§ 109 SGG – Anhörung von Ärzten
(1 Beitrag mit § 109 SGG – Anhörung von Ärzten)
1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
- (1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muss ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
- (2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
👉 Enthalten im SGG
2. Kommentierung
I. Allgemeines
§ 109 SGG verleiht Beteiligten ein subjektives Recht auf Einholung eines Gutachtens durch einen von ihnen benannten Arzt.
Er schränkt damit den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 103 SGG ein.
Zweck ist es, das Vertrauen in medizinische Gutachten zu stärken und die Rechtsschutzmöglichkeiten zu erweitern.
II. Anforderungen an den Antrag
– Der Antrag muss einen konkret benannten Arzt enthalten (Name, Anschrift).
– Ein Beweisthema ist nicht zwingend erforderlich.
– Das Gericht ist nicht verpflichtet, von Amts wegen auf die Möglichkeit eines § 109-Antrags hinzuweisen (§ 106 SGG; vgl. BSG, Beschl. v. 22.07.2010 – B 13 R 585/09 B).
III. Ablehnungsmöglichkeiten
Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn die Gutachtenerhebung den Rechtsstreit objektiv verzögern würde und die Verzögerung auf Verschleppungsabsicht oder grober Nachlässigkeit des Antragstellers beruht (§ 109 Abs. 2 SGG).
IV. Kostenregelung
Die Anhörung kann vom Kostenvorschuss des Antragstellers abhängig gemacht werden.
Endgültig trägt die Kosten grundsätzlich der Antragsteller, sofern das Gericht keine andere Entscheidung trifft.
V. Entstehungsgeschichte (BT-Drs.)
BT-Drs. 7/868 (1973 – Entwurf zur Reform des SGG)
Bereits im Reformentwurf wurde § 109 SGG als „besonderes Beweismittel der Beteiligten“ konzipiert. Ziel war es, das Vertrauen der Versicherten in die medizinische Begutachtung zu stärken, indem sie selbst einen Arzt ihres Vertrauens benennen können.
BT-Drs. 8/2034 (1979 – SGG-Fortentwicklung)
Die Materialien betonen den Ausgleich zwischen Verfahrensbeschleunigung und Rechtsschutz. § 109 SGG soll verhindern, dass medizinische Begutachtungen einseitig erscheinen, gleichzeitig aber Missbrauch (Verzögerungstaktik) ausschließen.
3. Beitragsliste
In den folgenden Beiträgen habe ich § 109 SGG angesprochen – etwa zu den Voraussetzungen eines Antrags, Ablehnungsgründen und Kostenfolgen: