Zu der Frage, ob „vermögenswirksame Leistungen“ Einkommen im Sinne des SGB II sind, nahm das Bundessozialgericht in Urteilen vom 27. Februar 2008 (B 14/7b AS 32/06 R) und www.rechtsprechung-im-internet.de19. Juni 2012 (B 4 AS 163/11 R) Stellung:
[16] a) Keine Einwände ergäben sich zunächst gegen die Auffassung des LSG, dass die von der Klägerin erbrachten Eigenleistungen im Rahmen von vermögenswirksamen Leistungen nicht vom Einkommen abzusetzen seien (vgl schon BSG Urteil vom 27. 2. 2008 – B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 = SozR 4—4200 § 20 Nr 6, RdNr 50). Die Eigenleistungen zu vermögenswirksamen Leistungen werden nicht in den in § 11 Abs 2 SGB II aufgeführten Privilegierungstatbeständen genannt. Dies ist mit Rücksicht darauf nicht zu beanstanden, dass der Vermögensaufbau nicht zu den Zielen des SGB II rechnet.
Aus diesen Ausführungen folgt meines Erachtens, dass zumindest der Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen – im Gegensatz zum Arbeitnehmeranteil – voll absetzbar ist (also vom Nettoeinkommen abgezogen werden muss). Denn dieser Anteil stellt eine zweckgebundene Leistung dar (so jedenfalls das www.landesrecht.rlp.deLSG Rheinland-Pfalz in einer Entscheidung vom 25. November 2008 (L 3 AS 118/07):
[31] Aber auch der Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 30,00 € monatlich sowie die Zahlungen des Arbeitgebers an die Pensionskasse in Höhe von 197,00 € monatlich nach Gehaltsumwandlung stellen kein zu berücksichtigendes Einkommen dar, da sie zweckgebunden sind. Vermögenswirksame Leistungen sind soweit der Arbeitgeberanteil betroffen ist definitionsgemäß Geldleistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer in bestimmten Anlageformen anlegt (vgl § 2 Abs 1 des Fünften Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Fünftes Vermögensbildungsgesetz ). Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung unmittelbar an ihn zur freien Verfügung besteht nicht. Anders als der normale Lohn oder das übliche Gehalt sind vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers nicht dazu bestimmt, dem allgemeinen Lebensunterhalt zu dienen, sondern der Schaffung von Vermögen (vgl. auch BSG, Urteil vom 23.10.1985 – Az.: 7 RAr 37/84, SozR 4100 § 138 Nr. 13 noch zum Arbeitsförderungsgesetz; offen gelassen in BSG, Urteil vom 27.02.2008 Az.: B 14/7b AS 32/06 R, vgl dort auch zu Eigenleistungen des Arbeitnehmers im Rahmen der vermögenswirksamen Leistungen, welche als Einkommen zu berücksichtigen sind).
In ihren fachlichen Anweisungen zu den §§ 11 bis § 11 b SGB II hat die Agentur für Arbeit diese Auffassung auch bestätigt (Seite 8, oben):
(7) Nicht zu berücksichtigen ist der Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen, da er nicht als bereites Mittel zur Verfügung steht.
Ines S says
Hallo,
bekomme seit 3 Jahren Alg 2 und jetzt werden vermögenswirksame Leistungen angerechnet,seit Sept. 2013, obwohl der Arbeitgeber den vollen Anteil (40€) zahlt. Vorher war es wohl ein Versehen vom Amt aus. Kann ich Einspruch einlegen?
Grüße Ines S.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Ines,
legen Sie doch einfach Widerspruch ein. Die Angelegenheit muss dann geprüft werden.
Sie können auch bei dem für Sie zuständigen Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen. Dann sollten Sie möglichst einen in Ihrer nähe befindlichen Rechtsanwalt aufsuchen und sich beraten lassen. Gerne würde auch ich Ihnen helfen.
Grüße
Michele says
Hallo,
wie ist es jetzt mit den VL?
Ich erhalte von meinem AG 40 € VL monatlich in einen Bausparvertrag. In den ersten zwei Monaten wurden diese vom Jobcenter nicht als Einkommen angerechnet, danach allerdings schon.
Gibt es mittlerweile eine Rechtsprechung dazu?
Liebe Grüße
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Michele,
neue Erkenntnisse habe ich bisher nicht. Auch eine jetzige kurze Recherche brachte keine neuen Ergebnisse.
Als Einkommen kann meines Erachtens nur die tatsächlich zugeflossene Leistung betrachtet werden. Wenn Sie also von Ihrem Arbeitgeber Geld erhalten und dies auch einzahlen, dann dürfte es bei der oben genannten Rechtsprechung des BSG und des LSG Rheinland-Pfalz bleiben. Der Arbeitgeberanteil ist nicht als Einkommen zu betrachten. Ihr eigener Anteil an den VL dürfte aber als Einkommen zu betrachten sein, mit dem Sie Vermögen bilden. Ihr „eigener Anteil“ darf dann leistungsmindernd berücksichtigt werden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt