Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, um einen Anspruch des Leistungsempfängers gegen das Jobcenter auf Ersatz der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II zum Ausgleich eines Nachzahlungsanspruches des Vermieters zu begründen?
Zwingende Voraussetzungen für einen Anspruches auf Ersatz des Nachzahlungsanspruches könnten sein:
– Die Verpflichtungen aus der Nebenkostenabrechnung müssen im Zeitraum des Leistungsbezugs entstanden sein.
– Ein Leistungsbezug muss zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Nachzahlungsanspruches vorliegen.
– Das zugrundeliegende Mietverhältnisses, aus dem die Nachzahlungsverpflichtung entsteht, muss noch bestehen.
1. Verpflichtungen aus einem Mietverhältnis vor Eintritt der Leistungsbedürftigkeit
Müssen die Nachzahlungsverpflichtungen während des Leistungsbezuges entstanden sein?
Eine Verpflichtung des Jobcenters zum Ausgleich der Nebenkostennachzahlung könnte voraussetzen, dass die Nebenkostennachzahlung für einen Zeitraum während des Leistungsbezuges geltend gemacht wird.
Demgegenüber entschied aber das Bundessozialgericht mit www.sozialgerichtsbarkeit.deUrteil vom 24. November (B 14 AS 121/10 R), dass auch Verpflichtungen aus einem Mietverhältnis vor Beginn des Leistungsbezuges zu ersetzen sind:
Verpflichtungen aus einem bestehenden Mietverhältnis, die bereits vor Eintritt der Bedürftigkeit begründet worden sind, aber erst nach Eintritt der Bedürftigkeit fällig werden, gehören zu den übernahmefähigen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im laufenden Bewilligungszeitraum.
Gemäß diesem Urteil müssen also zwei Voraussetzungen für einen Anspruch der vor dem Leistungsbezug entstandener Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen …
(Link: zum Gesetzestext mit kurzer Kommentierung hier im Internetauftritt)§ 22 SGB II erfüllt sein:
– Das Mietverhältnis muss noch bestehen.
– Die Nachforderungsverpflichtung darf erst nach Bedürftigkeit fällig geworden sein.
Ist der Bestand des Mietverhältnisses Voraussetzung für den Anspruch oder kann auch ein Leistungsanspruch aufgrund fällig gewordener Ansprüche aus einem bereits beendeten Mietverhältnis entstehen?
Ein zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Nachzahlungsanspruches noch bestehendes Mietverhältnisses kann im Einzelfall entbehrlich sein. So entschied das BSG in einem Urteil vom 20. Dezember 2011 (B 4 AS 9/11 R):
Aufwendungen durch eine Betriebskostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis sind Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der Entstehung als auch der Fälligkeit der Betriebskosten im SGB II-Leistungsbezug stand und steht sowie die Aufgabe der Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt ist.
Anders als in dem zuvor am 24. November 2011 entschiedenen Fall ist also ein bestehendes Mietverhältnis durchaus entbehrlich. Voraussetzung ist dann aber ein Leistungsbezug beim tatsächlichen Entstehen der Nebenkosten sowie auch zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Dann können sogar Betriebskosten für einen Zeitraum nachgefordert werden, in dem die Wohnung gar nicht mehr bewohnt wird:
[17] Es kommt im Gegensatz zu der vom Beklagten vertretenen Auffassung hier nicht darauf an, dass die Klägerin die Wohnung, für die die Betriebskosten nachgefordert worden sind, im Monat des Erhalts der Betriebskostennachforderung nicht mehr bewohnt hat. …
[18] Hat der Leistungsberechtigte die Wohnung für die die Betriebskostennachforderung geltend gemacht wird, aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II aufgegeben, ist er mit dem Wohnungswechsel lediglich einer gesetzlich auferlegten Obliegenheit nachgekommen. Solange die Leistungen für Unterkunft bis zum Vollzug der Kostensenkungsaufforderung jedoch in tatsächlicher Höhe zu erbringen waren (s oben), stellen sie einen grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Existenzsicherung im Bereich des Wohnens dar …
Im Ergebnis kann so ein Leistungsberechtigter gegenüber dem Jobcenter auch bei „Überschneidungskosten“ nach einer Kostensenkungsaufforderung einen Anspruch auf Ersatz der Kosten aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis geltend machen.
2. Leistungsbezug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung
Ein Anspruch auf Ersatz einer Nachzahlungsforderung besteht, wenn die Nebenkostenforderung während des Leistungsbezuges entstand, das Mietverhältnis fortbesteht und Leistungsbezug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzahlungsverpflichtung noch vorhanden ist.
Was aber gilt, wenn der ehemalige Leistungsempfänger zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Nachzahlungsanspruches nicht mehr bedürftig ist?
Im Hinblick auf ein Guthaben des Mieters bei dem Vermieter nach Ende der Bedürftigkeit dürfte gelten, dass das Jobcenter gemäß § 33 Übergang von Ansprüchen
(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch … auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 33 Abs. 1 S. 1 SGB II Gläubiger des Guthabens wird, soweit Leistungen für das Guthaben erbracht wurden. Ob allerdings die Jobcenter diese Ansprüche tatsächlich auch nach Beendigung des Leistungsbezuges weiter verfolgen, ist hier nicht bekannt.
Bei einer Nachforderung dürfte – soweit dies der Unterzeichner überblickt – ein Anspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem Jobcenter allerdings ausscheiden. Voraussetzung eines Leistungsanspruches dürfte immer die Bedürftigkeit sein. Aus diesem Grund dürfte dann im Ergebnis ein Leistungsempfänger ein „vitales Interesse“ daran haben, dass möglichst die meist als Vorauszahlung geschuldeten Nebenkosten gemäß § 556 Vereinbarungen über Betriebskosten
(1) …
(2) Die Vertragsparteien können vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften vereinbaren, dass Betriebskosten als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesen werden. Vorauszahlungen für Betriebskosten dürfen nur in angemessener Höhe vereinbart werden.
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 556 Abs. 2 BGB ein Guthaben ausweisen – also gemäß § 560 Veränderungen von Betriebskosten
…
(4) Sind Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart worden, so kann jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen.
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 560 Abs. 4 BGB möglichst zeitnah angepasst werden, wenn sich ein Nachzahlungsanspruch des Vermieters ergibt.
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