Grundsätzlich soll zwar das gesamte verwertbare Vermögen von dem Hilfesuchenden eingesetzt werden, § 90 Einzusetzendes Vermögen
(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.
(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 90 Abs. 1 SGB XII. Die Sozialhilfe darf aber nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll, § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII.
Das Sozialamt lehnt nun die darlehensfreie Gewährung von Grundsicherung im Alter für eine Person ab, die zwar eine angemessene Doppelhaushälfte bewohnt, bei der aber nicht nachgewiesen werden kann, dass Angehörige nach dem Tod des Hilfesuchenden das Haus bewohnen werden. Das Sozialamt verlangt von dem Hilfesuchenden die Eintragung eines Grundpfandrechts zur Sicherung der nur darlehensweise gewährten Leistungen. Das Sozialamt argumentiert dabei mit der oben genannten Regelung des § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII:
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- (2) Die Sozialhilfe darf aber nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
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eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. …
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Das Sozialamt argumentiert, § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII sei so zu verstehen, dass ein alleinlebender älterer Hilfesuchender, der nicht nachweisen könne, dass später Angehörige seine Wohnung nutzen werden, nur darlehensweise Leistungen zur Grundsicherung erhalten kann. Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII sei das Hausgrundstück nicht als Schonvermögen anzusehen. Deshalb dürften Leistungen auch nur darlehensweise gewährt werden.
Wie ist der letzte Halbsatz von § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII zu verstehen? Ist tatsächlich erforderlich, dass das Sozialamt eine Prognose erstellt, ob das Hausgrundstück des lebenden Hilfesuchenden nach dessen Tod (der hoffentlich noch weit in der Zukunft liegt) von Angehörigen bewohnt werden wird?
Nach hiesigem Verständnis will § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII aber das Hausgrundstück jedenfalls solange zum Schonvermögen rechnen, wie der Hilfesuchende das Hausgrundstück selbst bewohnt. Der letzte Halbsatz von § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII soll nach hiesigem Verständnis bezwecken, dass die Wohnung darüber hinaus aber sogar dann noch zum Schonvermögen gerechnet wird, wenn der Hilfesuchende die Wohnung z. B. im Zusammenhang mit einem Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim endgültig verlässt. Dies soll jedenfalls gelten, wenn festgestellt werden kann, dass die Wohnung nach dem Tod des Hilfebedürftigen von den Angehörigen übernommen werden soll, die auch jetzt schon in der Wohnung wohnen.
Nach hiesigem Verständnis bezieht sich also der letzte Halbsatz von § 90 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 SGB XII nicht auf den in der Vorschrift genannten Hilfesuchenden, sondern auf die kurz zuvor in der Vorschrift genannten Angehörigen (z. B. auf den Ehepartner eines Hilfesuchenden), der auch nach dem Umzug des Hilfesuchenden in ein Altenpflegeheim die Wohnung noch bewohnen darf, ohne dass Leistungen von der Verwertung der Immobilie abhängig gemacht werden.
p.s.: Die oben vertretene Ansicht stützt auch der BGH in einem Beschluss vom 6. Februar 2013 (www.juris.bundesgerichtshof.deXII ZB 582/13).
§ 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII will ein Hausgrundstück vor einer Verwertung insoweit schützen, als es dem Leistungsberechtigten oder einer anderen Person der Einsatzgemeinschaft (§ 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII) oder den mit ihnen dort zusammen lebenden Angehörigen, die auch nach dem Tod des Leistungsberechtigten oder der anderen Person der Einsatzgemeinschaft dort wohnen sollen, als Wohnstatt dient (vgl. Hohm in Schellhorn/Jirasek/Seipp SGB XII-Sozialhilfe 18. Aufl. § 90 SGB XII Rn. 82; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf SGB XII 3. Aufl. § 90 Rn. 47; Mergler/Zink SGB XII Stand Januar 2005 § 90 Rn. 51 f. mwN). Nicht aber soll der Schutz des Hausgrundstücks davon abhängig gemacht werden, dass der Leistungsberechtigte Angehörige hat, die nach seinem Tod dort leben sollen. Der Zusatz „und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll“ bezieht sich vielmehr nach Sinn und Wortlaut auf die Angehörigen, die mit dem Leistungsberechtigten oder der anderen Person der Einsatzgemeinschaft in dem Haus wohnen. Diese Angehörigen gehören dann, wenn sie nach dem Tod der genannten Personen in dem Haus wohnen sollen, ebenfalls zu dem durch § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII geschützten Personenkreis.
p.p.s. (13. Juni 2016):
Auch die 22. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf folgte in einem Verfahren im Ergebnis der vom BGH mit Bezug auch auf die Rechtsprechung des BVerwG vertretenen Ansicht (regte aber im Hinblick auf verfahrensrechtliche Fragen den Abschluss eines Vergleiches an). Es solle verhindert werden, dass die Sozialhilfe zu einem „wirtschaftlichen Ausverkauf“ führe (s. o. BGH):
… Überdies soll verhindert werden, dass die Sozialhilfe, die im Idealfall lediglich eine vorübergehende Hilfe ist, zu einem „wirtschaftlichen Ausverkauf“ führt, damit den Willen zur Selbsthilfe lähmt und zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führt (BVerwGE 23, 149, 159). Daraus folgt, dass sie in erster Linie dem Schutz des Leistungsberechtigten dienen.
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Jürgen Haffner meint
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachstehenden Mailverkehr zur Kenntnis!
Ich habe für meinen Bruder (Rente 690,- €) Grundsicherung beantragt. Wie in nachfolgendem Mailverkehr wird diese abgelehnt.
Kann ich nicht nachvollziehen. Nach allen Abzügen (Strom, Wasser, Müllabfuhr, Abwasser, Heizkosten, Telefon, Rundfunk usw.) bleiben in etwa ca. 250,- € für Lebensmittel über. Da er eine Doppelhaushälfte (ca. 60 m² Wohnfläche) besitzt, fallen hier auch mal Instandsetzungskosten an, (schätze mal so um die 200,- € mtl.)
Jetzt frage ich mich wirklich, wie kann ein Mensch in unserem Land mit solch einer niedrigen Rente existieren? Ich würde Schluss machen …
Beim Beschwerdemanagement habe ich mich auch schon gemeldet!
Für einen kurzen Ratschlag bzw. Info wie ich meinen Bruder noch helfen kann wäre ich Ihnen sehr dankbar!
MfG
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Herr Haffner,
tatsächlich stehen einem Leistungsempfänger zurzeit nur 409,00 € als Regelbedarf und der Ersatz der Kosten der Unterkunft in angemessener Höhe zu.
Instandsetzungskosten können ggf. als Kosten der Unterkunft ersatzfähig sein. Auch die Nebenkosten der (vermutlich) abgezahlten Immobilie sind ersatzfähig, sofern diese Kosten auch ein Mieter geltend machen könnte. Allerdings dürften die ersatzfähigen Kosten der selbst genutzten abgezahlten Immobilie im Wesentlichen begrenzt sein auf die Nebenkosten, die auch ein Mieter zu zahlen hat.
Dass im Ergebnis bei Ihrem Bruder in der 60 m² großen Doppelhaushälfte mehr als 281,00 € Nebenkosten (690,00 € Rente abzüglich des Regelbedarfs in Höhe von 409,00 € = 281,00 €) entstehen, die auch einem Mieter ersetzt werden müssten, ist eher unwahrscheinlich (andernfalls würden die Nebenkosten bei ca. 4,68 € liegen – 60 m² x 4,68 € m² = 281,00 €). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kosten des Telefons und des Stroms im Regelunterhalt (also den 409,00 €) enthalten sind (Stromkosten sind in den Kosten der Unterkunft gemäß den geltenden Regelungen nur dann enthalten und zu ersetzen, sofern Wasser mit Strom erwärmt wird). Hinsichtlich der Rundfunkgebühren sollten Sie ggf. einen Befreiungsantrag beim für Sie zuständigen Beitragsservice stellen (sehr kompliziert!).
Ja, … im Ergebnis haben Sie jedenfalls insofern recht, als dass es sehr schwierig ist, mit 409,00 € Regelbedarf und dem Ersatz der Kosten der Unterkunft würdig zu existieren …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Anita Kerbach meint
Sehr geehrter Herr RA Sönke Nippel,
meine Tochter musste sich an ihrem Studienort anmelden, so entkamen wir der Zweitwohnungssteuer. Konnte ich bisher unsere Eigentumswohnung verteidigen soll ich sie nun schätzen lassen oder ich verliere meinen Anspruch von ca 70€ der meine EU Rente ergänzt.
Mein Kind wird in diese Wohnung zurückkehren und diese auch nach meinem Tod erben. Ich kann Wohngeld beantragen, bin jedoch erschüttert wie mit Menschen und deren Würde umgegangen wird.
Man hat ja Angst ein Pflegefall zu werden….
Liebe Grüße Anita
Helmut meint
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich bin ein besonderer Fall.
Als ehemaliger Selbständiger habe ich privat vorgesorgt. Ich bekomme ca. 630,00 € Rente, zahle aber 760,00 € für die PKV und muss auch noch 820,00 € Restkaufpreisrate an meine 98jährige demente Mutter zahlen. Alle Beträge monatlich. Ich verfüge noch für 3 Jahre Barvermögen und besitze eine schuldenfreie Immobilie im Wert von ca. 500000,00 €. Für die Restkaufpreisrate ist ein Grundbucheintrag vorhanden. So kann ich die Immobilie vor Ableben meiner Mutter nicht verkaufen. In 3 Jahren habe ich kein Geld mehr für den Lebensunterhalt, PKV und Restkaufpreisrate. Wenn ich die nicht mehr an meine Mutter zahlen kann, geht die Immobilie an sie zurück und ich besitze nichts mehr. Würde das Sozialamt für alle meine Kosten aufkommen? Oder sogar mir ein entsprechendes Darlehn einräumen? Ein Bankdarlehn bekomme ich nicht, trotz Sicherheiten.
Mit welchem Szenario muss ich rechnen?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Helmut,
bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Ihre Fragen in diesem Rahmen nicht umfassend beantwortet werden können.
Jedenfalls werden Sie wohl letztlich gezwungen sein (wenn Sie Ihren Gesamtbedarf durch Ihr Einkommen mehr decken können), Ihr Vermögen zu verwerten. In diesem Zusammenhang ist dann nicht verständlich, warum Sie die Immobilie nicht veräußern können. Tatsächlich kann doch ein potentieller Käufer den Ihnen geschuldeten Kaufpreis direkt an die Ihre Mutter zum Ausgleich des von Ihnen Ihrer Mutter noch geschuldeten Kaufpreises zahlen. Diesbezüglich würde dann auch interessieren, ob Sie selbst die Immobilie nutzen und ob z. B. Ihre Mutter noch in der Wohnung (der Immobilie?) lebt. Dann wäre für Sie möglicherweise auch noch das Thema des Schonvermögens bei der selbstgenutzten Immobilie von Interesse. Eventuell können Sie so nicht gezwungen werden, die Immobilie zu „versilbern“.
Im Hinblick auf Ihre private Krankenversicherung werden Sie schließlich aufgefordert werden, in den Basistarif zu wechseln. Dies ist insbesondere dann unangenehm, wenn Sie jetzt auch aufgrund eines möglicherweise fortgeschrittenen Alters auf die Leistungen angewiesen sein sollten. Die vollen Kosten der privaten Krankenversicherung (über dem Basistarif) werden nicht übernommen bzw. nur für einen kurzen Zeitraum. Die Höhe des Basistarifs darf den Maximalbeitrag (Regelbeitrag der KV – zurzeit ca. 703,00 €) nicht überschreiten.
Insgesamt gilt „überschlägig“ zum jetzigen Zeitpunkt, dass das Sozialamt Ihren Gesamtbedarf berechnen muss (Regelbedarf in Höhe von vermutlich 424,00 € + Bedarf für Kosten der angemessenen Unterkunft [für Sie allein vermutlich ca. 400,00 € bis 450,00 € warm bei Miete bzw. bei Selbstnutzung der Immobilie die „Betriebskosten“ zzgl. eventuell Ihrer Mutter für den Kaufpreis der selbst genutzten Immobilie zu zahlende Zinsen] + Bedarf für die Kosten der angemessenen Krankenversicherung [s. o. in Höhe von zurzeit 703,00 €]). Davon sind bedarfsdeckend anzurechnen Ihre Einnahmen (in Höhe von 630,00 €). Ihr Vermögen haben Sie (bis auf 5.000,00 €) einzusetzen. Zu Ihrem Vermögen gehört auch die Immobilie, soweit sie nicht als Schonvermögen zu betrachten ist. Dann müsste die Immobilie selbst genutzt und angemessen sein. Demzufolge ist recht fraglich, ob Sie je einen Anspruch außerhalb eines Darlehens gegenüber dem Sozialamt auf Gewährung von Leistungen haben werden.
Sollte Sie nach Ablauf der Zeit bis zum Verbrauch Ihres jetzt noch vorhandenen Barvermögens „in Schwierigkeiten kommen“, sollten Sie ggf. einen Antrag auf Erhalt darlehensweiser Leistungen stellen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Helmut meint
Sehr geehrter Herr Nippel,
vielen Dank für Ihre für mich ausführliche Anwort.
Mit freundlichen Grüßen
hanne meint
Hallo habe da mal ne Frage –
meine Mutter bezog seit 2013 bis 2019 Grundsicherung – nun soll sie eine Eigentumswohnung wo ihr 2 Zimmer noch gehören (andere Hälfte gehört ihrem Sohn) schätzen lassen, da die Grundsicherung seit 2020 nur ein Darlehen sei (Änderung des Gesetzes).
Sie bekommt 197 € Rente. Bis jetzt wurde kein weitere Grundsicherung bewilligt, die 2 Zimmer bleiben auch nach ihrem Tod Eigentum Ihres Sohnes.
Würde mich freuen schnellstmöglich eine Antwort zu bekommen,
Gruß
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Hanne,
„eigentlich“ müsste die Eigentumswohnung bzw. der von Ihrer Mutter bewohnte Teil als „Schonvermögen“ zu betrachten sein.
Warum dies hier nicht geltend soll, erschließt sich mir nicht.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
hanne meint
hallo,
vielen Dank für Ihre Nachricht – gilt das auch wenn bei der Wohnung auch ein Grundstück dabei wäre? Geheißen hatte es, dass das Amt eine Eintragung im Grundbuch macht und dass die Grundsicherung nur als Darlehen wäre und dass wir es dann zurück zahlen müssen – kenne mich leider nicht aus.
Was bedeutet Schonvermögen?
danke für Info