Bei Wegfall der Voraussetzungen des Vorliegens einer Schwerbehinderung bzw. einer Gleichstellung fallen der Schutz des Betroffenen und der Schutz des Arbeitgebers nicht automatisch weg.
1. Ende des Schutzes Schwerbehinderter
Wann fällt der Schutz des Schwerbehindertenrechts nach einer Aufhebungsentscheidung des Versorgungsamtes weg?
Erst am Ende des dritten Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit einer Entscheidung zur Verringerung des GdB auf weniger als 50 sollen die Regelungen für Schwerbehinderte im Sinne des § 2 Begriffsbestimmungen
(1) …
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 2 Abs. 2 SGB IX nicht mehr angewendet werden, § 199 Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen
(1) Die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 199 SGB IX (alt: § 116 Abs. 1 SGB IX).
Das Versorgungsamt muss also zunächst durch Bescheid eine ausdrückliche Entscheidung treffen, die den Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft ausdrücklich feststellt. Der Ausgangsverwaltungsakt zur Feststellung des Grades der Behinderung muss ggf. widerrufen, zurückgenommen bzw. geändert werden.
Erst drei Monate nachdem die Widerrufs-/Rücknahme-/Änderungsentscheidung unanfechtbar wird, sind die Regelungen des Schwerbehindertenrechts nicht mehr auf den ehemals schwerbehinderten Menschen anwendbar, § 199 Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen
(1) …, jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides.
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 199 Abs. 1 SGB IX. Durch Widerspruch und Klage gegen den Bescheid zur Verringerung des GdB kann also der Wegfall des Schutzes durch das Schwerbehindertenrecht erheblich verzögert werden.
Beispiel: Wird einem Schwerbehinderten mit einem GdB von 50 ein Aufhebungsbescheid mit der Verringerung des GdB auf weniger als 50 am 20. Februar 2017 zugestellt, wird dieser Aufhebungsbescheid am 20. März 2017 bestandskräftig, wenn dagegen kein Widerspruch eingelegt wird. Bis zum Ablauf des dritten Monats nach Bestandskraft des Bescheides – also bis zum 30. Juni 2017 sind die besonderen Regeln für schwerbehinderte Menschen noch anzuwenden.
Wird in dem Beispielsfall Widerspruch bzw. Klage eingelegt, wird die Bestandskraft jeweils zeitlich noch weiter in die Zukunft verlagert. Die besonderen Regeln für schwerbehinderte Menschen bleiben – bis zur Bestandskraft und über drei Monate darüber hinaus – anwendbar.
2. Ende des Schutzes Gleichgestellter
Wann fällt der Schutz des Gleichgestellter nach einer Aufhebungsentscheidung des Versorgungsamtes weg?
Das zuvor Ausgeführte gilt sinngemäß auch für den Schutz der gemäß § 2 Begriffsbestimmungen
…
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 2 Abs. 3 SGB IX den Schwerbehinderten Gleichgestellten.
Die Entscheidung des Versorgungsamtes zum GdB wird erst am Ende des dritten Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung wirksam, § 199 Abs. 2 S. 3 SGB IX.
Für die Rücknahme oder den Widerruf der Entscheidung zur Gleichstellung ist nach wie vor die Agentur für Arbeit zuständig.
3. Wirkung der Anwendung der Regelungen auch über die Bestandskraft hinaus
Während der oben genannten Schonfristen sind die Betroffenen nach wie vor wie Schwerbehinderte bzw. wie Gleichgestellte zu behandeln. Die Betroffenen werden bis zum Ablauf des oben genannten Zeitraums bei dem Arbeitgeber auf die Pflichtarbeitsplätze angerechnet, § 199 Abs. 3 SGB IX.
4. Auswirkungen auf den Schwerbehindertenausweis
Welche Auswirkungen hat die Aufhebungsentscheidung auf den Schwerbehindertenausweis?
Der Schwerbehindertenausweis wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist, § 152 Feststellung der Behinderung, Ausweise
(5) … Er wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 152 Abs. 5 S. 4 SGB IX.
Zum Schwerbehindertenausweis vergleiche auch den Beitrag:
Oscar says
Mit einem GdB über 50 kann man mit 55 Jahren in die ATZ gehen und ab dem Alter von 62 eine reduzierte Altersrente beziehen.
Was passiert wenn während der ATZ der GdB unter 50 sinkt?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Oscar,
die von Ihnen genannten Zahlen zur Regelaltersrente stimmen heute nicht mehr. Wer heute „normal“ in Rente geht (Jahrgang 1958), muss bis zur Vollendung des 66. Lebensjahres arbeiten (wenn keine Sondervorschriften greifen), § 235 Regelaltersrente
(1) …
(2) … Für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Regelaltersgrenze wie folgt angehoben: …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 235 Abs. 2 S. 2 SGB VI. Alterzeit-Modelle müssten also ggf. entsprechend angepasst werden. Deshalb wurden auch die Zeiten gemäß § 236a Altersrente für schwerbehinderte Menschen
(1) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie
…
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 236 a SGB VI angepasst.
Die Voraussetzungen zum Erhalt der Altersrente für Schwerbehinderte gemäß § 236 a SGB VI müssen zu Beginn der Rente vorgelegen haben. Auch wenn der Status der Schwerbehinderung verloren geht oder nur befristet (auf Zeit) besteht, hat dies keine Auswirkungen auf die Rente.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt