Kurz erklärt: Bei Kündigungen schwerbehinderter oder gleichgestellter Beschäftigter ist die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes zwingend erforderlich, § 168 SGB IX.
Fehlt die Zustimmung, ist die Kündigung rechtswidrig.
ABER: Die 3-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage muss je nach Fallkonstellation dennoch eingehalten werden – oder beginnt nach § 4 Satz 4 KSchG neu.
- 1. Rechtlicher Ausgangspunkt (§ 168 SGB IX & § 4 KSchG)
- 2. Fall 1: Arbeitgeber wusste von der Schwerbehinderung
- 3. Fall 2: Arbeitgeber wusste NICHT von der Schwerbehinderung
- 4. Fristbeginn nach § 4 Satz 4 KSchG
- 5. Praxis: Wie muss der Arbeitnehmer reagieren?
- 6. Häufige Fragen
- 7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
1. Rechtlicher Ausgangspunkt (§ 168 SGB IX & § 4 KSchG)
Bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen ist die Kündigung des Arbeitgebers nur wirksam, wenn das Integrationsamt ihr vorher zugestimmt hat, § 168 SGB IX.
Fehlt diese Zustimmung, liegt ein besonderer Nichtigkeitsgrund vor.
Normalerweise muss nach § 4 KSchG innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage erhoben werden.
Wie diese Frist bei fehlender Zustimmung läuft, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft wusste.
Die 3-Wochen-Frist gilt nicht einheitlich, sondern hängt vom Kenntnisstand des Arbeitgebers ab.
2. Fall 1: Arbeitgeber wusste von der Schwerbehinderung
War dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung bei Zugang der Kündigung bekannt, gilt:
- ohne Zustimmung des Integrationsamtes ist die Kündigung rechtswidrig
- der Arbeitnehmer kann den Mangel bzw. die Unwirksamkeit jederzeit geltend machen – bis zur Grenze der Verwirkung
- die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG gilt nicht automatisch
Denn: Der Arbeitgeber hätte zwingend die Zustimmung einholen müssen – hat er dies nicht getan, kann er daraus keinen Vorteil ziehen.
3. Fall 2: Arbeitgeber wusste NICHT von der Schwerbehinderung
War dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung bei Kündigung nicht bekannt (und auch nicht erkennbar), gilt:
Der Arbeitnehmer muss innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG
entweder Kündigungsschutzklage erheben oder den Arbeitgeber über die Schwerbehinderung/Gleichstellung informieren.
Nur dann kann er sich später noch auf den Sonderkündigungsschutz berufen.
Folgen bei Versäumnis:
- der Nichtigkeitsgrund „fehlende Zustimmung“ wird geheilt
- § 4 Satz 4 KSchG greift nicht
- die Kündigung gilt als wirksam (§ 7 KSchG)
Es reicht aus, dass in der Klageschrift auf die Schwerbehinderung hingewiesen wird – auch wenn die Schrift dem Arbeitgeber erst später zugestellt wird.
4. Fristbeginn nach § 4 Satz 4 KSchG
§ 4 Satz 4 KSchG regelt, wann die 3-Wochen-Frist neu beginnt:
Die Klagefrist beginnt erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung des Integrationsamtes an den Arbeitnehmer.
Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehinderung kannte und die Zustimmung hätte einholen müssen.
5. Praxis: Wie muss der Arbeitnehmer reagieren?
- Situation A: Arbeitgeber wusste Bescheid
→ Kündigung ist rechtswidrig → Klagefrist beginnt erst mit der Entscheidung des Integrationsamtes. - Situation B: Arbeitgeber wusste nichts
→ Arbeitnehmer muss innerhalb von 3 Wochen
– Klage einreichen oder
– Arbeitgeber über Schwerbehinderung/Gleichstellung informieren. - Immer wichtig: Schwerbehindertenausweis, Gleichstellungsantrag, Reha-Bescheide etc. griffbereit halten.
Selbst bei offensichtlicher Unwirksamkeit sollte immer innerhalb der 3-Wochen-Frist Klage erhoben werden – zur Sicherheit.
6. Häufige Fragen
Gilt die 3-Wochen-Frist bei fehlender Zustimmung des Integrationsamtes?
Ja – aber nur, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehinderung nicht kannte.
Ab wann beginnt die Klagefrist nach § 4 Satz 4 KSchG?
Erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung des Integrationsamtes an den Arbeitnehmer.
Was passiert, wenn der Arbeitnehmer die Frist versäumt?
Die Kündigung gilt als wirksam (§ 7 KSchG) – selbst wenn keine Zustimmung beantragt wurde.
Reicht es, den Arbeitgeber mündlich zu informieren?
Grundsätzlich ja, aber schriftlicher Nachweis ist dringend empfohlen.
Muss ich trotzdem Klage erheben, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist?
Ja. Bei Unsicherheiten immer innerhalb der Frist Klage einreichen.
7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Vertiefende Beiträge zu Zustimmung des Integrationsamtes, Schwerbehindertenvertretung, BEM & Beteiligung:



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