Die Frage der Angemessenheit der Größe eines selbst genutzten Hausgrundstückes oder einer Eigentumswohnung ist strikt von der Frage der angemessenen Kosten einer Unterkunft zu trennen. § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
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(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen
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4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II spricht von einer „angemessenen Größe“ des Hausgrundstücks bzw. der Eigentumswohnung. Hier geht es um die Frage, welches Vermögen ein Leistungsempfänger einsetzen muss, bevor er Leistungen erhalten kann.
§ 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II spricht „angemessene Aufwendungen“ für die Unterkunft und Heizung an. Die Vorschrift benennt den Umfang der vom Jobcenter zu ersetzenden Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft.
1. Angemessenheit der Größe der Eigentumswohnung gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II
Welche Größe gilt für eine nicht als Vermögen einzusetzende Eigentumswohnung als angemessen?
In § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
(1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 12 SGB II wird das zu berücksichtigende Vermögen eines Leistungsempfängers definiert. Hat der Leistungsempfänger zu hohe Vermögenswerte erhält er keine Leistungen, bis das Vermögen unter die zulässigen Freibeträge geschrumpft ist.
Zu einem Hausgrundstück und einer Eigentumswohnung führt § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
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(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen
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4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II aus:
- (1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
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- (3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen
- …
- 4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
- …
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Ein Leistungsempfänger kann also sehr wohl eine Eigentumswohnung haben. Er muss diese Eigentumswohnung nicht verkaufen, um Leistungen zu erhalten. Dies gilt allerdings nur, solange das Hausgrundstück und/oder die Eigentumswohnung nicht zu groß ist.
Das Bundessozialgericht führt zu § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II für einen Einpersonenhaushalt in mehreren Entscheidungen aus (zuletzt www.sozialgerichtsbarkeit.deBSG vom 18. Juni 2008 (B 14-11b AS 67/06 R)):
[21] aa) Die Hilfebedürftigkeit scheitert nicht daran, dass der Kläger Eigentümer einer selbst genutzten Eigentumswohnung ist. Die Eigentumswohnung ist als angemessen anzusehen und zählt daher nach § 12 Abs 3 S. 1 Nr 4 SGB II (in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19. November 2004 – BGBl I 2902) zum Schonvermögen des Klägers, das nicht zu verwerten ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass Eigentumswohnungen, auch bei einer Belegung mit nur einer Person bis zu einer Wohnfläche von 80 qm als angemessen anzusehen sind (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 3 RdNr 22). Dieser Grenzwert wird hier deutlich unterschritten.
Ein Schutz nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 kommt nur in Betracht, wenn sich die Größe in einem angemessenen Rahmen hält. Die angemessene Größe ist ein unbestimmter, gerichtlich voll nachprüfbaren Rechtsbegriff. Der Gesetzgeber selbst hat auf die Festlegung von Kriterien zur Bestimmung der angemessenen Größe verzichtet. Es wird aber nach der Zahl der Bewohner differenziert.
Die Werte orientieren sich lediglich am Durchschnittsfall und können in beide Richtungen angepasst werden. In einem Urteil www.sozialgerichtsbarkeit.devom 15. April 2008 (B 14/7b AS 34/06 R) hält das Bundessozialgericht eine Wohnfläche von 91,89 m² in einem Einfamilienhaus mit 3 Zimmern, Küche, Flur und Bad für ein Ehepaar im Umland von Berlin für angemessen:
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… Der Senat hält vielmehr ein Haus mit einer Wohnfläche von 91,89 qm noch für angemessen iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II. Eine schematische Übertragung des für Eigentumswohnungen entwickelten Wertes würde den anders gelagerten tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. …
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2. Angemessenheit der Aufwendungen für eine Wohnung gemäß § 22 SGB II
Welche Kosten gelten für eine Eigentumswohnung als gemessen und müssen ersetzt werden?
Die Frage der Angemessenheit der Größe einer Eigentumswohnung in Sinne des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II muss aber strikt von der Frage der Angemessenheit der Aufwendungen im Sinne des § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II getrennt werden.
Für die Frage, welche Aufwendungen gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessen sind, gelten für Mieter und Eigentümer einheitliche Kriterien (s. o. BSG):
[24] Nach § 22 Abs 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Als angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung anzusehen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 RdNr 19, 20). Diese zu Mietwohnungen entwickelten Grundsätze gelten auch, soweit Hilfebedürftige Kosten für eine selbst genutzte Eigentumswohnung von angemessener Größe im Sinne des § 12 Abs 3 S. 1 Nr. 4 SGB II geltend machen (vgl. Urteil des Senats vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 34/06 R – zu einem angemessenen Hausgrundstück). Die Angemessenheit der Eigentumswohnung im Sinne des § 12 Abs 3 S. 1 Nr. 4 SGB II indiziert allerdings noch nicht die Angemessenheit der durch eine solche Wohnung verursachten Unterkunftskosten im Sinne des § 22 SGB II. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten richtet sich vielmehr für Mieter und Wohnungseigentümer nach einheitlichen Kriterien. § 12 Abs 3 S. 1 Nr. 4 SGB II ist eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift gegenüber dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers, verhält sich aber nicht zur Höhe der nach § 22 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten. Im Hinblick auf die durch die Unterkunft verursachten Kosten gibt es im Regelfall keinen sachlichen Grund, Haus- oder Wohnungseigentümer unterschiedlich zu behandeln.
Im Ergebnis kann also ein Eigentümer einer 80 qm großen Wohnung Leistungen erhalten, ohne die Wohnung verkaufen zu müssen. Dem Eigentümer müssen aber nur die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ersetzt werden.
p. s.: Eine Instandhaltungsrücklage, die im Rahmen der Hausgelder zu zahlen ist, muss ersetzt werden (vgl. dazu unten den Kommentar von A. B.).
A.B. says
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich bewohne eine ca. 50 m² große Eigentumswohnung in Remscheid und beziehe seit Oktober 2019 ALG II.
Beim Erstantrag habe ich mich über die Ausführungsvorschriften informiert, die besagen, dass wenn die Eigentümergemeinschaft eine Instandhaltungsrücklage beschlossen hat, diese als Bedarf bei den Unterkunftskosten zu berücksichtigen ist. Gemäß Bedarfe für unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur (§ 22 Abs. 2 SGB II, gemäß L 4 SO 42/17, LSG Hamburg 15.02.2018 analog im SGB XII). Dem wurde in vollem Umfang durch die damalige Sachbearbeitung entsprochen und eine Bewilligung über den entspr. Bedarf ausgestellt. Nachdem mein Sachbearbeiter und die Teamleitung nun gewechselt haben, habe ich seit 19.06.2021 nach Einreichung der Kostenabrechnung für 2020, die eine Nachzahlung beinhaltet nur noch Ärger mit dem Jobcenter Remscheid. Die Nachzahlung wird nicht anerkannt und die Instandhaltungsrücklage wird als Guthaben und Anhäufung von Vermögen interpretiert. Ende des Liedes ist nun ein Kostensenkungsverfahren zur Senkung der Unterkunftskosten, dass eine Frist über 6 Monate vorsieht und Ende Januar 2022 mit einem neuen Bescheid bestückt ist, der mir künftig nur noch ca. 60 % des Hausgeldes ab Februar 2022 bewilligen wird.
Die Instandhaltungsrücklage ist eine Beitragsverpflichtung meiner Eigentümergemeinschaft gegenüber. Das Jobcenter bzw. die neue Sachbearbeitung will das einfach nicht verstehen. Ich habe eine chronische Erkrankung und bin mittlerweile mit den Nerven (Multiple Sklerose) sprichwörtlich am Ende. In dem Fall eigentlich eine rhetorische Frage an einen Fachanwalt für Sozialrecht: Wie kann mir der Anwalt dabei helfen?
Mit freundlichen Grüßen, A.B.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo A.B.,
das hört sich nach Arbeit an:
Tatsächlich scheint die Argumentation des Jobcenters Remscheid, es werde mit der Rückstellung zur Instandhaltungsrücklage „Vermögen angehäuft“ nicht gänzlich abwegig. Andererseits dürfte in einer Miete in der Regel sowohl ein „Gewinnanteil“ als auch ein Anteil für das „Abwohnen“ enthalten sein. In der Folge gehe ich zunächst gemäß den folgenden Urteilen davon aus, dass auch die Hausgelder zur Instandhaltungsrücklage zu ersetzen sind, solange hier kein Missbrauch getrieben wird:
Also: Problem ist, dass die Kostensenkungsaufforderung noch keine rechtsmittelfähige Entscheidung darstellt und nicht angegriffen werden kann (vgl. dazu den Beitrag Die Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters). Erst nach Ablauf der in der Kostensenkungsaufforderung genannten Frist ist dann gegen den dann eventuell folgenden, die Leistungen mindernden Bescheid der Widerspruch möglich (dann also einen Beratungshilfeschein besorgen und sich hier melden – die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs mit einer vollen Kostenerstattung durch das Jobcenter scheinen schließlich groß zu sein – allerdings müssen Sie bis dahin „mit der Unsicherheit leben“).
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt