Zum Verhältnis von Unterhalt und Grundsicherung sowie zur Obliegenheit des Berechtigten zur Inanspruchnahme der Grundsicherungsleistungen hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen grundsätzlich Stellung genommen.
1. Verhältnis von Unterhalt und Leistungen der Grundsicherung
Der BGH hat in einer www.juris.bundesgerichtshof.deEntscheidung vom 20. Dezember 2006 (XII ZR 84/04) klargestellt, dass Leistungen der Grundsicherung unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 S. 1 alter Fassung (neu: § 94 Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen
…
(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 94 Abs. 1 a SGB XII) auf den Unterhaltsbedarf eines Leistungsempfängers anzurechnen sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind Grundsicherungsleistungen nicht nachrangig. Sie sind als Einkommen anzusehen und reduzieren den unterhaltsrechtlichen Bedarf des Leistungsempfängers, ohne dass es darauf ankommt, ob sie zu Recht oder zu Unrecht bewilligt worden sind (s. o. BGH, Leitsatz):
Leistungen der Grundsicherung sind unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 S. 1 SGB XII auf den Unterhaltsbedarf eines Leistungsempfängers anzurechnen. Unterhaltsleistungen mindern – anders als bloße Unterhaltsansprüche – allerdings den Anspruch auf Grundsicherungsleistungen.
Unterhaltsleistungen sind allerdings gemäß dem obigen Leitsatz des Urteils – anders als bloße Unterhaltsansprüche – auf den Grundsicherungsbedarf anzurechnen. Sie gehören zum Einkommen des Grundsicherungsberechtigten, selbst wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten die Einkommensgrenze des § 94 Abs. 1 a S. 1 SGB XII unterschreitet. Wird also ohne eine Verpflichtung Unterhält tatsächlich gezahlt, wird der gezahlte Unterhält auch leistungsmindernd zum Ansatz gebracht.
2. Obliegenheit des Unterhaltsberechtigten zur Antragstellung
Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII). Eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Leistungen führen (vgl. dazu Leitsatz a) des Urteils des www.juris.bundesgerichtshof.deBGH vom 8. Juli 2015, XII ZB 56/14):
Nach allgemeiner Ansicht besteht daher für den Unterhaltsberechtigten grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen; eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Grundsicherung führen …
Andre Matzen says
Sehr geehrter Herr Nippel,
meine Klientin möchte einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss nicht stellen. Ist das möglich, ohne Rechtsfolgen zu kassieren?
Sie bekommt Grundsicherung nach SGB XII. Kann das Fachamt für Grundsicherung den Antrag ersatzweise stellen, wie der Jobcenter?
Vielen Dank!
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Matzen,
die Frage ist hier im Zusammenhang mit dem Elternunterhalt falsch gestellt!
Zu Ihrer Frage: Für einen möglichen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss gilt meines Erachtens eine Mitwirkungspflicht, den erforderlichen Antrag zu stellen. Dann könnte nach Bewilligung des Unterhaltsvorschusses die Sozialhilfe entsprechend gekürzt werden.
Wird die Pflicht zur Antragstellung verletzt, drohen Konsequenzen!
Warum will denn Ihre Klientin den Antrag nicht stellen? – Meistens geschieht dies, um den Erzeuger vor Unterhaltspflichten zu schützen. Das kann die Allgemeinheit aber nicht hinnehmen. Der Erzeuger muss sich seinen Pflichten stellen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt