Grundsätzlich gilt im sozialgerichtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Demzufolge muss ein Kläger zunächst keinen Beweisantrag stellen. Das Gericht muss den Sachverhalt von Amts wegen erforschen.
Hält das Gericht die bisher durch Ärzte getroffenen Feststellungen für ausreichend oder holt das Gericht Beweis durch Sachverständige ein und die eingeholten Gutachten sind ungünstig, bleibt dem Kläger noch die Möglichkeit, einen Antrag nach § 109 SGG
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 109 SGG zu stellen. Dem Versicherten, behinderten Menschen, Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen wird nach § 109 SGG die Möglichkeit gegeben, das Gericht zur Anhörung eines Arztes seines Vertrauens zu zwingen. Die Vorschrift spielt insbesondere in den medizinisch geprägten Zweigen der Sozialversicherung eine Rolle. So kann Sachverständigenbeweis durch einen bestimmten Arzt geführt werden.
1. Amtsermittlungsgrundsatz
Gemäß § 103 SGG
Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 103 S. 1 SGG gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Alles was für die Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht von Bedeutung ist, muss vom Gericht ermittelt werden, ohne dass es eines Beweisantrages der Parteien bedarf. Stellen die Parteien dennoch Beweisanträge, so ist das Gericht nicht an die Beweisanträge gebunden, § 103 S. 2 SGG.
Beweisanträge sind in einem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Verfahren nicht von gewichtiger Bedeutung. In der Regel enthält die Klageschrift daher auch – anders als im Zivilrecht – keine umfänglichen Beweisantritte.
Das Gericht muss gemäß § 106 SGG
(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 106 Abs. 1 SGG nicht auf die Möglichkeit eines Antrages nach § 109 SGG hinweisen (www.rechtsprechung-im-internet.deBSG, Beschluss v. 22. Juli 2010, B 13 R 585/09 B).
2. Anhörung eines bestimmten Arztes
Wie bewege ich das Gericht dazu, ein weiteres Gutachten einzuholen, das die entscheidungserhebliche Beweisfrage positiv bewertet?
§ 109 SGG
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 109 SGG enthält eine Ausnahme zu der Regelung des § 103 S. 2 SGG. Gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 SGG muss ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, wenn der Versicherte, der behinderte Mensch, der Versorgungsberechtigte oder Hinterbliebene dies fordern.
Für einen Antrag nach § 109 SGG muss ein bestimmter Arzt mit Name und Anschrift genannt werden. Einer genauen Bezeichnung des Beweisthemas bedarf es hingengen nicht.
Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn die Einholung des Gutachtens die Erledigung des Rechtsstreits objektiv verzögern würde oder wenn der Antrag in Verschleppungsabsicht gestellt wird.
Im Hinblick auf die Kostenregelung des § 109 Abs. 1 S. 2 SGG ist aber Vorsicht geboten. Mit dem Antrag ist ein erhebliches Kostenrisiko verbunden. Denn die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts auch endgültig trägt, § 109 Abs. 1 S. 2 SGG. Die Kosten des Sachverständigenbeweises im Rahmen der Anhörung eines bestimmten Arztes werden nicht im Rahmen der Prozesskostenhilfe übernommen. Über die endgültige Kostentragung entscheidet das Sozialgericht nach Ermessen mit einem durch Beschwerde anfechtbaren Beschluss.
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beantrage ich,
gemäß § 109 SGG Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des/der … (Straße, Ort) zu folgendem Beweisthema:
Spricht mehr dafür als dagegen, dass die … festgestellten Einschränkungen … zu bewerten sind?
Begründung:
In dem vom Gericht eingeholten Gutachten vom … hat Dr. … ausgeführt, die festgestellten Einschränkungen seien … zu bewerten. Demgegenüber sind die behandelnden Ärzte Dr. … zu dem Ergebnis gekommen, die festgestellten Einschränkungen seien … zu bewerten. Der Kläger ist deshalb der Auffassung, dass durch das vom Gericht bestellte Gutachten noch nicht das letzte Wort zur Bewertung gesprochen ist. Der Kläger hält es deshalb für erforderlich, dass die im Beweisantrag benannten behandelnden Ärzte – als Kapazität auf dem Fachgebiet anerkannt – mit einer Gutachtenerstellung zu beauftragen sind.
Eine verfrühte Antragstellung ist unschädlich. Auch wenn ein Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bereits vor der Entscheidung über die Aufnahme von Amts wegen vorzunehmender Ermittlungen durch das Gericht gestellt wird, hat das Gericht zu prüfen, ob es die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen für erforderlich hält (vgl. dazu www.sozialgerichtsbarkeit.deLSG München, Beschluss vom 27. November 2018, 2 L SB 109/17 B):
- …
- Versäumt das Gericht diese Pflicht, kann es den Antrag, die Kosten des Gutachtens nach § 109 Abs. 1 S. 2 SGG der Staatskasse aufzuerlegen, nicht allein mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger das Gutachten beantragt habe, ohne zuvor den Abschluss der von Amts wegen vorzunehmenden Ermittlungen durch das Gericht abzuwarten.
Nur selten dürfte es sinnvoll sein, einen behandelnden Arzt als Sachverständigen zu benennen!
Der Sachverständige muss ein gewisses Maß an Objektivität besitzen. Der behandelnde Arzt hat zuvor regelmäßig schon einen Befundbericht abgegeben. Die Objektivität kann einen Konflikt mit seinem Patienten nach sich ziehen.
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