Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Kinder in der Bedarfsgemeinschaft und in der Haushaltsgemeinschaft

22. November 2013, aktualisiert am 21. Januar 2021 | 2 Kommentare

Buch Sozialrecht mit Paragrafenzeichen

Kinder in der Bedarfsgemeinschaft und in der Haushaltsgemeinschaft 1Hinsichtlich der Behandlung von Kindern bzw. hinsichtlich der Berücksichtigung von Kindern und Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft ist zunächst zwischen den Kindern bis zum 25. Lebensjahr und den Kindern ab dem 25. Lebensjahr zu unterscheiden.

in diesem Beitrag:
1. Kinder bis zum 25. Lebensjahr2. Kinder ab dem 25. Lebensjahr

1. Kinder bis zum 25. Lebensjahr

Gemäß § 7 Leistungsberechtigte
 
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 7 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 1 SGB II
gehören auch die dem Haushalt angehörenden Kinder zur Bedarfsgemeinschaft, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Soweit die Kinder die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes aus eigenem Einkommen beschaffen können, fallen sie aus der Bedarfsgemeinschaft heraus, § 7 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 2 SGB II.
 
Eine Einstandspflicht für Kinder, die ihren Lebensunterhalt selbst aufbringen können, kann sich ggf. aus § 9 Abs. 5 SGB II ergeben. Nach § 9 Abs. 5 SGB II wird vermutet, dass Leistungsberechtigte, die mit Verwandten in einer Haushaltsgemeinschaft leben, von diesen Leistungen erhalten. Die Anrechnung von Einkommen richtet sich nach § 9 Abs. 5 SGB II in Verbindung mit § 1 Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen
 
(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen: …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 1 Abs. 2 ALG II-V
. Von dem nach § 11 b SGB II bereinigten Einkommen des nicht hilfebedürftigen Verwandten wird ein Betrag in Höhe des doppelten Satzes des für ihn maßgeblichen Regelbedarfs (§§ 20, 23, 77 Abs. 2 SGB II) und die anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung abgezogen. Von dem verbleibenden Einkommen bleiben dann weitere 50 % unberücksichtigt.

2. Kinder ab dem 25. Lebensjahr

Die Bedarfsgemeinschaft endet mit dem 25. Lebensjahr.

Wenn nach Beendigung der Bedarfsgemeinschaft bzw. wenn nach Vollendung des 25. Lebensjahres eine Haushaltsgemeinschaft besteht und das Kind hilfebedürftig ist, richtet sich der Einkommens- und Vermögenseinsatz bei Verwandten und Verschwägerten nach dem oben bereits angesprochenen § 9 Hilfebedürftigkeit
 
(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetautritt)
§ 9 Abs. 5 SGB II
.

  • Haushaltsgemeinschaft

    Um eine Haushaltsgemeinschaft zu bejahen, reicht es nicht aus, wenn Verwandte oder Verschwägerte in einem Haushalt lediglich zusammen wohnen. Vielmehr muss über die bloße Wohngemeinschaft hinaus der Haushalt im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsam geführt werden (vgl. dazu Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deBSG vom 27. Januar 2009, B 14 AS 6/08):

    Urteil des BSG vom 27. Januar 2009, B 14 AS 6/08, Rdnr 16

    Eine gesetzliche Vermutung auch für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft enthält § 9 Abs. 5 SGB II gerade nicht. Dies folgt insbesondere aus einem Vergleich des § 9 Abs. 5 SGB II mit der Regelung des § 36 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). § 36 S. 1 SGB XII lautet: „Lebt eine Person, die Sozialhilfe beansprucht (nachfragende Person), gemeinsam mit anderen Personen in einer Wohnung oder in einer entsprechenden anderen Unterkunft, so wird vermutet, dass sie gemeinsam wirtschaften (Haushaltsgemeinschaft) und dass sie von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.“ Eine entsprechende Vermutungsregelung fehlt in § 9 Abs. 5 SGB II. Der Gesetzgeber hat – wie der Wortlaut der beiden Vorschriften ausweist – im SGB II gerade darauf verzichtet zu normieren, dass bei einem Zusammenleben von Verwandten oder Verschwägerten in einer Wohnung bereits das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft vermutet werden kann. Dass der Gesetzgeber des SGB II entsprechende Vermutungsregelungen aufstellen kann, steht außer Frage. Er hat von dieser Möglichkeit etwa durch die Neuregelungen des § 7 Abs. 3a SGB II Gebrauch gemacht.

  • Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II

    Nach § 9 Abs. 5 SGB II wird vermutet, dass Leistungsberechtigte, die mit Verwandten in einer Haushaltsgemeinschaft leben, von diesen Leistungen erhalten. Die Vermutung kann widerlegt werden, indem dargelegt wird, dass tatsächlich keine Leistungen erbracht werden.

    Widerlegt wird die Vermutung dadurch, dass von der oder dem Hilfebedürftigen geeignete Tatsachen benannt werden (vgl. z. B. Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.juris.bundessozialgericht.deBSG vom 18. Februar 2010, B 14 AS 32/08 R).

    Urteil des BSG vom 18. Februar 2010, B 14 AS 32/08 R, Leitsätze

    1. Nur soweit Hilfebedürftige mit Verwandten oder Verschwägerten in einer Haushaltsgemeinschaft leben, kann vermutet werden, dass ihnen Unterstützungsleistungen zufließen, ohne dass dies im Einzelnen nachgewiesen sein muss.

    2. Eine faktische Bedarfsdeckung durch Hilfeleistungen Dritter kann auch nicht dann unterstellt werden, wenn das Lebensnotwendige beim Antragsteller ohne Grundsicherungsleistungen offensichtlich gesichert war.

    3. Unterstützungsleistungen von Verwandten oder Verschwägerten, die über deren Leistungsfähigkeit hinaus erfolgen, sind zur Deckung der Bedarfe nur heranzuziehen, wenn ihr Zufluss im Einzelnen nachgewiesen ist.

  • Rechtsfolge

    Rechtsfolge der Vermutungsregelung in § 9 Abs. 5 SGB II ist der Einsatz von Einkommen und Vermögen der Verwandten. Die entsprechenden Regelungen enthalten die §§ 1 Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen
     
    (1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen: …
     
    (Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
    § 1 Abs. 1 ALG II-V
    und § 7 Nicht zu berücksichtigendes Vermögen
     
    …
    (2) Bei der § 9 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu Grunde liegenden Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte an mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Leistungsberechtigte Leistungen erbringen, …
     
    (Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
    § 7 Abs. 2 ALG II-V
    .

    Von dem nach § 11 b SGB II bereinigten Einkommen des nicht hilfebedürftigen Verwandten wird ein Betrag in Höhe des doppelten Satzes des für ihn maßgeblichen Regelbedarfs (§§ 20, 23, 77 Abs. 2 SGB II) und die anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung abgezogen. Von dem verbleibenden Einkommen bleiben dann weitere 50 % unberücksichtigt.

 

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2 Kommentare (Fragen/Antworten)

  1. Henrietta meint

    30. Januar 2019

    Sehr geehrter Herr Nippel,

    meine minderjährige Tochter erhält Unterhaltsvorschuss. Bei dessen Berechnung wird das Kindergeld als Einkommen des Kindes angerechnet.

    Bei der Berechnung meines AlG II erscheint mein Kind (ohne Teil der BG zu sein) mit im Berechnungsbogen und der Teil des Kindergeldes, der mit dem Unterhaltsvorschuss (467 €) den Regelsatz für AlG II-Kinder (z. B. incl. Wohnkosten 308 €) übersteigt, wird bei mir als Einkommen (169 €) angerechnet. Erforderliche Kosten für Schulbücher usw., die den Betrag aus dem Bildungspaket übersteigen (heuer ca. 130 €!) müssen wir aus dem „Regelsatz“ bestreiten.

    Mein Kind erhält Kinderwohngeld und Leistungen aus dem Bildungspaket vom Landratsamt. (Ich bin alleinerziehend und erhalte AlgII)

    Besteht in unserem Fall eine Haushaltsgemeinschaft?

    Falls ja: müssten dann meiner Tochter nicht die o. beschriebenen Freibeträge eingeräumt werden?

    Danke für Ihre Antwort!

    antworten
  2. Frank J. meint

    15. März 2019

    Sehr geehrter Herr Nippel,

    zunächst bedanke ich mich für Ihre inhaltlich und technisch hervorragende Seite. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir weitere Auskunft geben können.

    Mein schwerbehinderter (Merkzeichen H) und pflegedürftiger (Pflegegrad III) 18-jähriger Sohn Eric lebt im Haushalt von meiner Gattin und mir. Mit der Volljährigkeit hat die Arbeitsagentur durch ihren amtsärztlichen Dienst eine Arbeitsfähigkeit von täglich weniger als 3 Stunden voraussichtlich über 6 Monate über nicht auf Dauer mit der Empfehlung der erneuten Begutachtung in 6 Monaten festgestellt.

    Ich selber bin erwerbstätig. Weder meine Gattin noch ich beziehen Leistungen nach dem SGB II.

    Beim örtlichen Sozialamt haben wir daraufhin für Eric einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel SGB XII gestellt. Das Sozialamt lehnt den Antrag mit der Begründung ab, da Eric noch keine 25 Jahre alt sei, würde er mit mir eine Bedarfsgemeinschaft bilden und das Sozialamt sei nicht zuständig sondern das Jobcenter. Weiter wird behauptet, dass Eric für ein eigenständiges Anrecht auf Hilfe zum Lebensunterhalt analog zum SGB II das 25. Lebensjahr vollendet haben müsse. Die Regelung aus dem SGB II sei konkludent auf das SGB XII zu übertragen.

    Ist das rechtens? M.E. nach kann keine Bedarfsgemeinschaft vorliegen, da ich nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II bin und Eric nicht erwerbsfähig ist.
    Weiter hat das BVerfG doch mit Urteil vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 371/11 – die unterschiedliche Behandlung von jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 im SGB II und SGB XII für verfassungsgemäß erklärt.

    Besten Dank.

    Freundliche Grüße
    Frank J.

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