Wie bereits mehrfach betont, kann das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft beim Bürgergeld – anders als bei der Sozialhilfe – nicht einfach vermutet werden. § 9 Hilfebedürftigkeit
(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 9 SGB II enthält – anders als § 39 Vermutung der Bedarfsdeckung
Lebt eine nachfragende Person gemeinsam mit anderen Personen in einer Wohnung oder in einer entsprechenden anderen Unterkunft, so wird vermutet, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 39 SGB XII – keine allgemeine Vermutensregelung im Hinblick auf das Bestehen der Haushaltsgemeinschaft.
§ 9 Hilfebedürftigkeit
…
(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 9 Abs. 5 SGB II enthält lediglich die gesetzliche Vermutung, dass innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft Verwandte oder Verschwägerte, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, dem oder den Leistungsberechtigten Leistungen zum Lebensunterhalt gewähren. „Im Zweifel“ besteht also bei nicht verwandten oder verschwägerten Leistungsberechtigten keine Haushaltsgemeinschaft, sondern lediglich eine Wohngemeinschaft.
Weil das SGB II keine Vermutensregelung zum Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft für nicht verwandte oder verschwägerte Leistungsberechtigte enthält, ist im Ergebnis das Jobcenter zum Nachweis verpflichtet, dass eine Haushaltsgemeinschaft und keine Wohngemeinschaft besteht. Gelingt dem Jobcenter dieser Nachweis nicht, so geht dies zu seinen Lasten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft sind dann nicht erwiesen. Somit fehlt dann auch für weitere Sachverhaltsermittlungen des Jobcenters insbesondere bezüglich des Einkommens und Vermögens anderer Personen der Wohngemeinschaft die Grundlage. Gleichwohl verlangen Jobcenter allerdings immer wieder Auskunft von den Leistungsempfängern über Mitglieder einer Wohngemeinschaft mit Hinweis auf Mitwirkungspflichten gemäß den §§ 60 ff. SGB I. Da eine Mitwirkungspflicht allerdings zweifelhaft ist, dürfte eine Versagung der Leistungen gemäß § 66 SGB I kaum begründbar sein.
Das Bundessozialgericht umschreibt die Haushaltsgemeinschaft im Unterschied zu einer bloßen Wohngemeinschaft wie folgt (vergleiche dazu unter anderem ein www.sozialgerichtsbarkeit.deUrteil des Bundessozialgerichts vom 18. Februar 2010 (B 4 AS 5/09 R):
… Weitere tatbestandliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB II ist die Bildung einer Haushaltsgemeinschaft. Dabei ist der Begriff der Haushaltsgemeinschaft gegenüber demjenigen der Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet, dass ihre Mitglieder nicht nur vorübergehend in einer Wohnung zusammenleben, sondern einen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem „Topf“ wirtschaften …
Die für Verwandte und Verschwägerte vorhandene gesetzliche Vermutung kann widerlegt werden. Damit stellt der Gesetzgeber bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit in einer Haushaltsgemeinschaft auf die tatsächlichen Verhältnisse ab.
Beispiel:
Im Ergebnis dürfte also in einem Beispielsfall, in dem ein über 26-jähriger Akademiker nach Abschluss seines auswärtigen Studiums noch einmal nach einem Auslandsaufenthalt bei seinen Eltern wohnt um sich von dort aus überregional auf einen Job zu bewerben, eine Haushaltsgemeinschaft schon mangels einer gewissen Dauerhaftigkeit nicht bestehen. Dieser 26-jährige will nur vorübergehend in der Wohnung seiner Eltern leben.
Maja says
Guten Tag,
ich habe mich im Internet schon schlau gelesen, was eine Haushaltsgemeinschaft bei Harzt 4 Empfänger bedeutet.
Die ARGE hat mir 200 Euro von meiner Grundsicherung einbehalten, weil sich bei mir mein Bruder als Dauergast aufhält. Er hat noch seine eigene Wohnung.
Jeder von uns deckt seine eigenen Kosten.
Ich habe Widerspruch eingelegt, mit eidesstattlicher Versicherung und Ausweiskopie meines Bruders.
Jetzt soll ich beweisen, das wir nicht zusammen wirtschaften.
Darf die ARGE das?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Maja,
tatsächlich begründet § 9 Abs. 5 SGB II eine Vermutung, die Sie widerlegen müssen.
Wenn Sie mit Ihrem bisherigen Vortrag (auch in der eidesstattlichen Versicherung) die Vermutung noch nicht widerlegt haben sollten, dann müssen Sie ggf. konkreter werden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Maja says
Hallo Herr RA Nippel,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Gruß
Maja Schimang