufhin die Weitergewährung des Kindergeldes abgelehnt, da aus ihrer Sicht eine Ausbildung nach Aktenlage nicht bzw. nicht mehr angestrebt wird, was ja nicht der Fall ist.
Nach einer Recherche wurden wir auf das Urteil des Finanzgerichts Köln mit dem Az. 10 K 64/08 (Finanzgericht Köln, 10 K 64/08 (nrw.de) )aufmerksam, wo ein in Teilen ähnlicher Sachverhalt behandelt wurde und unter ccc (Rdnr. 31) festgestellt wurde, dass „junge Mütter … – auch zum Schutze des Kleinkindes – nicht mit einer kaum erfolgversprechenden Suche nach einem Ausbildungsplatz überfordert werden dürfen, wenn es hinreichende Anzeichen für eine Ausbildungswilligkeit vor der Zeit des Mutterschutzes und nach der Betreuungszeit gibt“.
Meine Tochter und ich wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns mit Ihrer Fachkompetenz Ihre Einschätzung bezüglich einer Weitergewährung des Kindergeldes mitteilen würden.
Falls Sie noch weitere Informationen benötigen sollten, stehe ich Ihnen natürlich gerne zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
„Elliot“
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Elliot,
… „auf die Schnelle“ kann ich hier zunächst nur antworten, dass meines Erachtens Sie bzw. Ihre Tochter nach meiner ersten Einschätzung einen Anspruch auf Erhalt von Kindergeld haben müssten, wenn die Tochter tatsächlich ausbildungsplatzsuchend ist (s. o. … der Kindergeldanspruch für ein ausbildungsplatzsuchendes 18- bis 24-jähriges Kind hängt u. a. davon ab, dass es sich um einen Ausbildungsplatz bemüht. …). Dies dürfte nach meiner Einschätzung insbesondere dann gelten, wenn Aussicht darauf besteht, dass Ihre Tochter einen angebotenen Ausbildungsplatz auch annimmt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt