Werden Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung bei einemBürgergeld-Empfänger leistungsmindernd angerechnet?
Wird bei dem pflegenden Angehörigen weitergereichtes Pflegegeld auf die Leistungen angerechnet?
Was gilt für pflegende Dritte?
Im SGB II ist nur geregelt, wie Pflegegeld der gesetzlichen Pflegeversicherung bei dem Empfänger der Versicherungsleistungen zu berücksichtigen ist. Wie die Leistungen bei Weitergabe an eine Pflegeperson zu berücksichtigen sind, ist im SGB II nicht geregelt.
1. Anrechnung bei dem Leistungsempfänger
Gemäß § 11 a Nicht zu berücksichtigendes Einkommen
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(3) Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 11 a Abs. 3 S. 1 SGB II ist das Pflegegeld bei dem Leistungsempfänger nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Das Pflegegeld dient im Einzelfall einem anderen Zweck als die Leistungen zur Existenzsicherung.
Eine ausdrückliche Regelung zu dem Pflegegeld in § 11 a Abs. 3 S. 2 SGB II ist – anders als zum Pflegegeld gemäß dem SGB VIII in § 11 a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II – entbehrlich. Derjenige, der Leistungen der Pflegeversicherung erhält, steht in der Regel nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und fällt deshalb nicht in den Anwendungsbereich des SGB II.
In § 13 Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung zu anderen Sozialleistungen
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(5) Die Leistungen der Pflegeversicherung bleiben als Einkommen bei Sozialleistungen und bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt; …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 13 Abs. 5 SGB XI ist für die Pflegeversicherung außerdem ausdrücklich geregelt, dass Sozialleistungen als Einkommen unberücksichtigt bleiben.
2. Anrechnung bei der Pflegeperson
Für die Pflegeperson enthält die Bürgergeld-V eine ausdrückliche Regelung. Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 1 Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen
(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:
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4. nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung,
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-V nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. So kann eine im Leistungsbezug stehende Person Pflegegeld ohne Anrechnung auf die Leistungen erhalten. An die Pflegeperson kann das Pflegegeld ohne leistungsmindernde Anrechnung bei der Pflegeperson weitergegeben werden.
a) Steuerfreiheit
§ 3 Steuerfreie Einnahmen
Steuerfrei sind
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36. Einnahmen für Leistungen zu körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen oder Hilfen bei der Haushaltsführung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 des Elften Buches Sozialgesetzbuch, mindestens aber bis zur Höhe des Entlastungsbetrages nach § 45b Absatz 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Absatz 2 gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht werden…;
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 3 Nr. 36 EStG regelt zur Steuerfreiheit der Pflegeperson, dass die Einnahmen für Leistungen zu körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen oder Hilfen bei der Haushaltsführung erzielt werden müssen. Die Einnahmen sind nur dann steuerfrei, wenn ein Angehöriger pflegt oder wenn die Pflege in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen erfolgt.
b) Angehörige oder andere Personen
So kann also ein pflegender Angehöriger bzw. der „sittlich verpflichtet Pflegende“ Einkommen in Höhe des weitergereichten Pflegegeldes erzielen, ohne dass eine Anrechnung auf die Leistungen zum Bürgergeld stattfindet.
Ob die bezahlte Pflege eines Mitbewohners, der kein Angehöriger ist, als nicht steuerpflichtige Einnahme und damit als nicht auf die Leistungen zum Bürgergeld anrechenbare Leistung angesehen werden kann, muss im Einzefall geklärt werden.
Das LSG Hessen hat in einem www.openjur.deUrteil vom 12. November 2014 unter dem Aktenzeichen L 6 AS 491/11 zu einem Mitbewohner im Hinblick auf die „sittliche Pflicht“ ausgeführt:
[58] … Dies wäre nur dann der Fall, wenn er – der kein Angehöriger von Frau C. ist – die Leistungen zur Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung auf Grund einer sittlichen Pflicht gegenüber Frau C. erbracht hätte. Das ist – gerade nach der Darstellung des Klägers, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwar seine Nähe zu Frau C. betont, aber grundsätzlich die Darstellung, er habe die Pflege als Mitbewohner und Freund übernommen, nochmals bestätigt hat, und angesichts der Gegenleistungen, also der streitigen Zahlungen und der niedrigen Mietzahlungen, die er für die Pflegetätigkeit erhalten hat – nach Auffassung des Senats hier nicht der Fall. …
Im Ergebnis werden so Einnahmen einer Pflegeperson jedenfalls dann auf Leistungen zum Bürgergeld angerechnet, wenn die Einnahmen nicht aus der Pflege von Angehörigen stammen oder die Pflege von anderen Personen erbracht wird, die damit nicht eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Absatz 2 EStG gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, § 3 Nr. 36 EStG.
Eine sittliche Pflicht, eine Person zu pflegen, wird bezüglich des Steuerprivilegs für das Pflegegeld nach § 3 Nr. 36 EStG angenommen, wenn zwischen der zu pflegenden und der Pflegeperson eine enge persönliche Beziehung besteht (vgl. dazu Urteil des BFH vom 29. August 1996).
Die Steuerfreistellung für pflegende Personen ist auf die gesetzlichen Pflegesätze begrenzt.
Das zuvor Ausgeführte gilt auch für vergleichbare Leistungen aus privaten Versicherungsverträgen, § 3 Steuerfreie Einnahmen
Steuerfrei sind
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36. … Entsprechendes gilt, wenn der Pflegebedürftige vergleichbare Leistungen aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder nach den Beihilfevorschriften für häusliche Pflege erhält;
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(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 3 Nr. 36 a. E. EStG.
Guni says
Ich beziehe Hartz 4, mein Ex Mann lebt mit in unserem Haus. Er hatte vor 4 Wochen einen leichten Schlaganfall.
Nun haben wir die Pflegestufe beantragt für ihn. Meine Frage ist, ob das Pflegegeld – würde es auf mein Konto gehen – bei mir angerechnet wird. Mein Ex-Mann hat kein Konto.
Er möchte auch, dass ich mich um alles kümmere.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Guni,
gemäß dem oben Ausgeführten darf das Pflegegeld nicht leistungsmindernd zum Ansatz gebracht werden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Renate says
Wirklich ein toller Artikel!
Mich würde interessieren ob das Pflegegeld einer nicht staatlichen Quelle, wie eine große Versicherung, welches man durch Abschluss einer Pflegezusatzversicherung, beim Jobcenter auch angerechnet wird.
Damit meine ich, wenn man gleich zwei Stellen hat, von denen man Pflegegeld bekommt.
Sinn einer solchen Zusatzversicherung ist es ja, das nicht auszureichende staatliche Pflegegeld zu kompensieren. Wenn es aber angerechnet wird, lohnt sich eine solche Versicherung rein garnicht. Oder liege ich da falsch?
Ich glaube der Sinn dahinter scheint ja zu sein, dass wenn man pflegebedürftig wird, man meist auch einen Antrag auf Bürgergeld oder Sozialhilfe stellen muss, weil das Geld nicht reicht.
Das fände ich mal sehr interessant zu erfahren.
Liebe Grüße
Renate
Daniel says
Vielen Dank für Ihre ausführlichen und hilfreichen Informationen.
Sind die Regelungen im SGB XII (Sozialhilfe oder Grundsicherung) ähnlich?
Gibt es für die Pflegeperson (Sozialhilfeemfänger) eine ausdrückliche Regelung?
Kann eine im Leistungsbezug stehende Person Pflegegeld ohne Anrechnung auf die Leistungen erhalten? Kann an die Pflegeperson (sittliche Pflicht) das Pflegegeld (oder Verhinderungspflege) ohne leistungsmindernde Anrechnung bei der Pflegeperson weitergegeben werden.
Welche rechtlichen Grundlagen gibt es?