§ 48 SGB X – Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit ...
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1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
- (1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
- 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
- 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
- 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsaktes ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.
- (2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
- (3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
- (4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
👉 Enthalten im SGB X
2. Kommentierung
I. Allgemeines und Abgrenzung
§ 48 SGB X ist – neben § 45 SGB X – für die Praxis die bedeutsamste Vorschrift zur Aufhebung von Verwaltungsakten.
Sie betrifft – anders als § 45 SGB X – nur solche Verwaltungsakte, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe noch rechtmäßig waren und erst später rechtswidrig geworden sind.
Die Vorschrift gilt nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung.
Von § 44 SGB X ist § 48 SGB X abzugrenzen, da § 44 nur nicht begünstigende Verwaltungsakte betrifft, während § 48 auch begünstigende Verwaltungsakte erfassen kann.
II. Absatz 1 Satz 1 – Aufhebung für die Zukunft
Die Norm regelt die Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts für die Zukunft.
Eine vollständige Neubewertung ist nicht vorgesehen. Die Änderung soll nur insoweit erfolgen, wie sich die wesentliche Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse auswirkt.
III. Absatz 1 Satz 2 – Aufhebung ab Änderungszeitpunkt (Nr. 1–4)
In den Fällen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1–4 SGB X soll (gebundenes Ermessen) die Aufhebung bereits ab dem Zeitpunkt der Änderung erfolgen.
Besonders wichtig:
– Nr. 2 verweist auf Mitteilungspflichten im Sinne der § 60 SGB I.
– Nr. 3 verlangt kein Verschulden, sondern stellt allein auf die Tatsache ab, dass Einkommen oder Vermögen erzielt wurde.
– Nr. 4 knüpft an grob fahrlässige Unkenntnis oder Wissen des Betroffenen an.
IV. Fristen / Vertrauensschutz
Über § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X wird die Jahresfrist auch auf § 48 SGB X übertragen.
Der begünstigende Verwaltungsakt darf nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Änderung aufgehoben werden.
Dabei kommt es auf die Umstände an, die die wesentliche Änderung begründen.
V. Entstehungsgeschichte (BT-Drs.)
BT-Drs. 8/2034 (1979 – Entwurf SGB X)
Im Entwurf wird § 48 als notwendige Ergänzung zu §§ 44 und 45 SGB X erläutert: Während § 45 auf von Anfang an rechtswidrige Bescheide zielt, soll § 48 eine Handhabe bieten, rechtmäßige, später aber rechtswidrig gewordene Dauerverwaltungsakte anzupassen.
BT-Drs. 8/4022 (1980 – Beschlussempfehlung und Bericht)
Der Gesetzgeber betont die Abgrenzung: § 48 dient der Flexibilität und Anpassung, um bei wesentlichen Änderungen der Verhältnisse den Verwaltungsakt an die Realität anzupassen. Zugleich wird über die Verweisungen auf §§ 44, 45 SGB X ein Vertrauensschutzrahmen geschaffen.
3. Beitragsliste
In den folgenden Beiträgen habe ich § 48 SGB X angesprochen – mit Abgrenzung zu §§ 44, 45 SGB X und typischen Praxisfällen:
Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen
Wann müssen Sozialleistungen nach § 50 SGB X erstattet werden? Voraussetzungen, Fristen und Praxis-Hinweise zur Rückforderung – einfach erklärt
... | mehrHeilungsbewährung – wesentliche Änderung der Verhältnisse
Was beinhaltet eine Heilungsbewährung? ... | Wie lange dauert die Heilungsbewährung? ... | Wann beginnt die Heilungsbewährung? ... | Transplantationen, Krebs
... | mehrAufhebung von Verwaltungsakten nach §§ 44–49 SGB X
Wann und wie können Verwaltungsakte aufgehoben werden? §§ 44-49 SGB X regeln Rücknahme, Widerruf und Änderung von Bescheiden – mit Beispielen & Prüfschema
... | mehrRücknahme und Aufhebung von Entscheidungen gemäß den §§ 45, 48 SGB X
§ 45 (anfänglich rechtswidrig) und § 48 SGB X (Änderung der Verhältnisse) verständlich erklärt: Vertrauensschutz, Rückwirkung, Jahresfrist, § 330 SGB III, Prüfschemata.
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