Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Beitrag aufgelistet in: Schwerbehindertenrecht (SG… - Einführung » 3. arbeitsrechtliche Bezüge

Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des betrieblichen Eingliederungsmanagements

Beitrag vom 12.05.2016, aktualisiert am 05.11.2025

VG Wort - ZählpixelDas betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX ist keine bloße Ordnungsvorschrift. Sein Unterlassen kann erhebliche rechtliche Folgen haben – sowohl im Hinblick auf Schadensersatzansprüche als auch bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ziel der Vorschrift ist es, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um das Beschäftigungsverhältnis schwerbehinderter Menschen dauerhaft zu sichern.

  • 1. Schadenersatz
  • 2. Folgen bei einer Kündigung – Verschiebung der Beweislast
  • 3. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

1. Schadenersatz

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben nach § 164 Abs. 4 SGB IX Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung und Ausstattung ihres Arbeitsplatzes. Verletzt der Arbeitgeber diese Pflicht schuldhaft, kann ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 164 Abs. 4 SGB IX entstehen.

Das BAG stellte hierzu klar (BAG, 4. Oktober 2005 – 9 AZR 632/04):

Urteil des BAG vom 4. Oktober 2005 – 9 AZR 632/04
2. Nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 und 5 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung und Ausstattung ihres Arbeitsplatzes. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers aus § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 81 Abs. 4 S. 1 SGB IX begründen. Diese sind auf Ersatz der entgangenen Vergütung gerichtet.
…

II. …

1. Versäumt es der Arbeitgeber schuldhaft, die behinderungsgerechte Beschäftigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX (heute:164 SGB IX) zu ermöglichen, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der ihm entgangenen Vergütung nach § 280 Abs. 1 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 81 Abs. 4 S. 1 SGB IX.

Auch die Nichtdurchführung eines BEM kann als Pflichtverletzung gewertet werden, wenn dadurch der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Beschäftigten gefährdet oder der Kündigungsschutz beeinträchtigt wird.

2. Folgen bei einer Kündigung – Verschiebung der Beweislast

Unterlässt der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement, führt dies nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit einer Kündigung.
Nach der Rechtsprechung des BAG wirkt sich das Versäumnis jedoch beweisrechtlich zu Lasten des Arbeitgebers aus (BAG, 24. März 2011 – 2 AZR 170/10).

Urteil des BAG vom 24. März 2011 – 2 AZR 170/10, Rn. 21 ff.
[21] Wurde entgegen § 84 Abs. 2 SGB IX ein BEM nicht durchgeführt, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die dieser trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheiden. Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.

[22] Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 SGB IX (heute: § 167 Abs. 2 SGB IX) ein Verfahren durchgeführt hat, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein BEM genügt.

[23] Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte. …

[24] Stimmt der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung nicht zu, ist das Unterlassen eines BEM „kündigungsneutral“. …

[25] Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deshalb entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, erneuten Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vorzubeugen und ihm den Arbeitsplatz zu erhalten.

[25] Unterbleibt das BEM ohne nachvollziehbaren Grund, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass auch bei Durchführung des BEM kein positives Ergebnis zu erwarten gewesen wäre.

Praxisbedeutung:
Das Fehlen eines ordnungsgemäßen BEM erschwert es dem Arbeitgeber, die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung darzulegen.
Im Kündigungsschutzprozess kann dies die Erfolgsaussichten des Arbeitnehmers erheblich verbessern.

Das BAG betonte zudem, dass die in § 167 Abs. 1 SGB IX geregelte Prävention dem Ziel dient, eine drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig zu vermeiden(BAG, 7. Dezember 2006 – 2 AZR 182/06).

Urteil des BAG vom 7. Dezember 2006 – 2 AZR 182/06, zu II. 3 c
… Durch die dem Arbeitgeber von § 84 Abs. 1 SGB IX (alt – neu: § 167 SGB IX) auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel der gesetzlichen Prävention ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu erreichen. Die in § 84 Abs. 1 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung eines Kündigungsausspruchs zur Verhinderung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen. …

3. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

Weiterführend zu BEM, Ausgleichsabgabe und Integrationsamt:

  • Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des betrieblichen Eingliederungsmanagements 1

    Betriebliches Eingliederungsmanagement (§ 167 SGB IX) – Ablauf, Zustimmung, Folgen bei Kündigung

    Wann muss ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden? Voraussetzungen, Sechswochenzeitraum, Zustimmung des Arbeitnehmers und Folgen bei Kündigung – mit BAG-Urteilen 2006 und 2011. | mehr

  • Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des betrieblichen Eingliederungsmanagements 2

    Ausgleichsabgabe richtig berechnen: Wer zählt, Höhe, Pflichtquote (SGB IX einfach erklärt)

    Wie wird die Ausgleichsabgabe berechnet? Welche Arbeitnehmer zählen nicht? Pflichtquote, Beträge, Ausnahmen und Beispiele nach § 160 SGB IX verständlich erklärt. | mehr

  • Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des betrieblichen Eingliederungsmanagements 3

    Klagefrist bei Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes – § 4 KSchG & § 168 SGB IX einfach erklärt

    Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes? Wann gilt die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG und wann beginnt sie neu? Unterschiede je nach Kenntnis des Arbeitgebers einfach erklärt. | mehr

  • Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des betrieblichen Eingliederungsmanagements 4

    Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes? Fristen, Ablauf & Schutz nach § 168–174 SGB IX

    Kündigung schwerbehinderter Menschen: Wann ist die Zustimmung des Integrationsamtes nötig? Was gilt ohne Zustimmung? 3-Wochen-Frist nach § 4 KSchG, Dauer & Verfahren. | mehr

  • Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des betrieblichen Eingliederungsmanagements 5

    Gleichstellung bei GdB 30/40 – Antrag, Voraussetzungen und Kündigungsschutz

    Wer kann sich gleichstellen lassen? Voraussetzungen nach § 2 SGB IX, Antrag bei der Agentur für Arbeit, Arbeitsplatzgefährdung und Rechtsfolgen wie Kündigungsschutz. | mehr

Siehe auch:
§ 167 SGB IX · § 164 SGB IX · § 280 BGB · § 823 BGB.

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