Nach umfangreichen Ermittlungen urteilte die 29. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf am 2. Oktober 2019 im Hinblick auf das „schlüssige Konzept“ der Stadt Remscheid und deren Mietspiegel, es halte nicht für schlüssig dargelegt, dass der gesamte Wohnungsmarkt vollständig abgebildet sei (Urteil vom 2. Oktober 2019, S 29 AS 3925/16).
www.justiz.nrw.deUrteil des SG vom 2. Oktober 2010, Aktenzeichen S 29 AS 3925/16
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[38] Zu prüfen ist das durch die Firma Analyse und Konzepte erstellte Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft der Stadt Remscheid 2016. Dieses Konzept ist nicht schlüssig.
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Im Ergebnis muss deshalb das Jobcenter Remscheid einem Leistungsempfänger, dessen Leistungen zu den Kosten der Unterkunft gekürzt wurden, die einbehaltenen Kürzungen erstatten.
Betroffene aus Remscheid, deren Leistungen wegen angeblich zu hoher Kosten der Unterkunft gekürzt wurden, sollten einen Überprüfungsantrag im Hinblick auf Kürzungen in der Vergangenheit stellen!
Neue Bescheide mit Kürzungen sollten mit Widerspruch angegriffen werden! Ein bereits erhobener Widerspruch dürfte jedenfalls im Umfang ggf. erfolgter Kürzungen der Kosten der Unterkunft „automatisch“ begründet sein.
Das Gericht beanstandete u. a., dass das Jobcenter Remscheid – anders als andere Jobcenter – nicht mitteilen konnte bzw. wollte, wie viele Empfänger von Kürzungen betroffen waren. Lapidar war auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts mitgeteilt worden, diesbezügliche Statistiken würden nicht geführt. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung erweckten die Vertreter des Jobcenters nicht den Eindruck, auf die Beanstandungen des Gerichts reagieren zu wollen.
Der Autor trug in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf unter anderem vor, der Mietspiegel und das schlüssige Konzept der Stadt Remscheid leide unter erheblichen Mängeln. Dies werde schon dadurch deutlich, dass viele Leistungsempfänger, die schon jahrelang in einer Wohnung lebten und die bisher vollständigen Ersatz für die Kosten dieser Unterkunft erhielten, mit einer Kostensenkungsaufforderung durch das Jobcenter und auch durch das Sozialamt aufgefordert wurden, sich neuen, angemessenen Wohnraum zu suchen. Dies erfolgte mit der Begründung, die Kosten der Unterkunft seien gemäß den Feststellungen des „schlüssigen Konzeptes“ zu hoch.
Der Grund für Kostensenkungsaufforderungen gegenüber langjährigen Mietern liegt nach Angaben des Jobcenters bzw. des Sozialamtes darin, dass gemäß dem schlüssigen Konzept und dem Mietspiegel jetzt die Kosten der schon jahrelang bewohnten Unterkunft zu hoch bemessen seien. Die Leistungsempfänger hätten kein Recht darauf, diese Leistungen für die Kosten der Unterkunft weiter ungeschmälert zu erhalten.
In mehreren Fällen wandten sich Hilfesuchende an den Unterzeichner und trugen vor, dass sie die oben erwähnte Kostensenkungsaufforderung erhalten hätten. Sie müssten sich jetzt neuen Wohnraum suchen. Andernfalls würden ihnen die Kosten der Unterkunft nicht mehr vollständig ersetzt. Der Unterzeichner musste musste den von der Kostensenkungsaufforderung Betroffenen erklären, dass allein gegen die Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters bzw. des Sozialamtes der Rechtsweg noch nicht eröffnet sei. Erst wenn tatsächlich die Leistungen einige Zeit nach der Kostensenkungsaufforderung gekürzt würden, wäre ein Widerspruch gegen den die Leistungen konkret beschränkenden Bescheid möglich. Hierzu hatte der Unterzeichner im März 2018 unter anderem im „Waterboelles“ in einem Kommentar zu dem Beitrag „Suche nach bezahlbarem Wohnraum ist schwierig“ Folgendes ausgeführt:
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Zu beachten ist hier, dass nach der Rechtsprechung die „Kostensenkungsaufforderung“ kein der Bestandskraft zugänglicher Verwaltungsakt ist. Widerstand ist also nicht möglich. Durch die Kostensenkungsaufforderung wird aber ein erheblicher Druck auf den Leistungsempfänger ausgeübt. Schließlich lautet die Handlungsaufforderung in dem Anschreiben zur Kostensenkung: „Suche neuen Wohnraum. Findest du ihn nicht, erhältst du keine Leistungen mehr (bzw. die Leistungen werden gekürzt!)“ Die Meisten beugen sich dem Druck, suchen eine neue Wohnung. Der „Druck auf dem Kessel“ „bezahlbarer Wohnraum“ wächst.
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Das Gericht urteilte heute entsprechend dem oben Ausgeführten, dass die Kosten der Unterkunft in Remscheid durch die Träger der Grundsicherung aufgrund den Angaben im „Schlüssigen Konzept“ zu niedrig bemessen seien. …
Das Urteil des Sozialgericht Düsseldorf ist rechtskräftig. Der Berufungsstreitwert gemäß § 144 – Zulassung der Berufung
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 144 SGG wurde nicht erreicht. Die Berufung wurde auch nicht aus „besonderen Gründen“ zugelassen.
Das Sozialgericht Düsseldorf verhandelte heute ebenfalls über die Konzepte/Mietspiegel der Städte Neuss und Solingen.
Auch hier führte die 29. Kammer aus, die Konzepte und Mietspiegel würden die zu ersetzenden Kosten der Unterkunft zu niedrig bemessen.
Thomas says
Mich würde ja Mal interessieren, was das jetzt für ein 4-köpfige Familie bedeutet, die ALG 2 bezieht und in Remscheid auf Wohnungssuche ist.
Gibt es eine Art Richtwert in Euro pro Quadratmeter der nach dem Urteil vom 2.10.19 in Remscheid als angemessen gilt oder gelten für neue Mietverträge die alten angemessenen Unterkunftskosten weiter bis die Stadt Remscheid nachgebessert hat?