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Zum Auskunftsanspruch gemäß § 117 SGB XII – zum Begriff der „Negativ-Evidenz“

25.06.2015, aktualisiert am 19.01.2023

VG Wort - ZählpixelHat die leistungsberechtigte Person, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über, vgl. § 94 Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen
 
(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII
. Der Anspruch nach § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII besteht neben dem Auskunftsanspruch nach § 117 Pflicht zur Auskunft
 
(1) Die Unterhaltspflichtigen, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die Kostenersatzpflichtigen haben …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 117 Abs. 1 SGB XII
, so dass der Träger der Sozialhilfe zwischen beiden wählen kann.

Ein wesentlicher Vorteil des öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruches besteht für die Behörde darin, dass sie einen Verwaltungsakt erlassen kann und damit den Anspruch selbst im Wege des Verwaltungszwanges durchsetzen kann. Ein weiterer Vorteil des Auskunftsanspruches gemäß § 117 SGB XII besteht darin, dass der Adressatenkreis größer ist als bei dem zivilrechtlichen Anspruch.

1. Pflicht zur Auskunft gemäß § 117 SGB XII2. Der Begriff der „Negativ-Evidenz“

1. Pflicht zur Auskunft gemäß § 117 SGB XII

Die Auskunftspflicht der Unterhaltspflichtigen, ihrer nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und der Kostenersatzpflichtigen besteht nur, soweit die Durchführung des Gesetzes es erfordert, § 117 Abs. 1 SGB XII.

Wer Leistungen erbringt oder erbracht hat (vergleiche § 117 Abs. 2 SGB XII) oder dazu verpflichtet ist oder war (vergleiche § 117 Abs. 3 S. 1 SGB XII), die geeignet sind, Leistungen nach dem SGB XII auszuschließen oder zu mindern, hat Auskunft zu erteilen. § 117 Abs. 4 SGB XII verpflichtet den Arbeitgeber, Auskunft über die bei ihm beschäftigten Unterhaltspflichtigen und deren nicht getrennt lebenden Ehegatten und Lebenspartner sowie Kostenersatzpflichtigen zu geben. § 117 Abs. 5 SGB XII enthält ein Auskunftsverweigerungsrecht. Wer schuldhaft der Auskunftspflicht nicht nachkommt, handelt ordnungswidrig, vergleiche § 117 Abs. 6 SGB XII.

 

2. Der Begriff der „Negativ-Evidenz“

Adressat des Auskunftsanspruches gemäß § 117 SGB XII kann jeder potentiell Unterhaltspflichtiger sein. Nur derjenige, gegenüber dem ein Anspruch offensichtlich nicht infrage kommt, kann erfolgreich gegen ein Auskunftsverlangen gemäß § 117 SGB XII vorgehen.

Eine „Negativ-Evidenz“ kann im Rahmen des § 117 Abs. 1 SGB XII nur vorliegen, wenn von vornherein, d.h. ohne nähere Prüfung, ohne Beweiserhebung und ohne eingehende rechtliche Überlegungen ersichtlich ist, dass der Unterhaltsanspruch nicht besteht. Demzufolge sind schon alle potentiell Unterhaltspflichtigen zur Auskunft über Ihre Einkommens-und Vermögensverhältnisse verpflichtet. Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens setzt nicht voraus, dass dem Leistungsempfänger gegenüber dem potentiell Unterhaltsverpflichteten ein Unterhaltsanspruch tatsächlich und nachweislich zusteht.

Nach dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 90 BSHG entwickelten Grundsatz der Negativ-Evidenz ist die Überleitung von Unterhaltsansprüchen nicht schon dann rechtswidrig, wenn der übergeleitete Anspruch nicht besteht, es sei denn, er besteht offensichtlich nicht. Es ist nicht Aufgabe der Sozialgerichte, unterhaltsrechtlichen Fragen (näher) nachzugehen. Unter Beachtung der Aufgabenzuweisung in dem gegliederten Rechtsschutzsystem der Bundesrepublik Deutschland, das bereits verfassungsrechtlich vorgegeben ist, obliegt die Prüfung unterhaltsrechtlicher Fragen den insoweit rechtswegmäßig kompetenten Zivilgerichten.

Im Ergebnis sollte und kann sich ein im Rahmen des § 117 SGB XII potentiell Unterhaltspflichtiger nicht gegen den Auskunftsanspruch wehren, es sei denn, es ist offensichtlich ausgeschlossen, dass ihn eine Unterhaltspflicht trifft. Erst wenn die Behörde schließlich Unterhalt gegen dem Auskunftspflichtigen im vereinfachten Verfahren festsetzt, kann der entsprechende Vortrag berücksichtigt werden. Der Vortrag des potentiell Unterhaltspflichtigen ist dann von den Familiengericht zu prüfen. Entscheidungen der Behörden im vereinfachten Verfahren überprüft das Familiengericht.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen nahm in einem rechtskräftigen Urteil vom 7. Mai 2012 ausführlich zu den Voraussetzungen des Auskunftsanspruches gemäß § 117 SGB XII und zu den Anforderungen einer „Negativ-Evidenz“ Stellung. Selbst mit dem nachfolgenden Vortrag konnte die in Anspruch genommene ehemalige Ehefrau den Nachweis der Negativ-Evidenz nicht führen (vgl. Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deLSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Mai 2012, L 20 SO 32/12):

Urteil des LSG NRW vom 7. Mai 2012, L 20 SO 32/12, Tatbestand

Mit ihrem gegen diesen Bescheid am 22.08.2008 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass ihr geschiedener Ehemann offensichtlich keinen Unterhalt von ihr beanspruchen könne und sie zu der begehrten Auskunft daher nicht verpflichtet sei. Abgesehen davon, dass der Beklagte den konkreten Bedarf und die Bedürftigkeit des Leistungsempfängers, insbesondere dessen Einkünfte, nicht dargelegt habe, komme ein Unterhaltsanspruch evident schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser als ehemaliger Beamter gegenüber seinem früheren Dienstherrn nach beihilferechtlichen Vorschriften bzw. dem Alimentationsprinzip einen Anspruch auf Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts habe. Unabhängig hiervon fehle es auch an einer Rechtsgrundlage für einen Unterhaltsanspruch des Leistungsempfängers. Insbesondere scheide ein solcher nach § 1572 BGB aus, der eine Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten nur vorsehe, solange und soweit von dem Unterhaltsberechtigten bereits vom Zeitpunkt der Scheidung an krankheitsbedingt eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden könne. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin gegenüber dem Leistungsempfänger seit der Scheidung nie unterhaltspflichtig gewesen sei. Die offenbar nach der Scheidung eingetretene Verschlechterung seines Gesundheitszustandes falle in den Bereich des allgemeinen Lebensrisikos und rechtfertige einen Unterhaltsanspruch nicht. Zudem sei mit Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsreformgesetzes zum 01.01.2008 eine deutliche Verschärfung der Eigenständigkeit der Ehegatten gemäß §§ 1569 ff. BGB eingetreten. Seither bestünden nach der Ehescheidung grundsätzlich keine wechselseitigen Unterhaltsansprüche mehr bzw. unterlägen jedenfalls gemäß § 1578b BGB einer zeitlichen Begrenzung. Schließlich seien etwaige Unterhaltsansprüche des Leistungsempfängers gegen die Klägerin ohnehin nach § 1579 Nr. 4 bzw. 6 BGB verwirkt. Zum einen habe der Leistungsempfänger eine medikamentöse und stationäre Behandlung bei Auftreten der Depressionen verweigert und seine Bedürftigkeit daher mutwillig herbeigeführt. Zum anderen sei er seiner Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinsamen Kindern nur sporadisch nachgekommen, so dass die Klägerin neben der Pflege und Erziehung der damals noch minderjährigen Söhne und der Pflege ihrer schwerkranken Mutter einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit habe nachgehen müssen, um den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass der Leistungsempfänger sie und ihre Kinder nach der Trennung bzw. Scheidung in mittlerweile strafrechtlich relevanter Weise permanent belästigt und ihren späteren neuen Lebensgefährten massiv bedroht habe. Für die Dauer von vier Jahren habe er sich täglich vor der Wohnung der Klägerin aufgehalten und ihr sowie den Söhnen aufgelauert. 20 Telefonate pro Tag seien der Regelfall gewesen. Permanent habe die Klägerin polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um sich gegen den Leistungsempfänger zur Wehr zu setzen.

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