Kurz erklärt: Lebt ein Leistungsberechtigter des Bürgergelds in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten/Verschwägerten, wird vermutet, dass er von ihnen Leistungen erhält (§ 9 Abs. 5 SGB II). Dann gilt eine Spezialformel: Vom bereinigten Einkommen des Angehörigen bleibt ein Freibetrag in Höhe von 2× Regelbedarf Stufe 1 plus anteilige KdU unberücksichtigt; der Überhang wird zu 50 % bedarfsmindernd angesetzt (§ 1 Abs. 2 Bürgergeld-V). Die Vermutung ist widerlegbar (Nachweis: keine Unterstützung).
1. Haushaltsgemeinschaft & Vermutung
Bei Zusammenleben mit Verwandten oder Verschwägerten wird vermutet, dass sie den Leistungsberechtigten unterstützen (§ 9 Abs. 5 SGB II). Diese Vermutung kann widerlegt werden (z. B. durch eidesstattliche Erklärung, getrennte Wirtschaftsführung, Konto-/Kostenaufstellung).
- Bedarfsgemeinschaft ≠ Haushaltsgemeinschaft: Bei HG wird fremdes Einkommen nur über die Spezialformel einbezogen – keine volle Einkommensanrechnung wie in der BG.
- Nachweise sammeln: getrennte Einkäufe, getrennte Geldflüsse, Miet-/Nebenkostenaufteilung, ggf. Untermietvertrag.
2. Rechenlogik nach Bürgergeld-V
Rechtsgrundlage: § 1 Abs. 2 Bürgergeld-V i. V. m. § 11b SGB II (Absetzbeträge) und § 20 SGB II (Regelbedarf).
- Bereinigtes Einkommen des Angehörigen: Netto-Einkommen minus Absetzbeträge nach § 11b SGB II (u. a. Grundfreibetrag, Erwerbstätigenfreibeträge, Pauschalen).
- Freibetrag = 2 × Regelbedarf Stufe 1 (aktueller Wert) + anteilige KdU der HG-Person.
- Überhang = bereinigtes Einkommen minus Freibetrag. Davon werden 50 % beim Leistungsberechtigten bedarfsmindernd angesetzt.
3. Beispielrechnung (neutral & übertragbar)
Der Leistungsberechtigte L lebt mit seinem Verwandten oder Verschwägerten V zusammen. V hat ein Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit von 2.000,00 €.
Die angemessenen Wohnkosten betragen insgesamt 600,00 €.
Regelbedarf für L (RBS 1) | 563,00 € |
anteilige Kosten der Unterkunft | 300,00 € |
Gesamtbedarf L | 863,00 € |
Einkommen V | 2.000,00 € |
– Absetzbeträge (§ 11b SGB II) | – 348,00 € |
– doppelter Regelbedarf | – 1.126,00 € |
– ½ Kosten der Unterkunft | – 300,00 € |
= Einkommensüberhang V | = 226,00 € |
davon 50 % | – 113,00 € |
Gesamtbedarf L | 863,00 € |
Leistungsanspruch L | 750,00 € |
4. Besonderheiten & Stolpersteine
- Mehrere Angehörige: Formel wird je unterstützender Person separat angewandt.
- Kein Erwerbseinkommen (z. B. Rente): Es gelten die Absetzungen des § 11b SGB II (ohne Erwerbstätigenfreibeträge).
- KdU-Aufteilung: Regelmäßig Kopfteilprinzip; bei Untermiete oder abweichenden Vereinbarungen ist die vertragliche Last maßgeblich.
- Widerlegung der Vermutung (§ 9 Abs. 5 SGB II): Möglich durch Belege zur getrennten Haushaltsführung. Dann findet die HG-Formel keine Anwendung.
5. Abgrenzung: Haushaltsgemeinschaft im SGB XII
§ 1 Abs. 2 Bürgergeld-V gilt nicht im SGB XII. Dort richtet sich die Berücksichtigung fremden Einkommens nach § 39 SGB XII (anderer Personenkreis, andere Systematik).
Siehe Vertiefung:
6. Häufige Fragen
Was zählt als Haushaltsgemeinschaft?
Zusammenleben mit Verwandten/Verschwägerten mit gemeinsamer Wirtschaftsführung. Folge: Vermutung des Unterstützens (§ 9 Abs. 5 SGB II).
Kann ich die Vermutung widerlegen?
Ja. Belege für getrennte Haushaltsführung (getrennte Konten, Einkaufs-/Kostenbelege, Untermietvertrag). Dann keine HG-Anrechnung.
Wie hoch ist der Freibetrag des Angehörigen?
2 × Regelbedarf Stufe 1 (aktueller Betrag) + anteilige KdU. Nur vom darüber hinausgehenden bereinigten Einkommen werden 50 % angerechnet (§ 1 Abs. 2 Bürgergeld-V).
Gilt das auch in der Sozialhilfe?
Nein, die Bürgergeld-Vorschrift gilt dort nicht. Im SGB XII greift § 39 SGB XII; siehe den gesonderten Beitrag unten.
7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Direkt weiterrechnen & vertiefen:
§ 9 Abs. 5 SGB II · § 1 Abs. 2 Bürgergeld-V · § 11b SGB II · § 20 SGB II · § 39 SGB XII
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