Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Erstattungs- und Rückforderungsbescheid des Jobcenters

11. Juli 2012, aktualisiert am 23. Januar 2021 | 3 Kommentare

Menschen mit Schild Hartz IV

Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Erstattungs- und Rückforderungsbescheid des Jobcenters 1Auch der Widerspruch gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters hat gemäß § 86a aufschiebende Wirkung
 
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetautritt)
§ 86 a SGG
aufschiebende Wirkung, wenn die Bewilligung von Leistungen ausschließlich für die Vergangenheit aufgehoben wird. So lautet jedenfalls der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. April 2008 (Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.justiz.nrw.deL 7 B 329/07 AS EB). § 39 Sofortige Vollziehbarkeit
 
Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,
1. der Leistungen …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 39 Nr. 1 SGB II
steht dem nicht entgegen:

Beschluss des LSG NRW vom 24. April 2008, L 7 B 329/07 AS EB, Rdnr. 18

Die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II ist damit einschränkend (teleologisch restriktiv) dahingehend auszulegen, dass sie keine Verwaltungsakte erfasst, mit denen die Bewilligung von Leistungen ausschließlich für die Vergangenheit aufgehoben und die Erstattung dieser Leistungen gemäß §§ 45 ff., 50 SGB X angeordnet wird.

Die Vollstreckung der angegriffenen Bescheide ist also solange unzulässig, bis über den Widerspruch und die Klage abschließend entschieden ist.

Wird dennoch während des Widerspruchsverfahrens oder während des Klageverfahrens die Vollstreckung betrieben, so muss ggf. ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage betrieben werden.

aber:

Die Aufhebung der Bewilligung laufender Leistungen (auch mit Wirkung für die Vergangenheit) ist strikt von der Erstattung bereits erbrachter Leistungen zu trennen. Im Rahmen der Regelung des § 86 a Abs. 2 Nr. 2 hat der Rechtsbehelf gegen die Aufhebung der laufenden Leistungen keine aufschiebende Wirkung. Die laufende Leistung wird also trotz Anfechtung durch Widerspruch oder Klage nicht mehr ausbezahlt. Diesem Rechtsbehelf kommt also keine aufschiebende Wirkung zu.

Rechnet der Leistungsträger die laufende Leistung mit einer Erstattungsforderung auf, die angefochten ist, handelt er rechtswidrig! Diese Aufrechnung würde eine Vollziehung der Erstattung darstellen, die durch die aufschiebende Wirkung nach § 86 a Abs. 1 SGG ausgeschlossen ist.

 

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3 Kommentare (Fragen/Antworten)

  1. Rappel meint

    5. Mai 2019

    Sehr geehrter Herr RA Nippel,

    wenn ich das richtig verstanden habe, hätte also der Widerspruch gegen einen Bescheid, in dem die Anrechnung eines Nebenkostenguthabens nach § 22 (3) SGB II verfügt wird, keine aufschiebende Wirkung.
    Richtig?

    antworten
    • Rechtsanwalt S. Nippel meint

      6. Mai 2019

      Hallo Rappel,

      bei der Beantwortung will ich vorsichtig sein:

      Für mich ist klar, dass zumindest der Fall des § 50 SGB X (Erstattung von Leistungen) nicht von § 39 SGB II erfasst wird. Beispielsweise sind Vollstreckungsmaßnahmen der Regionaldirektionen unzulässig, solange Widerspruch gegen eine Erstattungsentscheidung eingelegt wurde. Dies folgt aus der ausdrücklichen Benennung nur der Aufhebung, der Rücknahme, des Widerrufs und der Entziehung in § 39 Nr. 1 SGB II, nicht aber der Benennung der Erstattung gemäß § 50 SGB X.

      § 39 SGB II wurde vom Gesetzgeber reformiert und die Bescheide nach den §§ 44 bis 49 SGB X angesprochen, ohne dass § 50 SGB X oder der Begriff der Erstattung in den Wortlaut von § 39 SGB II aufgenommen wurde. Dies geschah, obwohl dem Gesetzgeber der Streit um die Erstattung (bzw. um die Anwendung auch auf Entscheidungen nach § 50 SGB X) bekannt war. Folglich werden Erstattungsbescheide gemäß § 50 SGB X nicht von § 39 SGB II erfasst.

      Ist nun eine Entscheidung nach § 22 Abs. 3 SGB II (Minderung des Bedarfs für KdU für den Folgemonat nach der Rückzahlung) eine Erstattungsentscheidung?

      Meines Erachtens ist die Frage zu verneinen. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II nennt ausdrücklich eine Minderung („ …, mindern die Aufwendungen …“). § 39 SGB II sagt ausdrücklich, dass der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt zur Feststellung einer Minderung des Auszahlungsanspruches keine aufschiebende Wirkung hat.

      Also: meines Erachtens hat der Widerspruch gegen eine Feststellung der Minderung keine aufschiebende Wirkung. § 39 Nr. 1 SGB II sagt ausdrücklich, dass ein Widerspruch gegen eine derartige Feststellung keine aufschiebende Wirkung hat. Aber: vollstreckt werden kann jedenfalls dann nicht, wenn die Zahlung der Kosten der Unterkunft im Folgemonat ohne Kürzung erfolgte … (das wäre nämlich eine Erstattung …). Erfolgte hingegen die Kürzung nach der Feststellung zeitgerecht im Folgemonat (was oft nicht der Fall sein dürfte), dann muss ein Erstattungsbescheid erlassen werden, gegen den meines Erachtens Widerspruch mit aufschiebender Wirkung eingelegt werden kann.

      Grüße
      Sönke Nippel
      Rechtsanwalt

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