Das Jobcenter kann den Hilfesuchenden auf die Verwertung des Vermögens verweisen, bevor eine Pflicht besteht, Arbeitslosengeld zu gewähren.
1. verwertbares Vermögen
Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
(1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
(2) …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 12 Abs. 1 SGB II.
Verwertbar ist Vermögen, wenn es für den Lebensunterhalt direkt eingesetzt werden kann oder sein Geldwert durch Verbrauch, Verkauf, Beleihung, Vermietung oder Verpachtung für den Lebensunterhalt genutzt werden kann.
Zum verwertbaren Vermögen zählen beispielsweise:
– Bargeld,
– Girokonto, Guthaben,
– Guthaben auf Anlagekonten (Tagesgeld, Festgeld, Depot etc.),
– Sparguthaben, Bausparguthaben, Sparbriefe,
– Wertpapiere (Aktien- und Fondsanteile),
– Kapitallebensversicherungen,
– Haus- und Grundeigentum, Eigentumswohnungen,
– sowie sonstige dingliche Rechte an Grundstücken.
Das Jobcenter kann verlangen, dass zunächst Sparguthaben einzusetzen ist sowie nicht selbst genutztes Wohneigentum zu vermieten ist. Hieraus erzielte Erlöse und Mieteinkünfte werden auf den Bedarf angerechnet. Die Kapitallebensversicherung muss ggf. aufgegeben werden, um den daraus erzielten Betrag zur eigenen Bedarfsdeckung einzusetzen.
Der Begriff der Verwertbarkeit ist formaler Art. Es geht bei der Frage der Verwertbarkeit darum, ob der Gegenstand zulässigerweise „versilbert“ werden kann. Nicht verwertbar ist Vermögen hingegen, wenn der Inhaber keine freie Verfügungsgewalt darüber hat, zum Beispiel im Falle einer Verpfändung.
2. Absetzbeträge
§ 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
(1) …
(2) Vom Vermögen sind abzusetzen
1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 12 Abs. 2 SGB II benennt die Absetzbeträge vom Vermögen, die nicht vorrangig zum Bestreiten des Lebensunterhaltes eingesetzt werden müssen. Nicht ausgeschöpfte Absetzbeträge können – anders als noch beim Hartz-4 – übertragen werden, § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
…
(2) … Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt) § 12 Abs. 2 S. 2 SGB II .
Innerhalb der Karenzzeit von einem Jahr (§ 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
…
(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt) § 12 Abs. 3 S. 1 SGB II ) gilt ein Absetzbetrag in Höhe von 40.000,00 € bzw. 15.000 € für die leistungsberechtigte bzw. für jede weitere Person, § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
…
(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt) § 12 Abs. 4 S. 1 SGB II .
Nach Ablauf der Karenzzeit wird ein pauschales Schonvermögen pro Person in Höhe von 15.000,00 € pro Person berücksichtigt, § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
(1)…
(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen.
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt) § 12 Abs. 2 S. 1 SGB II .
Bis zur Einführung des Bürgergeldes am 1. Januar 2023 galt ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr.
3. Schonvermögen
§ 12 Zu berücksichtigendes Vermögen
…
(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen
1. angemessener Hausrat, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 12 Abs. 3 SGB II nennt die ausnahmsweise nicht bei der Berechnung des Vermögens zu berücksichtigenden Gegenstände – das Schonvermögen.
Zum Schonvermögen gehören insbesondere angemessener Hausrat, ein angemessenes Fahrzeug und ein selbst genutztes Hausgrundstück bzw. eine Eigentumswohnung.
Fragen des wirtschaftlichen Verlustes und der Zumutbarkeit bei der Verwertung und das Vorliegen einer besonderen Härte sind im Rahmen des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II zu berücksichtigen.
In der Einführung zum Bürgergeld habe ich unter 5. b) Vermögen einzelne Beiträge mit der Darstellung von Problemstellungen zur Verwertung des Vermögens und zu den Absetzbeträgen sowie dem Schonvermögen aufgelistet.
Bitte beachten Sie, dass Leistungen zur Grundsicherung erst gewährt werden, wenn neben dem Vermögen auch kein ausreichendes Einkommen zur Verfügung steht. Fragen zur Anrechnung des Einkommens habe ich in der Einführung Bürgergeld unter 5 a) Einkommen behandelt.
Zusätzliche Problemstellungen können dann auch bei der Berücksichtigung von Vermögen eines Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft entstehen (vgl. dazu Einführung Bürgergeld, 6. Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaft.
Mies Karin says
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich möchte vorrausschicken, das es sich nicht um mein Problem handelt,sondern um das einer guten Freundin.
Sie lebt alleinerziehend mit 3 Kindern von der Grundsicherung .
Vor ca. 3 Monaten ist ihr Vater gestorben und sie hat ca. 2,5 tausend Euro geerbt.
Zur gleichen Zeit hatte sie massiven Schimmelbefall in ihre Wohnung und alle Familienmitglieder wurden dadurch krank.
Meine Freundin fragte daraufhin bei der Agentur um finanzielle Unterstützung um besagten Schimmel zu beseitigen. Dort wurde sie darauf hingewiesen ,dass es nicht Sache des Amtes sei , sondern des Vermieters.
Der Vermieter erklärte , dass meine Freundin falsch gelüftet hätte und er deshalb nur einen Teil der Renovierungskosten übernehmen würde . Damit war ihr wenig geholfen und sie fragte bei ihrem zuständigem Sachbearbeiter nach ob sie einen Teil des Erbes verwenden dürfe ,um die Kosten zu decken . Dieser bewilligte dies mündlich. Meine Freundin bezahlte daraufhin die Maler und empfing ein paar Tage später einen Brief der Agentur für Arbeit , dass diese erfahren hätten dass eine Erbschaft empfangen wurde und diese in ihrer Gesamthöhe angerechnet werden müsse .
Meine Freundin wollte daraufhin mit dem zuständigen Sachbearbeiter sprechen ,der ihr die mündliche Zusicherung gegeben hatte , dass sie die Renovierungskosten von ihrem Erbe bezahlen dürfte… dieser arbeitete aber angeblich nicht mehr in besagtem amt ! ? Sie bekam die Auskunft , dass sie nun die kommenden Monate von ihrem Erbe lebe müsse, unabhängig davon ob dies noch in voller Höhe existiere.
Meine Freundin und ihre drei Kinder sollen diesen Monat völlig ohne Geld auskommen. Die Miete bezahlt sie vom Kindergeld, Strom wird von der Arge bezahlt , sämtliche anderen Rechnungen (Versicherungen, Telefon etc.) stapeln sich und die Vier haben nicht mal 3 Euro um bei der Tafel essen zu kriegen . Geschweige denn die 4 Euro für den Bus um zur Tafel zu gelangen).
Sollte nun Jemand aus der Familie erkranken , hätte sie auch das Geld für die Praxisgebühr nicht, Die beiden jüngsten Kinder sind 5 u. 6 Jahre jung.
Sie ist wirklich in einer schlimmen Situation. Niemand kann wirklich helfen.
Bitte, bitte helfen Sie.
Hochachtungsvoll, Karin Mies
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Karin,
also, so richtig verstehe ich das Problem nicht:
Meines Erachtens ist es Aufgabe des Vermieters, die Mietwohnung in einem vernünftigen Zustand zu halten – bei Schimmelbefall sollte zunächst eine Mietminderung mit Hinweis auf die Mängel angedroht werden.
Sollte dies nicht fruchten und sich der Vermieter seinen Pflichten zur Behebung der Mängel weiterhin entziehen, so müsste ggf. eine Feststellungs- und Leistungsklage gegenüber dem Vermieter erhoben werden.
Ganz unabhängig davon ist die Frage der Anrechnung des Erbes als Vermögen Ihrer Freundin zu bewerten. Entweder das Erbe ist als Vermögen anzusehen und die Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II sind überschritten. Dann erhält Ihre Freundin keine Leistungen gemäß dem SGB II mehr, bis das Vermögen aufgebraucht ist. Oder die Freigrenzen des § 12 SGB II sind nicht überschritten. Ihre Freundin erhält dann auch weiterhin die Leistungen nach dem SGB II.
Grüße
Sönke Nippel
ein Leser says
Sehr geehrter Herr Nippel,
wenn im lfd. Leistungsbezug von Alg 2 eine LV-Auszahlung stattfindet, die nicht zu verhindern ist und zur Anrechnung führen würde, scheint eine Weiterverwendung des Auszahlbetrags zur Altervorsorge im Rentenalter sinnvoll zu sein. Daher meine Frage, ob man vom JC gezwungen werden kann, dieses Geldvermögen bis zum Schonvermögen aufzubrauchen oder ob Ihnen legale Alternativen bekannt sind, die Altervorsorge ungehindert bis zum Bezug der Renten wegen Alters auf andere Weise fortzuführen?
Kunstliebhaberin says
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich habe folgende Frage: ein 59jähriger selbstständiger Künstler, der Corona-bedingt keine Einnahmen mehr hat, bezieht vorübergehend ALG II. Er erhält eine unerwartete Schenkung in Höhe von 10.000 EUR. Diese Schenkung ist nach meinem Verständnis dem verwertbaren Vermögen zuzurechnen und übersteigt gem. § 12 SGB II Abs. 2 den Freibetrag um 100 EUR. Gehe ich recht in der Annahme, dass nur die 100 EUR vom ALG II abzuziehen sind? Oder muss er den gesamten Schenkungsbetrag zur Deckung seines Lebensunterhalts verwenden?
Vielen Dank und beste Grüße
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Kunstliebhaberin,
Ihren Überlegungen liegt meines Erachtens folgender Fehler zu Grunde:
Sie unterscheiden nicht zwischen Einkommen und Vermögen.
Grob und schlicht ausgedrückt ist Vermögen das, was der Leistungsempfänger „in den Leistungsbezug mitbringt“. Einkommen ist das, was er während des Leistungsbezuges hinzu erwirbt.
Also: Sollte die Schenkung während des Leistungsbezuges erfolgt sein, ist sie Einkommen und kein Vermögen. Folge: § 12 SGB II mit den Freibeträgen ist nicht anwendbar.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt