In einer Verhandlung am 15. Januar 2019 hat sich der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts mit der Rechtmäßigkeit von Sanktionen beschäftigt. Das Bundesverfassungsgericht setzte sich mit der Frage auseinander, ob Kürzungen des Regelbedarfs um 30 %, 60 % und 100 % bei Verletzung von Mitwirkungspflichten verfassungsgemäß sind. Das Sozialgericht Gotha hatte die Vorschriften für die Kürzungen in einer www.sggth.thueringen.deEntscheidung vom 26. Mai 2015 (S 15 AS 5157/14) für verfassungswidrig gehalten. Durch die Kürzungen des Arbeitslosengelds II werde in das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eingegriffen.
3. Die Kammer ist allerdings ebenso wie der Kläger davon überzeugt, dass § 31a Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen
(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 31 a i.V.m. § 31 und 31b SGB II verfassungswidrig ist, weil die Regelung gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m Art. 20 Abs. 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums-, Art.12 Abs.1 GG-Berufsfreiheit- sowie Art.2 Abs.2 S. 1- Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit- verstößt.
Die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zu dem Vorlagebeschluss des SG Gotha wurde in drei Abschnitte gegliedert:
- Zunächst sollten die verfassungsrechtlichen Maßstäbe und die dogmatische Herleitung des Existenzminimums diskutiert werden.
- Dann wurden verschiedene Fragen zu den Mitwirkungserfordernissen behandelt.
- Schließlich wurden die Rechtsfolgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten, die Sanktionen bzw. Minderungen behandelt.
Die entsprechende Verhandlungsgliederung wurde in einer Verhandlungsgliederung in Sachen „Sanktionen im SGB II“
Wie bereits angekündigt, verhandelt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts …
(Link: www.bundesverfassungsgericht.de)Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 2019 vorgestellt.
Inzwischen erfolgte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die zentrale Aussage des www.bundesverfassungsgericht.deUrteils vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16) findet sich im 3. Leitsatz. In der Folge stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Regelungen der §§ 31a Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen
(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 31 a und § 31 b Beginn und Dauer der Minderung
(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)31 b SGB II zumindest teilweise gegen das Grundgesetz verstoßen:
3. Wird eine Mitwirkungspflicht zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit ohne wichtigen Grund nicht erfüllt und sanktioniert der Gesetzgeber das durch den vorübergehenden Entzug existenzsichernder Leistungen, schafft er eine außerordentliche Belastung. Dies unterliegt strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit; der sonst weite Einschätzungsspielraum zur Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit von Regelungen zur Ausgestaltung des Sozialstaates ist hier beschränkt. …
In der Konsequenz wurde die Regelung des § 31 a Abs. 1 S. 1 SGB II für verfassungswidrig erklärt (s. o. BVerfG):
Die in diesem Verfahren überprüften Regelungen verstoßen gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. § 31 a Abs. 1 Sätze 1, 2 und 3 und § 31 b Abs. 1 S. 3 SGB II sind in den Fällen des § 31 Abs. 1 SGB II mit dem Grundgesetz unvereinbar; sie können jedoch bis zum Inkrafttreten der Neuregelung durch den Gesetzgeber nach Maßgabe dieses Urteils angewendet werden.
…
Mit dem Gesetz zum Bürgergeld werden die §§ 31 ff. SGB II neu gefasst und an die Rechtsprechung des BVerfG angepasst.
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