Kurz erklärt: Eine Einkommensteuererstattung ist beim Bürgergeld Einkommen und kein Vermögen. Sie wird nach dem Zuflussprinzip berücksichtigt und als einmalige Einnahme auf mehrere Monate verteilt. Erwerbstätigenfreibeträge greifen hier nicht.
1. Einordnung: Einkommen, nicht Vermögen
Nach § 11 SGB II gelten Geldzuflüsse nach Antragstellung grundsätzlich als Einkommen. Das hat u. a. das LSG Bayern nochmals klargestellt. Konsequenz: Die Steuererstattung wirkt bedarfsdeckend und leistungsmindernd (LSG Bayern, 06.11.2014 – L 11 AS 662/14).
2. Zuflussprinzip & Zeitpunkt
Maßgeblich ist der tatsächliche Zufluss (Auszahlung nach Steuerfestsetzung). Eine abweichende Einordnung als „Vermögen“ scheidet aus, auch wenn der Erstattungsanspruch auf früheren Abzügen beruht. Das BSG betont: Es kommt nicht darauf an, ob die Forderung früher hätte entstehen können – entscheidend ist der tatsächliche Geldzufluss (BSG, 28.10.2009 – B 14 AS 64/08).
3. Verteilung als einmalige Einnahme
Die Steuererstattung ist eine einmalige Einnahme und auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen. So wird eine übermäßige Minderung in einem Einzelmonat vermieden. Die Aufteilung kann mehrere Monate umfassen (vgl. LSG Bayern, s. o.).
4. Keine Erwerbstätigenfreibeträge
Erwerbstätigenfreibeträge nach § 11b SGB II sind bei der Verteilung einer Steuererstattung nicht abzuziehen. Das hat das BSG ausdrücklich bestätigt: Die Anreizfunktion der Freibeträge würde sonst verfehlt (BSG, 11.02.2015 – B 4 AS 29/14 R).
5. Häufige Fragen
Ist eine Einkommensteuererstattung beim Bürgergeld Einkommen oder Vermögen?
Sie gilt als Einkommen nach § 11 SGB II und wird bedarfsdeckend berücksichtigt. Eine Einordnung als Vermögen scheidet nach der Rechtsprechung aus, da es auf den tatsächlichen Auszahlungstag ankommt (BSG, 28.10.2009 – B 14 AS 64/08).
Auf wie viele Monate wird eine Steuererstattung verteilt?
Als einmalige Einnahme ist sie über einen angemessenen Zeitraum zu verteilen (Monatsaufteilung). Die konkrete Dauer richtet sich nach der Höhe der Erstattung und den Bedarfen; eine Verteilung über mehrere Monate ist zulässig (LSG Bayern, 06.11.2014 – L 11 AS 662/14).
Gelten die Erwerbstätigenfreibeträge nach § 11b SGB II auch für Steuererstattungen?
Nein. Bei Einkommensteuererstattungen greifen die Erwerbstätigenfreibeträge nicht. Das hat das BSG ausdrücklich klargestellt (§ 11b SGB II, BSG, 11.02.2015 – B 4 AS 29/14 R).
Was gilt, wenn die Steuer in einer Zeit entstanden ist, in der noch kein Leistungsbezug bestand?
Auch dann bleibt es beim Zuflussprinzip: Entscheidend ist der Zeitpunkt der Auszahlung; eine Umdeutung zu Vermögen erfolgt nicht (BSG, 28.10.2009 – B 14 AS 64/08).
Übernimmt das Jobcenter eine Einkommensteuernachzahlung?
Eine Steuernachzahlung ist grundsätzlich kein berücksichtigungsfähiger Bedarf des Lebensunterhalts. Sie mindert den Anspruch nicht automatisch, kann aber die individuelle Liquidität beeinflussen. Für die Leistungsberechnung zählt primär der tatsächliche Zufluss von Einnahmen; Nachzahlungen sind kein Einkommen. Im Zweifel zeitnah Bescheid und Zahlungsbelege beim Jobcenter vorlegen.
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Berücksichtigung von Einkommen, Hinzuverdienst & Zuflussprinzip:



Andreas says
Hallo,
wir sind eine Bedarfsgemeinschaft von 3 Personen. Meine Frau geht in Vollzeit arbeiten, das Kind geht auf das Gymnasium und wir bekommen anteilmäßig ALG 2.
Nun haben wir die Einkommenssteuererklärung für 2014/15 wiederbekommen.
Wird die gesamte Summe auf ALG 2 angerechnet?
Vielen Dank
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Andreas,
leider muss ich zu der Frage Folgendes mitteilen:
Die Entscheidung wurde im Ergebnis vom Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. Beschluss vom 8. November 2011, 1 BvR, 2007/11, Rdnr. 8):
Im Ergebnis wird also die Steuererstattung leistungsmindernd angerechnet. Rechtsmittel dürften keinen Erfolg haben.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Werner W. says
Und wo bleibt dabei die Gleichheit vor dem Gesetz? So können nur Menschen argumentieren, die im Monat mehr Geld übrig haben als andere mit der ganzen Familie für ein Leben knapp oberhalb der Armutsgrenze.
Zuviel durch den Staat abgezogenes Geld ist das Eigentum desjenigen, dem es fälschlicherweise abgezogen wurde. Wer würde schon freiwillig zu viel Steuern zahlen. Dass im Einkommensteuergesetz diesbezüglich das Zuflussprinzip gilt, ist ja logisch, da sonst so ziemlich jeder Bescheid rückwirkend geändert werden müsste, was natürlich widersinnig wäre.
Aus dieser „Verwaltungsvereinfachung“ nun zu schließen, dass das gleiche Prinzip auf das SGB II anzuwenden sei, ist in meinen Augen ein billiger Taschenspielertrick,
um zu viel gezahlte Steuern nicht an ihre Eigentümer zurück zu erstatten. Und das ist effektiv genau das, was erreicht wird. Das FA könnte den Betrag eigentlich gleich an die Sozialbehörde überweisen, bzw. einfach behalten für den großen Steuerpott.
Wohl dem, der sich auskennt und sich deshalb erst gar nicht die Arbeit einer Steuererklärung macht! Diese läßt sich ja bis zu 3 Jahre aufschieben, und wenn sich die Situation bis dahin ändert, also der Bedarf für Sozialleistungen weggefallen ist, kann man sich das Geld erstatten lassen, ohne es gleich retour gehen zu lassen.
Oder noch besser, man vermeidet eine Steuerüberzahlung.
Fazit: Wer sich also auskennt oder Freunde hat, die sich auskennen, erhält mehr Leistungen als die anderen. Die Blöden sind wie immer die Dummen.
Aber Artikel 3 GG meinte das wohl etwas anders…
Ich wundere mich immer wieder darüber, welche juristischen Klimmzüge noch gemacht werden, um die fortschreitende Umverteilung von unten nach oben zu gewährleisten.
T. Daniel says
Hallo,
ich bin Student und arbeite nebenbei, meine Frau bekommt alg 2.
Ich habe eine Steuerrückzahlung in Höhe von ca. 500€ erhalten. Bei der Berechnung wurde dieser Betrag nur für den einen Monat angerechnet in dem ich das Geld vom Finanzamt überwiesen bekommen habe! Nun sollen wir ca. 460€ zurückzahlen.
Ist das richtig so? Doll der Betrag nicht auf 6 Monaten geteilt werden?
Vielen Dank
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
ich bin Student und arbeite nebenbei, meine Frau bekommt alg 2.
Ich habe eine Steuerrückzahlung in Höhe von ca. 500€ erhalten. Bei der Berechnung wurde dieser Betrag nur für den einen Monat angerechnet in dem ich das Geld vom Finanzamt überwiesen bekommen habe! Nun sollen wir ca. 460€ zurückzahlen.
Ist das richtig so? Soll der Betrag nicht auf 6 Monaten geteilt werden?
Vielen Dank
Angii says
Hallo, mein Freund hat Anfang April eine Steuerrückzahlung erhalten. Ich habe gestern einen Antrag auf alg2 gestellt. Jetzt zu meiner Frage: wir die Rückzahlung als Einkommen angesehen oder Vermögen? Obwohl nichts mehr von dem Geld da ist weil wir uns ein neues Auto kaufen müssten.
Lg
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Angii,
am 26. April 2018 haben Sie einen Antrag auf Erhalt von Leistungen (vermutlich ab Anfang April) gestellt. Anfang April 2018 hat ihr Freund eine Rückzahlung der Einkommensteuer erhalten.
Ich gehe zunächst davon aus, dass Sie Leistungen ab Anfang April beantragt haben und nicht erst ab Anfang Mai. Dann ist die Erstattung als Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Olaf Strauß says
Hallo Herr Rechtsanwalt S. Nippel,
mich verwundert immer wieder die bürgerfeindliche Auslegung der Gesetze beim „kleinen Mann“:
wenn, im Zeitraum eines Leistungsbezuges die Anrechnung einer Steuererstattung „rechtmäßig“ ist, dann muss doch im Gegenzug durch das Jobcenter auch die Übernahme der Kosten einer Steuernachzahlung erfolgen?!?
Doch diese Übernahme gibt es NATÜRLICH nicht.
MfG
Olaf Strauß
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
zu dem Thema „Steuernachzahlung“ kann ich „allgemein“ nur folgende Ausführungen treffen:
Soweit es sich bei dem der Steuernachzahlung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis um „private Schulden“ ohne Bezug zu einer Leistungsgewährung handelt, ist die Nichtberücksichtigung verständlich – „private Schulden“ werden nicht einkommensmindernd und in der Folge leistungserhöhend berücksichtigt.
Andererseits dürfte gelten: wenn die Steuernachzahlung einen Zeitraum betrifft, in dem – zumindest ergänzend – Leistungen durch das Jobcenter erbracht werden mussten, so dürfte ein Anspruch auf Ausgleich des nunmehr geringeren Einkommens in diesem Zeitraum einen Nachzahlungsanspruch begründen! Im Rahmen einer endgültigen Festsetzung der evtl. nur vorläufig gewährten Leistungen oder auch im Rahmen eines Nachprüfungsantrages gemäß § 44 SGB X (falls die Leistungsgwährung nicht nur vorläufig erfolgte) könte dann der entsprechende Anspruch auf Neuberechnung (mit dem geringeren Einkommen nach Abzug der Steuern) erfolgreich durchsetzbar sein! Ein geringeres Einkommen führt nämlich zu einem höheren Leistungsanspruch.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
le.musicien says
Hallo Herr Nippel,
mit welcher Begründung wird eine ESt-Rückerstattung als „Einkommen“ gewertet, wo doch die Rückerstattung aus zuvor zu viel bezahlter Steuer resultiert? Es wird doch lediglich der zu viel abgeführte/einbehaltene Steuerbetrag quasi „als Korrektur im Nachhinein“ zurückgegeben. Durch eine Besteuerung des Rückerstattungsbetrags wird ja letztlich mein per Bescheid festgestellter Anspruch auf geringere Steuerlast ad absurdum geführt!
Ich bin Bezieher einer „normalen“ Altersrente, ohne Anspruch auf anderweitige Sozialleistungen.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo musicien,
nur das Einkommen nach Abzug der Einkommensteuer wird bei der Berechnung der Leistungen leistungsmindernd zum Ansatz gebracht. Eine Einkommensteuererstattung führt nicht zu einer späteren Neuberechnung des Nettoarbeitsentgeltes und damit zu einer Korrektur vormals gewährter Leistungen.
Auf der Kehrseite wird dann die Einkommensteuererstattung zum Zeitpunkt des Zuflusses als Einkommen gewertet und dann auch entsprechend leistungsmindernd angesetzt. Das ist im Ergebnis nur für diejenigen problematisch, die zum Zeitpunkt der zu viel gezahlten Steuer nicht im Leistungsbezug standen.
Am Ende reduziert sich die Fragestellung darauf, ob es sich bei der Erstattung um Vermögen und/oder Einkommen handelt. Die Frage ist allerdings eindeutig beantwortet: es handelt sich um Einkommen. Einkommen ist leistungsmindernd zu berücksichtigen.
Dazu hat das Bundessozialgericht sogar entschieden, dass im Hinblick auf die Einkommensteuererstattung noch nicht einmal Absetzbeträge für Erwerbstätige abgezogen werden können und dass darüber hinaus eine hohe Einmalzahlung auch auf einige Monate angerechnet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 2015, B 4 AS 29/14). Dies betraf allerdings einen Sachverhalt, in dem bereits zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Leistungsbezug bestand. Es gibt allerdings auch Entscheidungen des BSG, bei denen zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer noch keine Leistungsbezug bestand. Eine entsprechende Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2009 habe ich jetzt oben verlinkt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt