Viele wissen dies nicht: die Vermutung nach § 7 Leistungsberechtigte
(1) …
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammenleben, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II greift erst nach einem Jahr des Zusammenlebens, wenn nicht schon die anderen Tatbestände des § 7 Abs. 3 a Nrn. 2 bis 4 vorliegen:
- …
- (3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1. länger als ein Jahr zusammenleben,
- 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
- 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
- 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Der Gesetzgeber hat damit potenziellen Partnern ein Jahr zugebilligt, um festzustellen, ob sie wirklich füreinander einstehen wollen. Bei Personen, die kürzer als ein Jahr zusammenleben, können nur besonders gewichtige Gründe die Annahme der „Einstehensgemeinschaft“ begründen.
Nach Ablauf des Jahres wird aber vermutet, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht. Dies soll zu einer Beweislastumkehr führen. Auf diese Weise soll Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den häuslichen Verhältnissen entgegengewirkt werden. Allerdings kann die gesetzliche Vermutung widerlegt werden. An den Gegenbeweis sollen zwar einerseits keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden können. Allerdings wird die Behörde und ggf. das Sozialgericht genau prüfen, ob „nach verständiger Würdigung des wechselseitigen Willens der Partner anzunehmen ist, dass sie“ keine „Verantwortung für einander tragen“ und „nicht füreinander einstehen“, vgl. dazu § 7 Leistungsberechtigte
(1) …
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
…
3. als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
c) eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen führt dazu in einem Beschluss vom 4. Juli 2007 Folgendes aus (www.justiz.nrw.deL 19 B 56/07 AS):
[11] Der Gesetzgeber hat zur Begründung der Einführung des § 7 Abs. 3a SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) u.a. Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 19) auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87 – ( BVerfGE 87, 234) und des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 18.01.2006 – L 5 B 1362/05 AS ER (Breithaupt 2006, 319). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass als eheähnliche Gemeinschaft, die der Gesetzgeber im Rahmen von Bestimmungen über die Anrechnung des Einkommens und Vermögens der Ehe gleichstellen darf, nur eine solche Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist, „die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen“ (BVerfGE a.a.0. 264). „Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar“ (BVerfGE a.a.0. 265). Im Anschluss an diese Entscheidung hat das LSG Berlin-Brandenburg entschieden, dass bei einem Zusammenleben von weniger als einem Jahr regelmäßig eine solche eheähnliche Gemeinschaft zu verneinen ist, es sei denn, es liegen besondere Umstände wie die gemeinsame Erziehung eines Kindes vor (a.a.0. 321f). Wenn der Gesetzgeber aber gerade hierauf Bezug nimmt, folgt daraus, dass bei Partnern die kürzer als ein Jahr zusammenleben, nur besondere, gewichtige Gründe die Annahme einer Einstandsgemeinschaft schon rechtfertigen können. Solche liegen hier aber nicht vor.
köhn says
Wenn man in einen Haus wohnt jeder aber seine eigene Wohnung hat in diesem Haus und ein gemeinsames Kind mit in diesem Haus, gelten dann beide Parteien als eine Bedarfsgemeinschaft?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
die gestellte Frage zu den getrennt bewohnten Wohnungen lässt sich so ohne Weiteres nicht beantworten. Zur korrekten Beantwortung der gestellten Frage müssen wahrscheinlich noch die näheren Umstände geklärt werden. Wenn zwei Wohnungen getrennt bewohnt werden, so wird dies ja auch einen Grund haben:
Eine Haushaltsangehörigkeit bzw. ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II scheint jedenfalls auf den ersten Blick nicht vorzuliegen. Die folgenden Tatbestandsmerkmale müssten dazu erfüllt sein:
Mit freundlichen Grüßen
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Werner says
Ich verstehe nicht warum, nur weil es eine wenn auch berechtigte Vermutung gibt, dass es einen wechselseitigen Willen gibt Verantwortung für einander zu übernehmen, es plötzlich eine unbeschränkte Verantwortlichkeit geben soll!
Die übernommene Verantwortung wurde in einer Lebensgemeinschaft ja aus freiem Willen und aus Zuneigung übernommen! Wie kann ich für freiwillig übernommene Verantwortung Haftbar gemacht werden diese Verantwortung ewig fortzuführen!
Es ist ja gerade der Sinn der Sache keinen Vertrag über das Zusammensein abzuschließen, damit gewährleistet wird das alle Handlungen freiwillig und nicht aus einer vertraglichen Pflicht entstehen!
Jeden Tag an dem ich nicht heirate und einen Vertrag schließe bestätige ich meinen freien Willen!
Wozu bräuchte es eine Ehe, wenn es das Gegenteil nicht mehr gibt?
Nicole says
Ich bin bei meinem Partner damals, weil wir uns getrennt haben, im Dezember ausgezogen und habe Hartz 4 beantragt.
Dies würde auch bewilligt und die Leistungen wurden Bez.
Wir haben einen gemeinsamen 1 jährigen Sohn, der bei mir lebt.
Seit Ende Februar sind wir wieder zusammen, aber wohnen noch getrennt und hauswirtschaften auch getrennt.
Mein Freund hat eine feste Arbeit.
Jetzt habe ich am Freitag einen Brief bekommen, dass wir eine Bedarfsgemeinschaft bilden und weil er arbeiten geht bekomme ich keine Leistungen mehr.
Aber wir sind doch keine Bedarfsgemeinschaft, weil wir sowohl getrennt leben als auch getrennt hauswirtschaften oder??
Wie soll ich denn dann meine Miete und alles andere zahlen??
LG
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Nicole,
Sie wohnen in getrennten Wohnungen? Wie soll dann eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen? Oder wohnen Sie doch in einer Wohnung?
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Anke says
Mein Partner zieht vorübergehend bei mir ein bis er wieder eine Wohnung gefunden hat. Der Vermieter duldet es, befristet auf einige Monate. Dadurch werden die Nebenkosten auch erhöht. Mein Partner bezieht ALG II, ich bekomme Rente und Wohngeld. Er ist jetzt ja wohnungslos, da der Mietvertrag auf meinen Namen läuft. Bei der Stadt ist er schon auf meine Anschrift umgemeldet. Was müssen wir als nächstes tun? Wir sind ja keine Bedarfsgemeinschaft. Jeder zahlt seine eigenen Sachen (Versicherungen). Stromkosten würde er mir anteilig von seinem ALG II-Satz zahlen. Wie sieht das mit den Kosten für NK und Heizung aus? Muß ich das allein zahlen oder müßte er das von seinem ALG II-Satz selber zahlen? Kriegt er trotzdem seinen vollen ALG-Satz? Mit meiner kleinen Rente + Wohngeld komme ich gut klar, aber für 2 Personen reicht das Geld nicht aus!
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Anke,
wenn Sie tatsächlich keine Bedarfsgemeinschaft sind und Sie auch nur als WG zusammen wohnen, so ist im Ergebnis nur die Frage geklärt werden müssen, ob Ihrem Partner eine Haushaltsersparnis anzurechnen ist und nur ein Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 2 zu gewähren ist. Es geht also im Ergebnis nur um die Frage, ob Ihr Partner für den Regelbedarf 432 € oder 389 € erhält. Die Kosten der Unterkunft müssen bei beiden übernommen werden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Kamil Wronka says
Ich besitze eine Eigentumswohnung und meine Freundin ist Azubi.
Im Probejahr steht ihr noch der Regelsatz zu – 432 €.
Ich habe ein Mietvertrag mit meiner Freundin aufgesetzt wo ich eine Miete von 380 € berechne und dem Jobcenter gegeben.
Bekommt sie das Probejahr dann 800 € und danach gar nichts mehr?
Ich bin natürlich Selbstverdiener.
Danke im voraus
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Wronka,
zunächst wird das Jobcenter möglicherweise Sie und Ihre Freundin (wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe) als Bedarfsgemeinschaft ansehen. Dann würde Ihr Einkommen leistungsmindernd angerechnet.
Wenn Sie aber lediglich eine WG bilden (sie also nicht gemeinsam wirtschaften) und der Mietpreis von 400,00 € auch angemessen sein sollte, so käme in Betracht, dass Ihre Freundin den Regelbedarf in Höhe von 432 € sowie die angemessenen Kosten der Unterkunft in Höhe von 400 € erhält.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Romy Koll says
Hallo Herr Nippel!
Mein Freund und ich wohnen seit Anfang März zusammen. Wir sind beide Studenten, ich bekomme kein BAföG, dafür aber monatlich finanzielle Unterstützung meiner Eltern. Der Bafög Antrag meines Freundes wurde aufgrund zu spätem Wechseln des Studiengangs abgelehnt. Er hat rückwirkend für die letzten Monate Wohngeld bekommen.
Da er die Adresse geändert hat, muss er nun einen neuen Wohngeldantrag stellen. Darf er mich hier also als Mietbewohnerin angeben, weil wir ja erst kürzlich zusammengezogen sind?
Beziehungsweise kann es uns wirklich „zum Verhängnis“ werden, wenn wir zusammenziehen? Sprich dass er meinetwegen kein Wohngeld mehr bekommt? Ich bin ja selbst auch nur Studentin mit einem Job auf 450 €-Basis, deshalb – selbst wenn ich wollte – könnte ich seine Kosten nicht tragen.
Vielen Dank schon mal für die Antwort!
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Koll,
im Wohngeldgesetz gibt es den Begriff der Haushaltsmitglieder. Das Wohngeld richtet sich nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder, § 4 Nr. 1 WoGG.
Wenn zwei Haushaltsmitglieder in einer Wohnung leben und nur eines der Mitglieder wohngeldberechtigt ist, dann kann Wohngeld auch nur hälftig für die Miete oder Belastung gewährt werden, § 4 Nr. 2 WoGG.
Inwieweit dann Einkommen eines nicht wohngeldberechtigten Haushaltsmitgliedes bei dem anderen Haushaltsmitglied anzurechnen ist, ist in Ihrem Fall nur von Bedeutung, wenn Sie so viel Unterhalt von Ihren Eltern neben Ihrem Verdienst in Höhe von 450 € bekommen, dass Ihr Gesamtbedarf (zuzüglich Absetzbeträge vom Erwerbseinkommen) gedeckt ist. Erhalten Sie allerdings nicht so viel von Ihren Eltern, dass Ihr Gesamtbedarf zuzüglich der Absetzbeträge vom Einkommen gedeckt ist, dann kann auch nichts bei Ihrem Freund angerechnet werden. Ihr Gesamtbedarf würde im Existenzsicherungsrecht des SGB II und des SGB XII 432 € zuzüglich der Hälfte der Kosten der Unterkunft betragen. Von dem erzielten Einkommen in Höhe von 450 € könnten Sie „anrechnungsfrei“ 100 € zuzüglich 70 € absetzen.
§ 5 Abs. 1 Nr. 3 WoGG enthält eine dem § 7 Abs. 3 a S. 1 SGB II ähnliche Regelung. § 5 Abs. 2 WoGG verweist auf § 7 SGB II. Grundsätzlich ist also die Frage des „Verhängnisses“ von der Höhe der Leistung Ihrer Eltern abhängig, von der Höhe der Kosten der Unterkunft und von der Frage, ob bei Ihnen und Ihrem Freund ein wechselseitiger Wille vermutet werden kann, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Ottilie says
Hallo Herr Nippel,
ich werde Alg II beantragen.
Ich wohne mit meinem Partner in der Wohnung seines Vaters zur Miete. D. h. ich bezahle für die Hälfte der Wohnung Miete und Nebenkosten. Auch sonst bilden wir keine Wirtschaftsgemeinschaft, d. h. seit wir zusammenleben (seit mehr als drei Jahren) führe ich z. B. ein monatliches Lebensmittelkonto, in dem ich alle Kosten der Einkäufe notiere, die wir dann teilen. Muss ich jetzt dennoch eine Bedarfsgemeinschaft angeben oder sind wir dann eine Wohngemeinschaft?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Ottilie,
… „mit meinem Partner“ … Das hört sich nach Bedarfsgemeinschaft mit den damit verbundenen Konsequenzen an. …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Detti says
Meine Frau und ich haben gerade geheiratet, leben aber jeder in seiner eigenen Wohnung zur Miete. Zumindest wird sich das in den nächsten Monaten auch noch nicht ändern.
Sie erhält Hilfe zum Lebensunterhalt und hat Anspruch auf ALG II (zur Zeit langfristig krank). Ich bin nicht antragsberechtigt (Beamter) und voll berufstätig.
Wir sind gegenseitig nicht befugt, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Nach meinem Verständnis stellen wir somit (zumindest momentan) KEINE Bedarfsgemeinschaft dar. Somit kann doch auch das Jobcenter bzw. das Amt für Arbeit auch keine Angaben von mir erwarten und meine Frau neu berechnen.
Oder schätze ich das falsch ein?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Detti,
das schätzen Sie richtig ein.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Tobi says
Ich lebe mit meiner Freundin Jetzt seit 1 Jahr zusammen und habe Post bekommen, dass ich kein ALG 2 mehr bekomme, da wir als „Bedarfsgemeinschaft“ jetzt gesehen werden?!?!
Jeder zahlt seine eigenen Sachen, Miete wurde immer Hälfte Hälfte gemacht und auf einmal soll meine Feindin alles zahlen?
Wir sind gerade mal 2 Jahre zusammen und leben seit 1 Jahr zusammen!
Wie geht das?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Tobi,
so wie es aussieht, werden Sie als Bedarfsgemeinschaft eingestuft. Dann ist das Einkommen Ihrer Freundin mit gewissen Absetzbeträgen bei Ihnen leistungsmindernd zu berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Sönke Nippel
Rechtsanwalt