Die Frage der angemessenen Größe einer Eigentumswohnung ist strikt von der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu trennen.
§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB II schützt selbst genutzte Wohnungen angemessener Größe als Schonvermögen und § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bestimmt, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen gelten.
1. Angemessene Größe nach § 12 SGB II
Welche Größe gilt für eine nicht als Vermögen einzusetzende Eigentumswohnung als angemessen?
In § 12 SGB II wird das zu berücksichtigende Vermögen definiert. Eine Eigentumswohnung gehört zum Schonvermögen, wenn sie selbst genutzt und von angemessener Größe ist.
- (1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind
- …
- 5. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
- …
Nach älterer Rechtsprechung des Bundessozialgericht galt:
- Eigentumswohnung bis ca. 80 m² = angemessen (BSG, 18.06.2008 – B 14 AS 67/06 R R mit Hinweis auf BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 3 RdNr 22)
- Einfamilienhaus bis ca. 120 m² = angemessen (BSG, 15.04.2008 – B 14/7b AS 34/06 R)
Heute gilt (vgl. BA – Fachliche Weisung § 12-SGB II (01.01.2025), Seite 6):
| Bewohnt mit Personen | Eigentumswohnung (Wohnfläche in m²) |
Hausgrundstück (Wohnfläche in m²) |
|---|---|---|
| 1 – 4 | 130 | 140 |
| 5 | 150 | 160 |
| 6 | 170 | 180 |
| je weitere Person | + 20 | + 20 |
Eine alleinstehende Person, die in einer Eigentumswohnung von 130 m² lebt, muss diese nicht verkaufen, bevor Bürgergeld gezahlt wird. Sie gilt als angemessen groß und bleibt Schonvermögen.
2. Angemessene Aufwendungen nach § 22 SGB II
Welche Kosten gelten für eine Eigentumswohnung als angemessen und müssen ersetzt werden?
§ 22 Abs. 1 SGB II regelt die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Maßgeblich sind die tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Diese Kriterien gelten für Mieter und Eigentümer gleichermaßen (s. BSG, 18.06.2008 – B 14 AS 67/06 R):
[26] Nach § 22 Abs 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Als angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung anzusehen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. (…) Die Angemessenheit der Unterkunftskosten richtet sich vielmehr für Mieter und Wohnungseigentümer nach einheitlichen Kriterien. § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II ist eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift gegenüber dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers, verhält sich aber nicht zur Höhe der nach § 22 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten. Im Hinblick auf die durch die Unterkunft verursachten Kosten gibt es im Regelfall keinen sachlichen Grund, Haus- oder Wohnungseigentümer unterschiedlich zu behandeln.
Im Ergebnis kann also ein Eigentümer einer 130 qm großen Wohnung Leistungen erhalten, ohne die Wohnung verkaufen zu müssen.
Fraglich ist allerdings, welche Kosten der Unterkunft und Heizung angemessen sind.
Findet hier eine „Gesamtbetrachtung“ der „angemessenen Kosten“ statt oder werden jeweils nur angemessene Kosten der Kaltmiete und angemessene Kosten der Nebenkosten gezahlt? Werden einem alleinlebenden Eigentümer hohe Betriebskosten bei einer großen wohnung aufgrund der ersparten Kaltmiete vollständig ersetzt?
Eine Entscheidung konnte ich dazu bisher nicht finden. Jedenfalls sollte gemäß den Ausführungen des BSG gelten, dass sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten für Mieter und Wohnungseigentümer nach einheitlichen Kriterien richtet.
3 Finanzierung & Instandhaltung
Für selbst genutzte Eigentumswohnungen gilt: Maßgeblich sind die tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Neben Zinsen und laufenden Bewirtschaftungskosten können in besonderen Konstellationen auch Tilgungsraten sowie notwendige Instandhaltungs-/Instandsetzungskosten zu berücksichtigen sein – allerdings jeweils nur im vom Rechtsprechungsrahmen gezogenen Umfang.
Nach BSG, 18.06.2008 – B 14/11b AS 67/06 R können Tilgungsleistungen als Teil der Finanzierungskosten ausnahmsweise bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung übernommen werden, wenn der Leistungsberechtigte andernfalls gezwungen wäre, die Wohnung aufzugeben. Eine darüber hinausgehende Hilfe kommt ggf. als Darlehen in Betracht (§ 22 Abs. 8 SGB II).
- Voraussetzung: drohender Wohnungsverlust ohne (anteilige) Tilgungsübernahme; Alternativen wie Tilgungsaussetzung/-streckung sind zu prüfen (Hinweise im Urteil).
- Deckel: maximal bis zur abstrakt angemessenen Vergleichsmiete (gleiche Angemessenheitskriterien wie bei Mietern; keine Besserstellung von Eigentümern).
- Darlehen: Soweit unvermeidbare Tilgung die Angemessenheit übersteigt, Prüfung eines Darlehens (§ 22 Abs. 8 SGB II).
1. Nachweis der Unvermeidbarkeit (Kreditvertrag, Bankbestätigung zu Tilgungssatz/fehlender Aussetzung).
2. Vergleich mit lokaler Angemessenheitsmiete (schlüssiges Konzept/kommunale Richtwerte).
3. Prüfung Darlehen statt/zusätzlich zu Zuschuss, falls Schwelle überschritten.
Instandhaltung & Umlagen (kein Luxus)
Zu den berücksichtigungsfähigen Unterkunftsaufwendungen bei Eigentümern zählen notwendige Instandhaltung/Instandsetzung (Erhalt des ordnungsgemäßen Zustands). Das BSG, 18.09.2014 – B 14 AS 48/13 R hat dies u. a. für eine „Balkonumlage“ bejaht – sofern keine Standardverbesserung (Luxus) vorliegt und die Aufwendungen angemessen sind.
- Ja: Erhaltungsmaßnahmen (z. B. Substanzreparaturen, zwingende Instandsetzung, umlagefähige Gemeinschaftskosten ohne Standardhebung).
- Nein: reine Wertsteigerung/Luxusmodernisierung (Standardanhebung). Solche Kosten sind grundsätzlich nicht vom Jobcenter zu tragen.
Rechnungen mischen häufig Erhaltung und Verbesserung. Für die Berücksichtigung nur die Erhaltungsanteile herausziehen (Aufmaß, Positionen, Verwalter-/Handwerkerbestätigung beifügen).
Merke: Die Größe der Eigentumswohnung (Schonvermögen, § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB II) und die Kosten nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind getrennt zu prüfen – die Angemessenheitskriterien für Mieter und Eigentümer sind identisch (vgl. BSG, 18.06.2008 – B 14/11b AS 67/06 R).
4. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Eigentumswohnung, Bürgergeld und Kosten der Unterkunft:



A.B. says
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich bewohne eine ca. 50 m² große Eigentumswohnung in Remscheid und beziehe seit Oktober 2019 ALG II.
Beim Erstantrag habe ich mich über die Ausführungsvorschriften informiert, die besagen, dass wenn die Eigentümergemeinschaft eine Instandhaltungsrücklage beschlossen hat, diese als Bedarf bei den Unterkunftskosten zu berücksichtigen ist. Gemäß Bedarfe für unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur (§ 22 Abs. 2 SGB II, gemäß L 4 SO 42/17, LSG Hamburg 15.02.2018 analog im SGB XII). Dem wurde in vollem Umfang durch die damalige Sachbearbeitung entsprochen und eine Bewilligung über den entspr. Bedarf ausgestellt. Nachdem mein Sachbearbeiter und die Teamleitung nun gewechselt haben, habe ich seit 19.06.2021 nach Einreichung der Kostenabrechnung für 2020, die eine Nachzahlung beinhaltet nur noch Ärger mit dem Jobcenter Remscheid. Die Nachzahlung wird nicht anerkannt und die Instandhaltungsrücklage wird als Guthaben und Anhäufung von Vermögen interpretiert. Ende des Liedes ist nun ein Kostensenkungsverfahren zur Senkung der Unterkunftskosten, dass eine Frist über 6 Monate vorsieht und Ende Januar 2022 mit einem neuen Bescheid bestückt ist, der mir künftig nur noch ca. 60 % des Hausgeldes ab Februar 2022 bewilligen wird.
Die Instandhaltungsrücklage ist eine Beitragsverpflichtung meiner Eigentümergemeinschaft gegenüber. Das Jobcenter bzw. die neue Sachbearbeitung will das einfach nicht verstehen. Ich habe eine chronische Erkrankung und bin mittlerweile mit den Nerven (Multiple Sklerose) sprichwörtlich am Ende. In dem Fall eigentlich eine rhetorische Frage an einen Fachanwalt für Sozialrecht: Wie kann mir der Anwalt dabei helfen?
Mit freundlichen Grüßen, A.B.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo A.B.,
das hört sich nach Arbeit an:
Tatsächlich scheint die Argumentation des Jobcenters Remscheid, es werde mit der Rückstellung zur Instandhaltungsrücklage „Vermögen angehäuft“ nicht gänzlich abwegig. Andererseits dürfte in einer Miete in der Regel sowohl ein „Gewinnanteil“ als auch ein Anteil für das „Abwohnen“ enthalten sein. In der Folge gehe ich zunächst gemäß den folgenden Urteilen davon aus, dass auch die Hausgelder zur Instandhaltungsrücklage zu ersetzen sind, solange hier kein Missbrauch getrieben wird:
Also: Problem ist, dass die Kostensenkungsaufforderung noch keine rechtsmittelfähige Entscheidung darstellt und nicht angegriffen werden kann (vgl. dazu den Beitrag Die Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters). Erst nach Ablauf der in der Kostensenkungsaufforderung genannten Frist ist dann gegen den dann eventuell folgenden, die Leistungen mindernden Bescheid der Widerspruch möglich (dann also einen Beratungshilfeschein besorgen und sich hier melden – die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs mit einer vollen Kostenerstattung durch das Jobcenter scheinen schließlich groß zu sein – allerdings müssen Sie bis dahin „mit der Unsicherheit leben“).
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt