§ 331 Abs. 1 Satz 1 SGB III und § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II eröffnen den Agenturen für Arbeit sowie auch den Jobcentern die Möglichkeit, die Zahlung laufender Leistungen vorläufig zu beenden und dadurch möglicherweise Überzahlungen zu vermeiden oder zu begrenzen, wenn sie von Tatsachen erfahren, bei deren Vorliegen eine Zahlung oder Weiterzahlung der Leistung nicht rechtmäßig wäre.
§ 331 Vorläufige Zahlungseinstellung
(1) Die Agentur für Arbeit kann die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, deshalb …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)331 Abs. 1 S. 1 SGB III enthält eine Ermächtigung zur Beendigung der Zahlung ohne Erteilung eines Bescheides (ohne Erlass eines Verwaltungsaktes), wenn der bewilligende Bescheid aufgrund von bekannt gewordenen Tatsachen auch für die Vergangenheit aufzuheben wäre. Eine vorläufige Zahlungseinstellung kommt nur bei Kenntnis von Tatsachen in Betracht. Haben die Agenturen für Arbeit die relevanten Tatsachen nicht von dem Leistungsempfänger selbst erfahren, ist dieser umgehend über die vorläufige Zahlungseinstellung mit den maßgebenden Gründen zu benachrichtigen und in das Verwaltungsverfahren einzubinden. Bemerkenswert ist, dass § 331 Abs. 1 SGB III in der Regel nur dann greift, wenn der Leistungsbezieher bösgläubig im Sinne der §§ 45 und 48 SGB X war. Ansonsten kann nämlich eine Geldleistung nicht für die Vergangenheit aufgehoben werden.
§ 331 Vorläufige Zahlungseinstellung
(1) …
(2) Die Agentur für Arbeit hat eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist.
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)331 Abs. 2 SGB III begrenzt die vorläufige Zahlungseinstellung auf zwei Monate.
Wird die Zahlung von Arbeitslosengeld I oder auch von Arbeitslosengeld II (Bürgergeld) eingestellt, ist einstweiliger Rechtsschutz im Wege einer Sicherungsanordnung zu suchen. Dies resultiert daraus, dass die vorläufige Beendigung der Zahlung ohne Erteilung eines Bescheides möglich ist.
Im Widerspruchsverfahren sowie im Wege der Anfechtung kann die Mitteilung über die vorläufige Zahlungseinstellung nicht angegriffen werden. Es ist ja kein Verwaltungsakt ergangen.
Insgesamt handelt es sich bei der vorläufigen Zahlungseinstellung um eine Vorbereitung einer – voraussichtlich auf den entsprechenden Zeitraum – zurückwirkenden Aufhebungsentscheidung, die Zahlung bereits bewilligten Leistungen für zwei Monate zurückzuhalten. Der Sache nach handelt es sich um ein bloßes Zurückbehaltungsrecht, das allerdings nicht ausdrücklich erklärt werden muss. Ausreichend ist vielmehr die schlichte Zurückhaltung des Betrages als tatsächliches Handeln.
Die Vorschriften in § 331 SGB III und § 40 Abs. 2 Nummer 4 SGB II sollen der Praktikabilität des Leistungsrechts dienen und das Leistungsverfahren beschleunigen. Die Vorschrift soll nicht dazu dienen auf Leistungsempfänger zusätzlichen Druck auszuüben.
§ 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften
(1) …
(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über …
…
4. die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II erklärt die Vorschriften des SGB III über die vorläufige Zahlungseinstellung für entsprechend anwendbar.
Kerstin says
Muss der Bürgergeld-Empfänger vor der Zahlungseinstellung informiert werden?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Kerstin,
§ 331 Abs. 1 S. 2 SGB III lautet ausdrücklich, dass die Agentur unverzüglich die vorläufige Einstellung sowie die Gründe dafür mitzuteilen hat. Dies gilt jedenfalls, wenn die Kenntnis der Tatsachen, die zum Ruhen oder Wegfall des Anspruchs führen, nicht auf Angaben desjenigen beruht, der die laufende Leistung erhält. Es ist Gelegenheit zu geben, sich zu äußern, § 331 Abs. 1 S. 2 letzter Halbsatz SGB III.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
sandra says
Hallo,
was wäre zu tun, wenn das Jobcenter die vorläufige Einstellung der Leistungen nur mit 3 Meldeversäumnissen mit Datum-Angaben begründet?
Es wird auch nicht mitgeteilt, dass man sich dazu äußern könne und es gibt auch keine Frist. Es sind nur Gesetzestexte von den §§ 40 und 331 und ein Antwortformular mit drei Möglichkeiten zum Ankreuzen beigefügt (Sachverhalt trifft zu, möchte mich nicht äußern und möchte mich wie folgt äußern), aber auch da ist keine Frist angegeben.
Und weil die Begründung mangelhaft ist und überhaupt nicht klar ist, um welchen Sachverhalt es sich genau handelt, ist eine Äußerung nicht möglich. Wie sollte man am besten damit umgehen? Eine Sicherungsanordnung beim SG beantragen?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Sandra,
auch hier müsste ich den Einzelfall kennen:
Möglichst sollte eine Verständigung zwischen den Parteien erfolgen und geklärt werden, warum die Leistungen eingestellt wurden. Die Behörde muss schließlich innerhalb von zwei Monaten eine Entscheidung treffen oder nachzahlen. Ist wirklich „Not am Mann/Frau“ so kann vor Ablauf dieser Frist nur eine einstweilige Anordnung beantragt werden.
Die schließlich nach zwei Monaten vom Jobcenter zu treffende Entscheidung kann „ganz normal“ mit Widerspruch und Klage angegriffen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sönke Nippel
Rechtsanwalt