Kurz erklärt: Das selbstgenutzte Hausgrundstück kann als Schonvermögen geschützt sein – nicht als „Anlagegut“, sondern zum Schutz des Wohnbedürfnisses der nachfragenden Person und ihrer Einsatzgemeinschaft, § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Maßstab ist die Angemessenheit (Gesamtbetrachtung). Der häufig missverstandene Halbsatz „… und nach ihrem Tod …“ schützt Angehörige, die bereits mit im Haus leben (BGH 06.02.2013 – XII ZB 582/13).
- 1. Grundsatz: Vermögenseinsatz (§ 90 Abs. 1 SGB XII)
- 2. Schonvermögen Hausgrundstück (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII)
- 3. Angemessenheit: Kriterien & Abgrenzung zu § 12 SGB II
- 4. „… und nach ihrem Tod …“ – richtige Auslegung (BGH)
- 5. Praxis & Rechtsprechung
- 6. Praxisfolgen: Wann Schutz greift/entfällt
- 7. Häufige Fragen
- 8. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
1. Grundsatz: Vermögenseinsatz (§ 90 Abs. 1 SGB XII)
Grundsätzlich ist gesamtes verwertbares Vermögen einzusetzen, § 90 Abs. 1 SGB XII. Hiervon enthält Abs. 2 Ausnahmen (Schonvermögen) – u. a. das angemessene, selbstgenutzte Hausgrundstück.
2. Schonvermögen Hausgrundstück (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII)
Nr. 8 schützt nicht die Immobilie als Wertobjekt, sondern das Grundbedürfnis Wohnen für die nachfragende Person und die Einsatzgemeinschaft (zusammen lebende Ehegatten/Lebenspartner/eheähnliche Partner, Eltern bzw. im Haushalt lebende minderjährige, unverheiratete Kinder), § 19 SGB XII / § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
- Solange Schutz greift, dürfen Verkauf, Beleihung oder Belastung nicht verlangt werden.
- Geschützt ist das Grundstück (auch Erbbaurecht), soweit es von der berechtigten Person allein oder mit Angehörigen ganz/teilweise bewohnt wird.
- Kein Schutz, wenn das Wohnungseigentum zum Verkauf steht (Nutzungszweck „Wohnen“ entfällt).
- Zwangsvollstreckungsdrohung beseitigt den Schutz nicht automatisch.
- Schutzende, wenn wegen dauerhafter stationärer Unterbringung die Rückkehr unwahrscheinlich ist und kein mitbewohnender Angehöriger bleibt.
3. Angemessenheit: Kriterien & Abgrenzung zu § 12 SGB II
Die Angemessenheit beurteilt sich im SGB XII nicht nach starren m²-Grenzen, sondern im Wege einer Gesamtbetrachtung (Personenzahl, Wohnfläche, Grundstücksgröße, Wert-/Ausstattungsniveau, regionale Gepflogenheiten), § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
Die in § 12 SGB II gebräuchlichen Richtwerte (z. B. 140 m² EFH / 130 m² ETW) sind nur Anhaltspunkte. Im SGB XII ist entscheidend, ob die Immobilie im Gesamtbild „angemessen“ ist. Auch bei Überschreitung von Wohn-/Grundstücksgrößen kann Schutz bestehen, wenn der objektive Wohnwert und die Lebensumstände es tragen.
Ist eine Immobilie sozialhilferechtlich zu verwerten, ist der Nettoerlös – soweit er den Schonbetrag übersteigt – zur Bedarfsdeckung einzusetzen.
4. „… und nach ihrem Tod …“ – richtige Auslegung (BGH)
Der Zusatz „und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll“ bezieht sich auf die mitwohnenden Angehörigen – nicht darauf, dass es zwingend Angehörige geben muss, die später einziehen. Das bestätigt der BGH (06.02.2013 – XII ZB 582/13). Der Schutz greift also auch, ohne eine unsichere Zukunftsprognose zu verlangen; mitwohnende Angehörige sind mitgeschützt.
- Schutz dient primär der Wohnnutzung der Einsatzgemeinschaft.
- Kein Zwang, eine spätere Angehörigen-Nutzung zu prognostizieren.
5. Praxis & Rechtsprechung
- Darlehen/Grundpfandrecht dürfen bei bestehendem Schutz nicht „ersatzweise“ verlangt werden.
- Heimunterbringung: Schutz bleibt für mitwohnende Angehörige bestehen; entfällt, wenn objektiv keine Rückkehrperspektive besteht und niemand verbleibt.
- Zwangsvollstreckung: drohende Verwertung allein beendet den Schutz nicht; maßgeblich ist die tatsächliche Wohnnutzung.
6. Praxisfolgen: Wann Schutz greift/entfällt
- Greift: Selbstnutzung durch Berechtigte/Einsatzgemeinschaft; Gesamtbild angemessen.
- Greift fort: Mitwohnende Angehörige bleiben wohnen (keine Prognosepflicht für „irgendwann“).
- Entfällt: zweckändernder Verkauf, dauerhafte Heimunterbringung ohne Rückkehr & ohne mitwohnende Angehörige; eindeutig unangemessenes Gesamtbild.
7. Häufige Fragen
Ist das selbstgenutzte Haus immer Schonvermögen?
Nein. Geschützt ist ein angemessenes, selbstgenutztes Hausgrundstück zum Wohnen der berechtigten Person bzw. Einsatzgemeinschaft – § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
Muss ich Beleihung/Grundschuld akzeptieren?
Solange der Schutz nach Nr. 8 greift, dürfen Verkauf, Beleihung oder Belastung nicht verlangt werden.
Gilt Schutz auch, wenn ich ins Heim umziehe?
Er kann fortwirken, wenn mitwohnende Angehörige bleiben. Eine Prognose „irgendwann ziehen Angehörige ein“ ist nicht nötig (BGH 06.02.2013 – XII ZB 582/13). Bei dauerhafter stationärer Unterbringung ohne Rückkehrperspektive und ohne Verbleib von Angehörigen entfällt der Schutz.
Bestimmt § 12 SGB II die m²-Grenzen?
Im SGB XII erfolgt eine Gesamtbetrachtung. Richtwerte aus § 12 SGB II können Orientierung sein, sind aber nicht bindend.
8. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Vertiefende Beiträge Vermögen & Schonvermögen:
§ 90 SGB XII ·
§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII ·
§ 19 SGB XII ·
§ 12 SGB II

Jürgen Haffner says
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachstehenden Mailverkehr zur Kenntnis!
Ich habe für meinen Bruder (Rente 690,- €) Grundsicherung beantragt. Wie in nachfolgendem Mailverkehr wird diese abgelehnt.
Kann ich nicht nachvollziehen. Nach allen Abzügen (Strom, Wasser, Müllabfuhr, Abwasser, Heizkosten, Telefon, Rundfunk usw.) bleiben in etwa ca. 250,- € für Lebensmittel über. Da er eine Doppelhaushälfte (ca. 60 m² Wohnfläche) besitzt, fallen hier auch mal Instandsetzungskosten an, (schätze mal so um die 200,- € mtl.)
Jetzt frage ich mich wirklich, wie kann ein Mensch in unserem Land mit solch einer niedrigen Rente existieren? Ich würde Schluss machen …
Beim Beschwerdemanagement habe ich mich auch schon gemeldet!
Für einen kurzen Ratschlag bzw. Info wie ich meinen Bruder noch helfen kann wäre ich Ihnen sehr dankbar!
MfG
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Haffner,
tatsächlich stehen einem Leistungsempfänger zurzeit nur 409,00 € als Regelbedarf und der Ersatz der Kosten der Unterkunft in angemessener Höhe zu.
Instandsetzungskosten können ggf. als Kosten der Unterkunft ersatzfähig sein. Auch die Nebenkosten der (vermutlich) abgezahlten Immobilie sind ersatzfähig, sofern diese Kosten auch ein Mieter geltend machen könnte. Allerdings dürften die ersatzfähigen Kosten der selbst genutzten abgezahlten Immobilie im Wesentlichen begrenzt sein auf die Nebenkosten, die auch ein Mieter zu zahlen hat.
Dass im Ergebnis bei Ihrem Bruder in der 60 m² großen Doppelhaushälfte mehr als 281,00 € Nebenkosten (690,00 € Rente abzüglich des Regelbedarfs in Höhe von 409,00 € = 281,00 €) entstehen, die auch einem Mieter ersetzt werden müssten, ist eher unwahrscheinlich (andernfalls würden die Nebenkosten bei ca. 4,68 € liegen – 60 m² x 4,68 € m² = 281,00 €). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kosten des Telefons und des Stroms im Regelunterhalt (also den 409,00 €) enthalten sind (Stromkosten sind in den Kosten der Unterkunft gemäß den geltenden Regelungen nur dann enthalten und zu ersetzen, sofern Wasser mit Strom erwärmt wird). Hinsichtlich der Rundfunkgebühren sollten Sie ggf. einen Befreiungsantrag beim für Sie zuständigen Beitragsservice stellen (sehr kompliziert!).
Ja, … im Ergebnis haben Sie jedenfalls insofern recht, als dass es sehr schwierig ist, mit 409,00 € Regelbedarf und dem Ersatz der Kosten der Unterkunft würdig zu existieren …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Anita Kerbach says
Sehr geehrter Herr RA Sönke Nippel,
meine Tochter musste sich an ihrem Studienort anmelden, so entkamen wir der Zweitwohnungssteuer. Konnte ich bisher unsere Eigentumswohnung verteidigen soll ich sie nun schätzen lassen oder ich verliere meinen Anspruch von ca 70€ der meine EU Rente ergänzt.
Mein Kind wird in diese Wohnung zurückkehren und diese auch nach meinem Tod erben. Ich kann Wohngeld beantragen, bin jedoch erschüttert wie mit Menschen und deren Würde umgegangen wird.
Man hat ja Angst ein Pflegefall zu werden….
Liebe Grüße Anita
Helmut says
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich bin ein besonderer Fall.
Als ehemaliger Selbständiger habe ich privat vorgesorgt. Ich bekomme ca. 630,00 € Rente, zahle aber 760,00 € für die PKV und muss auch noch 820,00 € Restkaufpreisrate an meine 98jährige demente Mutter zahlen. Alle Beträge monatlich. Ich verfüge noch für 3 Jahre Barvermögen und besitze eine schuldenfreie Immobilie im Wert von ca. 500000,00 €. Für die Restkaufpreisrate ist ein Grundbucheintrag vorhanden. So kann ich die Immobilie vor Ableben meiner Mutter nicht verkaufen. In 3 Jahren habe ich kein Geld mehr für den Lebensunterhalt, PKV und Restkaufpreisrate. Wenn ich die nicht mehr an meine Mutter zahlen kann, geht die Immobilie an sie zurück und ich besitze nichts mehr. Würde das Sozialamt für alle meine Kosten aufkommen? Oder sogar mir ein entsprechendes Darlehn einräumen? Ein Bankdarlehn bekomme ich nicht, trotz Sicherheiten.
Mit welchem Szenario muss ich rechnen?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Helmut,
bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Ihre Fragen in diesem Rahmen nicht umfassend beantwortet werden können.
Jedenfalls werden Sie wohl letztlich gezwungen sein (wenn Sie Ihren Gesamtbedarf durch Ihr Einkommen mehr decken können), Ihr Vermögen zu verwerten. In diesem Zusammenhang ist dann nicht verständlich, warum Sie die Immobilie nicht veräußern können. Tatsächlich kann doch ein potentieller Käufer den Ihnen geschuldeten Kaufpreis direkt an die Ihre Mutter zum Ausgleich des von Ihnen Ihrer Mutter noch geschuldeten Kaufpreises zahlen. Diesbezüglich würde dann auch interessieren, ob Sie selbst die Immobilie nutzen und ob z. B. Ihre Mutter noch in der Wohnung (der Immobilie?) lebt. Dann wäre für Sie möglicherweise auch noch das Thema des Schonvermögens bei der selbstgenutzten Immobilie von Interesse. Eventuell können Sie so nicht gezwungen werden, die Immobilie zu „versilbern“.
Im Hinblick auf Ihre private Krankenversicherung werden Sie schließlich aufgefordert werden, in den Basistarif zu wechseln. Dies ist insbesondere dann unangenehm, wenn Sie jetzt auch aufgrund eines möglicherweise fortgeschrittenen Alters auf die Leistungen angewiesen sein sollten. Die vollen Kosten der privaten Krankenversicherung (über dem Basistarif) werden nicht übernommen bzw. nur für einen kurzen Zeitraum. Die Höhe des Basistarifs darf den Maximalbeitrag (Regelbeitrag der KV – zurzeit ca. 703,00 €) nicht überschreiten.
Insgesamt gilt „überschlägig“ zum jetzigen Zeitpunkt, dass das Sozialamt Ihren Gesamtbedarf berechnen muss (Regelbedarf in Höhe von vermutlich 424,00 € + Bedarf für Kosten der angemessenen Unterkunft [für Sie allein vermutlich ca. 400,00 € bis 450,00 € warm bei Miete bzw. bei Selbstnutzung der Immobilie die „Betriebskosten“ zzgl. eventuell Ihrer Mutter für den Kaufpreis der selbst genutzten Immobilie zu zahlende Zinsen] + Bedarf für die Kosten der angemessenen Krankenversicherung [s. o. in Höhe von zurzeit 703,00 €]). Davon sind bedarfsdeckend anzurechnen Ihre Einnahmen (in Höhe von 630,00 €). Ihr Vermögen haben Sie (bis auf 5.000,00 €) einzusetzen. Zu Ihrem Vermögen gehört auch die Immobilie, soweit sie nicht als Schonvermögen zu betrachten ist. Dann müsste die Immobilie selbst genutzt und angemessen sein. Demzufolge ist recht fraglich, ob Sie je einen Anspruch außerhalb eines Darlehens gegenüber dem Sozialamt auf Gewährung von Leistungen haben werden.
Sollte Sie nach Ablauf der Zeit bis zum Verbrauch Ihres jetzt noch vorhandenen Barvermögens „in Schwierigkeiten kommen“, sollten Sie ggf. einen Antrag auf Erhalt darlehensweiser Leistungen stellen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Helmut says
Sehr geehrter Herr Nippel,
vielen Dank für Ihre für mich ausführliche Anwort.
Mit freundlichen Grüßen
hanne says
Hallo habe da mal ne Frage –
meine Mutter bezog seit 2013 bis 2019 Grundsicherung – nun soll sie eine Eigentumswohnung wo ihr 2 Zimmer noch gehören (andere Hälfte gehört ihrem Sohn) schätzen lassen, da die Grundsicherung seit 2020 nur ein Darlehen sei (Änderung des Gesetzes).
Sie bekommt 197 € Rente. Bis jetzt wurde kein weitere Grundsicherung bewilligt, die 2 Zimmer bleiben auch nach ihrem Tod Eigentum Ihres Sohnes.
Würde mich freuen schnellstmöglich eine Antwort zu bekommen,
Gruß
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Hanne,
„eigentlich“ müsste die Eigentumswohnung bzw. der von Ihrer Mutter bewohnte Teil als „Schonvermögen“ zu betrachten sein.
Warum dies hier nicht geltend soll, erschließt sich mir nicht.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
hanne says
hallo,
vielen Dank für Ihre Nachricht – gilt das auch wenn bei der Wohnung auch ein Grundstück dabei wäre? Geheißen hatte es, dass das Amt eine Eintragung im Grundbuch macht und dass die Grundsicherung nur als Darlehen wäre und dass wir es dann zurück zahlen müssen – kenne mich leider nicht aus.
Was bedeutet Schonvermögen?
danke für Info