Kurz erklärt: Beim Bürgergeld gilt das Zuflussprinzip: Einkommen wird in dem Monat berücksichtigt, in dem es dem Leistungsberechtigten tatsächlich zufließt. Maßgeblich ist nicht der Zeitraum, für den es bestimmt war. Grundlage ist § 11 SGB II.
Das Bundessozialgericht entschied bereits 2008 (Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 70/07 R): Eine verspätete Krankengeldzahlung zählt als laufendes Einkommen im Monat des Zuflusses – nicht rückwirkend.
1. Grundsatz des Zuflussprinzips
Einkommen ist alles, was jemand nach Antragstellung und während des Bedarfszeitraums erhält. Vermögen ist das, was er bereits besitzt. Damit unterscheidet sich Einkommen durch den Zuflusszeitpunkt vom Vermögen.
Das BSG hat entschieden: Eine verspätet gezahlte Krankengeldrate gilt als laufende Einnahme und wird im Monat des Zahlungseingangs berücksichtigt (BSG, 16. Dezember 2008 – B 4 AS 70/07 R).
Fließt die letzte Krankengeldzahlung in einer Reihe kontinuierlicher Zahlungen erst im Monat nach der Fälligkeit zu, so ist das Krankengeld bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II als laufende Leistung im Monat des Zuflusses zu berücksichtigen.
2. Ausnahmen vom Zuflussprinzip
Das Zuflussprinzip gilt nicht uneingeschränkt. Die Rechtsprechung hat mehrere Ausnahmefälle anerkannt, in denen Einkommen einem anderen Zeitraum zugeordnet wird:
- Kindergeldzuschlag: Wird dem Monat zugeordnet, für den er Hilfebedürftigkeit verhindern soll (BSG, 25. Oktober 2017 – B 14 AS 35/16 R).
 Urteil des Bundessozialgericht vom 25.10.2017, B 14 AS 35/16 R, Leitsatz Ein Kinderzuschlag ist abweichend vom tatsächlichen Zufluss dem Monat als Einkommen zuzurechnen, für den er zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erbracht worden ist. 
- Mehrfachzufluss von Arbeitsentgelt (Grundfreibetrag mehrfach):
 Fließt einem Leistungsberechtigten mit nur einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb eines Monats in mehreren Monaten erarbeitetes Arbeitsentgelt zu, so ist für jeden dieser Monate der Grundfreibetrag gesondert zu berücksichtigen. Damit wird das Zuflussprinzip bei der Anwendung der Freibetragsregelungen modifiziert, BSG, 17. Juli 2014 – B 14 AS 25/13 R.
 Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Juli 2014, B 14 AS 25/13 R, Leitsatz Fließt einem Leistungsberechtigten mit nur einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb eines Monats in mehreren Monaten erarbeitetes Arbeitsentgelt zu, so ist auch das weitere Einkommen um den Grundfreibetrag für jeden dieser Monate gesondert zu bereinigen. 
- Einmalige Einnahmen: Werden – je nach Zeitpunkt der Auszahlung – im Zufluss- oder Folgemonat berücksichtigt.
- Kindergeld: Laufendes Einkommen, anzurechnen im Monat des Zuflusses.
- Nachzahlungen von Lohn oder Krankengeld: Gelten als Einkommen im Monat der tatsächlichen Auszahlung, selbst wenn sie zurückliegende Monate betreffen.
3. Guthaben und Betriebskostenabrechnungen
Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen gelten als Einkommen, das zweckbestimmt den Unterkunftskosten zugeordnet wird. Nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II mindern sie die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Monat nach dem Zufluss.
4. Abgrenzung zum Sozialversicherungsrecht
Im Sozialversicherungsrecht gilt nicht das Zufluss-, sondern das Entstehungsprinzip. Beiträge werden bereits dann fällig, wenn der Anspruch auf Arbeitsentgelt entsteht – unabhängig von der tatsächlichen Auszahlung.
Im Bürgergeldrecht zählt dagegen allein der Zufluss – die tatsächliche wirtschaftliche Verfügungsmacht. Dieser Unterschied führt häufig zu Missverständnissen bei Arbeitgebern und Leistungsbeziehern.
5. Häufige Fragen
Wann gilt eine Zahlung als zugeflossen?
Wenn der Betrag auf dem Konto gutgeschrieben oder bar ausgezahlt wurde – entscheidend ist der tatsächliche Zufluss beim Empfänger.
Was passiert bei Nachzahlungen?
Nachzahlungen werden als Einkommen im Monat des Zuflusses berücksichtigt, auch wenn sie frühere Zeiträume betreffen.
Wie lange wirkt Einkommen?
In der Regel nur im Zuflussmonat; bei einmaligen Einnahmen kann eine Verteilung auf sechs Monate erfolgen (§ 11 Abs. 3 SGB II).
Was ist mit Betriebskostenguthaben?
Sie mindern im Folgemonat die Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II.
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Einkommen, Vermögen und Anrechnung:



Wolff says
Hallo,
ich beziehe Grundsicherung in Verbindung mit einem Beschäftigungsverhältnis, wo ich zu einem Teil von der Grundsicherung Geld bekomme und zur anderen Seite von meiner Arbeitsstelle.
Nun ist es so, dass ich im Dezember 2017 für 4 Tage Krankengeld bezogen habe in Höhe von 15,28 € was mir das Amt für Grundsicherung jetzt einbehalten will und ich frage mich ob das rechtens ist.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Wolff,
„Einbehalten“ kann nicht richtig sein – richtig kann nur sein, das Einkommen (auch Krankengeld ist Einkommen) in einer Berechnung Ihres Bedarfs bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
In der Regel dürfte allerdings das von Ihnen regelmäßig erzielte Arbeitsentgelt in dem Monat des Zuflusses des Krankengeldes entsprechend geringer ausfallen, so dass im Ergebnis die vom Grundsicherungsträger zu zahlenden Leistungen sogar geringfügig höher zu berechnen sind als üblich. Krankengeld wird ja nicht in voller Höhe des Einkommens gewährt.
Etwas anderes ergibt sich nur, wenn bei der nachträglichen Berechnung Ihres Bedarfs zunächst nur das aufgrund der Krankheit niedriger ausgefallene Arbeitsentgelt berücksichtigt wurde, weil Sie z. B. vergessen hatten, das Einkommen aus Krankengeld zu benennen. Dann kann der Grundsicherungsträger nachträglich zusätzlich auch das Einkommen aus Krankengeld bei der Berechnung Ihres Bedarfes berücksichtigen und dementsprechend zu viel ausgereichte Leistungen zurückfordern.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt