Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Scheinselbstständigkeit: Abführung der Sozialversicherungsbeiträge, Statusfeststellung & Verjährung

Beitrag vom 15.09.2014, aktualisiert am 11.11.2025

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Kurzüberblick In Fällen der Scheinselbstständigkeit ist der Arbeitgeber Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28e Abs. 1 SGB IV). Ein Innenausgleich mit dem Arbeitnehmer ist nur eng begrenzt möglich (§ 28g SGB IV). Verjährung: grundsätzlich 4 Jahre, bei Vorsatz 30 Jahre (§ 25 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB IV). Unklarheiten klärt das Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV).
  • 1. Begriff & Abgrenzung
  • 2. Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV)
  • 3. Zahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 28e SGB IV)
  • 4. Innenausgleich/Abzug beim Arbeitnehmer (§ 28g SGB IV)
  • 5. Verjährung (4/30 Jahre) (§ 25 SGB IV)
  • 6. Praxisbeispiele & Hinweise
  • 7. Häufige Fragen
  • 8. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

1. Begriff & Abgrenzung

Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine formal als „selbstständig“ bezeichnete Tätigkeit tatsächlich die Merkmale einer Beschäftigung erfüllt. Maßgeblich sind die Kriterien aus § 7 Abs. 1 SGB IV (z. B. Eingliederung in die Arbeitsorganisation, Weisungsgebundenheit, fehlendes Unternehmerrisiko). Entscheidend ist die gelebte Praxis, nicht der Vertragstitel.

2. Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV)

Bestehen Zweifel, ob Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, kann ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV beantragt werden (Auftraggeber oder Auftragnehmer). Zuständig: Deutsche Rentenversicherung Bund. Der Bescheid ist bindend und wirkt für alle Zweige der Sozialversicherung.

Praxistipp Frühzeitig beantragen – so lassen sich rückwirkende Nachforderungen minimieren. Besonders relevant bei Tätigkeiten mit nur einem Auftraggeber, fester Einbindung in Abläufe oder fehlendem Unternehmerrisiko.

3. Zahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 28e SGB IV)

Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist der Arbeitgeber (§ 28e Abs. 1 SGB IV). Das gilt auch dann, wenn Beiträge in der Vergangenheit wegen Scheinselbstständigkeit nicht abgeführt wurden. Die Beitragsnachforderung erfasst Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil.

4. Innenausgleich/Abzug beim Arbeitnehmer (§ 28g SGB IV)

Ein Rückgriff auf den Arbeitnehmer ist gesetzlich stark begrenzt (§ 28g SGB IV):

  • Nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt (Satz 2). Besteht kein Arbeitsverhältnis mehr, fehlt es regelmäßig an der Abzugsmöglichkeit.
  • Frist: Nachholung nur bei den drei nächsten Lohn-/Gehaltszahlungen (Satz 3); danach nur, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieb.
  • Pfändungsfreigrenzen sind zu beachten (vgl. § 394 BGB).

5. Verjährung (4/30 Jahre) (§ 25 SGB IV)

Ansprüche auf Beiträge verjähren grundsätzlich in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen gilt eine Verjährung von 30 Jahren (§ 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV).

Wichtig: 30-Jahres-Frist bei Vorsatz Bedingter Vorsatz genügt: Es reicht, wenn die Beitragspflicht zumindest für möglich gehalten und die Nichtabführung billigend in Kauf genommen wurde. Die Beweislast liegt beim Träger. Vgl. BSG, 21.06.1990 – 12 RK 13/89.

6. Praxisbeispiele & Hinweise

  • Agentur/IT-Freelancer: Feste Einbindung in Team/Tools, nur 1 Auftraggeber, kein eigenes Preisrisiko → hohes Beschäftigungsrisiko; Statusfeststellung anraten.
  • Honorarkraft Unterricht: Unterricht nach Stundenplan, Vertretungsregelung, Anwesenheitspflichten → Indizien für Beschäftigung; Nachforderung möglich.
  • Innenausgleich: Arbeitnehmer hat das Unternehmen verlassen → i. d. R. kein (weiterer) Abzug nach § 28g SGB IV möglich.

7. Häufige Fragen

Wer zahlt bei Scheinselbstständigkeit die Beiträge?

Immer der Arbeitgeber – auch den Arbeitnehmeranteil (§ 28e Abs. 1 SGB IV).

Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rückwirkend beteiligen?

Nur per Abzug vom Entgelt und nur zeitnah (3 nächste Zahlungen), sonst nur bei fehlendem Verschulden (§ 28g SGB IV).

Ab wann greift die 30-jährige Verjährung?

Bei (bedingt) vorsätzlicher Vorenthaltung – Nachweislast beim Träger (§ 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV; BSG, 21.06.1990 – 12 RK 13/89).

8. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

Weiterführend zu Scheinselbstständigkeit, Statusfeststellung & Beitragsrecht:

  • Scheinselbstständigkeit: Abführung der Sozialversicherungsbeiträge, Statusfeststellung & Verjährung 1

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Siehe auch:
§ 7 Abs. 1 SGB IV · § 7a SGB IV · § 28e Abs. 1 SGB IV · § 28g SGB IV · § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV · § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV.

_________________________________

Schuldner des Sozialversicherungsbeitrages für die einzelnen Zweige der Sozialversicherung ist nach § 28e Zahlungspflicht, Vorschuss
 
(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber und in den Fällen …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 28 e Abs. 1 SGB IV
der Arbeitgeber. Dieser hat sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil für die Sozialversicherungszweige abzuführen. Dies gilt auch für den Fall der unterbliebenen Abführung geschuldeter Beiträge nach Feststellung der Scheinselbstständigkeit. Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge ist also grundsätzlich nicht der Arbeitnehmer.

Alleiniger Schuldner der unterbliebenen Beiträge bei Vorliegen von Scheinselbstständigkeit ist der Arbeitgeber. Da die Ansprüche der Sozialversicherungsträger regelmäßig gemäß § 25 Verjährung
 
(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV
erst nach vier Jahren verjähren, kann dies für den Arbeitgeber zu einer ganz erheblichen finanziellen Belastung werden. Bei Vorsatz – z. B. bei bewusst falscher Rechtsformwahl – greift sogar eine 30-jährige Verjährungsfrist ein, § 25 Verjährung
 
(1) … Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.
(2) …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV
.

Weil der Arbeitnehmer grundsätzlich die hälftigen Sozialversicherungsbeiträge schuldet, erscheint bei der unterbliebenen Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen nach Feststellung der Scheinselbstständigkeit zunächst ein Ausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zumindest hinsichtlich der für die Vergangenheit unterbliebenen Arbeitnehmeranteile vorstellbar.

Weil sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hälftig teilen, sieht das Gesetz einen derartigen Ausgleich hinsichtlich der unterbliebenen Abführung für die Vergangenheit auch prinzipiell vor. Der Ausgleich richtet sich im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 28g Beitragsabzug
 
Der Arbeitgeber und in den Fällen der nach § 7f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 28 g SGB IV
. Die Ausgleichspflicht des Arbeitnehmers ist aber erheblich eingeschränkt:

  • Der unterbliebene Abzug kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden, § 28g Beitragsabzug
     
    … Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. …
     
    (Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
    § 28 g S. 2 SGB IV
    . Besteht ein Arbeitsverhältnis nicht mehr, ist also grundsätzlich ein Rückgriff des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer nicht mehr möglich.
  • Ein unterbliebener Abzug darf darüber hinaus auch nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, § 28g Beitragsabzug
     
    … Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. …
     
    (Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
    § 28 g S. 3 SGB IV
    . Als Lohn- oder Gehaltszahlung ist jede Zahlung des Arbeitgebers an den Beschäftigten anzusehen, auch Nachzahlungen und Abschlagszahlungen sind Gehaltszahlungen im Sinne des§ 28 g S. 3 SGB IV. Zu beachten ist dabei allerdings auch noch, dass der Arbeitgeber nicht die letzten drei vollen Gehälter einbehalten darf. Der Arbeitgeber hat gemäß § 394 BGB die Pfändungsfreigrenzen zu beachten.

Weiterführende Informationen

Schlagwortwolke Sozialversicherungsrecht

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