Am 20. März 2018 berichtete Lothar Kaiser in einem wirklich lesenswerten Beitrag unter „www.waterboelles.de“ über schwierig zu findenden bezahlbaren Wohnraum in Remscheid. Insbesondere Empfänger von Sozialleistungen sind betroffen. Fallbeispiele wurden benannt:
Suche nach bezahlbaren Wohnungen ist schwierig
…
Fallbeispiele
- Frau, 43 Jahre alleinstehend benötigt nach der Scheidung von ihrem Mann eine kleinere Wohnung.
- Frau T. ist arbeitslos und bezieht ALGII-Leistungen. Da die bisherige Wohnung zu groß ist (laut den Richtlinien der Stadt Remscheid), muss sie in eine kleinere Wohnung umziehen. Sie ist seit Wochen auf der Suche, findet aber keine passende Wohnung, die der leistungsrechtlichen Angemessenheitsgrenze entspricht.
- Frau, 20 Jahre mit schwierigem familiären Hintergrund, lebt alleine in Remscheid. Sie hat gerade einen Ausbildungsplatz gefunden und ist nun noch auf der Suche nach einer eigenen Wohnung. Bisher hat sie bei ihrem Bruder gewohnt, wo sie aber nicht bleiben kann. Sie benötigt Hilfe bei der Wohnungssuche und bei der Vorsprache bei Vermietern. Da sie keine Bürgschaft der Eltern vorlegen kann, hat sie große Schwierigkeiten eine Wohnung zu finden.
- Mann, 31 Jahre, wohnungslos seit August 2017 nach Haftentlassung.
- Herr M. hat ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild und ist in der Lage seine Angelegenheiten mit Ämtern und Behörden selbständig zu erledigen.
- Er übernachtet regelmäßig bei diversen Freunden und hat die Postanschrift in der Fachberatungsstelle des Caritasverbandes. Er lebt von ALG II. Er hat eine negative Schufa-Auskunft. Seine Wohnungssuche war deshalb bisher erfolglos.
- Mann, 28 J., wohnungslos seit Dezember 2017 nach Haftentlassung
Der neue Mietspiegel von Remscheid ist rechtswidrig (vgl. dazu den Beitrag Remscheider Mietspiegel rechtswidrig)!
Der Verfasser des vorliegenden Artikels nahm den Artikel von Herrn Kaiser zum Anlass und fertigte folgenden Kommentar:
Hallo Herr Kaiser,
vielen Dank für den wirklich gut recherchierten Beitrag! Auch die Schilderungen von Frau Sandra Engelberg entsprechen genau den Beobachtungen des Verfassers des Kommentars und sind rückhaltlos zu unterstützen!
Auch der Verfasser des vorliegenden Kommentars wollte schon in einem eigenen Internetauftritt einen „flammenden Artikel“ verfassen, der sich genau mit den in Ihrem Beitrag geschilderten Fallbeispielen beschäftigt. Der „flammende Artikel“ steht schon seit ca. 1 ½ Jahren auf der ToDo-Liste des Verfassers (seit Inkrafttreten des neuen Mietspiegels der Stadt Remscheid – der „Waterboelles“ berichtete). Der Verfasser ist Rechtsanwalt in Remscheid und beschäftigt sich insbesondere mit dem Sozialrecht. Hinsichtlich der geschilderten Problemfälle sind in der eigenen Praxis auch einige Streitfälle vor dem Sozialgericht Düsseldorf anhängig. Mangels Zeit musste der Verfasser den geplanten „flammenden Artikel“ aber bisher zurückgestellt. Der „flammende Artikel“ sollte „viral“ wirken und den Versuch beinhalten, Widerstand gegen die geschilderten Missstände zu organisieren. Tatsächlich kann nämlich aus der Sicht des Verfassers Widerstand insbesondere durch Rechtsmittel geleistet werden. …
Zwei in der Praxis sehr weit verbreitete Problemfelder sind nach Ansicht des Verfassers zu der Problematik des „bezahlbaren Wohnraums“ für auf Sozialleistungen angewiesene Leistungsempfänger herauszugreifen. Eine Lösung durch Neubestimmung der „angemessenen Kosten“ bzw. der vom Leistungsträger zu übernehmenden Kosten muss gefunden werden. Betroffene, deren Leistungen schon gekürzt wurden sollten Rechtsmittel einlegen:
1. Angemessenheit der Kosten der Unterkunft
Die u. a. in § 22 SGB II (und den entsprechenden Regelungen insbesondere im SGB XII) angesprochenen „angemessenen Kosten der Unterkunft“ werden u. a. in Remscheid nach einem Mietspiegel berechnet, der nach Auffassung von Herrn Kaiser und Frau Engelberg und weiteren Personen, die sich mit der Problematik beschäftigen (u. a. auch des Verfassers des Kommentars), nicht dem Wohnungsmarkt entsprechen.
2. Kostensenkungsaufforderung
Die Sozialleistungsträger (insbesondere Jobcenter und „Sozialamt“) müssen für einen Übergangszeitraum (meist sechs Monate) auch Leistungen für „unangemessenen“ Wohnraum erbringen. Schließlich muss ja die Wohnung gekündigt werden und neuer, „bezahlbarer Wohnraum“ gefunden werden.
Nach Ablauf des Übergangszeitraumes kann der Sozialleistungsträger die Leistungen für den bisher genutzten Wohnraum kürzen, wenn er zuvor darauf aufmerksam gemacht hat. Zuvor muss also eine „Kostensenkungsaufforderung“ ausgesprochen werden. Dies ist zwar nicht direkt z. B. in § 22 Abs. 1 SGB II geregelt. Die „Kostensenkungsaufforderung“ muss aber in der Regel vorgeschaltet werden.
Zu beachten ist hier, dass nach der Rechtsprechung die „Kostensenkungsaufforderung“ kein der Bestandskraft zugänglicher Verwaltungsakt ist. Widerstand ist also nicht möglich. Durch die Kostensenkungsaufforderung wird aber ein erheblicher Druck auf den Leistungsempfänger ausgeübt. Schließlich lautet die Handlungsaufforderung in dem Anschreiben zur Kostensenkung: „Suche neuen Wohnraum. Findest du ihn nicht, erhältst du keine Leistungen mehr (bzw. die Leistungen werden gekürzt!).“ Die Meisten beugen sich dem Druck, suchen eine neue Wohnung. Der „Druck auf dem Kessel“ „bezahlbarer Wohnraum“ wächst.
Zu beachten ist: zumeist werden die Leistungen nach Ablauf der in der Kostensenkungsaufforderung gesetzten Frist – findet der Betroffene keinen neuen, angemessenen Wohnraum – durch Aufhebung oder Neubescheidung und Neuberechnung der Kosten der Unterkunft gekürzt. Hiergegen sollte Widerspruch eingelegt werden!
3. Lösung
Betroffene einer Kostensenkungsaufforderung können nach dem oben Geschilderten zunächst nichts tun. Sie müssen sich eine neue Wohnung suchen (wobei „der Druck auf dem Kessel Wohnungsmarkt“ wächst) und/oder sie müssen die Kürzung der Kosten der Unterkunft abwarten.
Gegen den Bescheid zur konkreten Kürzung der Leistungen der Kosten der Unterkunft kann und sollte dann auch ggf. Widerspruch eingelegt werden.
Betroffene, deren Leistungen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bereits seit längerer Zeit gekürzt wurden (und die folglich schon wirklich „verarmt“ sind), sollten einen Überprüfungsantrag stellen und bei der jährlichen Neubescheidung Widerspruch zumindest hinsichtlich der nicht voll ersetzten Kosten der Unterkunft erheben.
Nach Beobachtungen des Verfassers des Kommentars beschäftigen sich auch die Sozialgerichte zunehmend mit dem Thema. Durch den vorliegenden Beitrag von Herrn Kaiser wird dies u. a. dokumentiert. Das „schlüssige Konzept“ der Stadt Remscheid wurde schon von einzelnen Kammern des Sozialgerichtes kritisch hinterfragt wurde.
Deshalb noch einmal: Gegen offensichtliche Fehlentscheidungen zur Frage der Angemessenheit der Kosten sollten schließlich Rechtsmittel eingelegt werden, um den Druck auf den Wohnungsmarkt zu mindern (dies müsste dann sogar den Interessen der Stadt entsprechen).
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