Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des betrieblichen Eingliederungsmanagements

vom 12. Mai 2016, zuletzt geändert am 2. September 2019

§ 167 Prävention
 
(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 167 SGB IX
(Prävention – Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements) stellt keine reine Ordnungsvorschrift mit bloßem Appellativcharakter dar, deren Missachtung in jedem Fall folgenlos bliebe (vgl.Bild: zum UrteilLink: www.rehadat.de BAG vom 7. Dezember 2006, 2 AZR 182/06, zu II. 3 c – Langtext):

… Durch die dem Arbeitgeber von § 84 Abs. 1 SGB IX (alt – neu: § 167 SGB IX) auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel der gesetzlichen Prävention ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu erreichen. Die in § 84 Abs. 1 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung eines Kündigungsausspruchs zur Verhinderung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen. …

I. Schadenersatz

Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 4 und 5 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer einen Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung und Ausstattung ihres Arbeitsplatzes. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers aus § 280 Abs. 1 und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB IX begründen (vergleiche Bild: zum UrteilLink: www.rehadat-recht.deUrteil des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Oktober 2005, 9 AZR 632/04, 2. Leitsatz und zu II. 1.):

Urteil unter Lupe

1. Versäumt es der Arbeitgeber schuldhaft, die behinderungsgerechte Beschäftigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX (heute:164 SGB IX) zu ermöglichen, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der ihm entgangenen Vergütung nach § 280 Abs. 1 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX.

II. Folgen eines unterlas­senen betrieblichen Ein­gliederungs­manage­ments bei einer Kündigung

Ein Unterlassen der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements führt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht zu einer Rechtswidrigkeit einer Kündigung, sondern „nur“ zu einer Verschiebung der Darlegungs- und Beweislastverteilung in einem Kündigungsschutzverfahren. Daraus können für den Arbeitgeber aber sehr wohl Nachteile entstehen (vergleiche dazu Bild: zum UrteilLink: www.juris.bundesarbeitsgericht.deUrteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. März 2011, 2 AZR 170/10, Rndrn. 21 ff., insbesondere Rdnr. 25):

[21] Wurde entgegen § 84 Abs. 2 SGB IX ein BEM nicht durchgeführt, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die dieser trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheiden. Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.

[22] Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 SGB IX (heute: § 167 Abs. 2 SGB IX) ein Verfahren durchgeführt hat, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein BEM genügt.

[23] Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte. …

[24] Stimmt der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung nicht zu, ist das Unterlassen eines BEM „kündigungsneutral“. …

[25] Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deshalb entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, erneuten Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vorzubeugen und ihm den Arbeitsplatz zu erhalten.

Die Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast kann also insbesondere bei einer personenbedingten Kündigung wegen einer Erkrankung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage von großer Bedeutung sein.


 
 

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