Das
www.sozialgerichtsbarkeit.deLandessozialgericht Bayern stellte in einem Urteil vom 6. November 2014 (L 11 AS 662/14) zur Behandlung der Einkommensteuererstattung noch einmal klar, dass eine Einkommensteuererstattung Einkommen im Sinne des § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 11 Abs. 1 SGB II und kein Vermögen ist. Dies hat zur Folge, dass die Steuererstattung leistungsmindernd und bedarfsdeckend in die Berechnung der aktuellen Leistungen einbezogen wird. Diese Ausführungen dürften auch beim Bürgergeld ab dem 1. Januar 2023 noch gelten.
Wäre die Einkommensteuererstattung entgegen dem Urteil als Vermögen anzusehen, würde dies nicht zu einer Leistungsminderung und zur Annahme der Bedarfsdeckung führen, solange dadurch das Schonvermögen nicht überschritten würde. Das LSG bezog sich in der Begründung auf Urteile des Bundessozialgerichts aus den Jahren 2007 bis 2009 und bewertete die Einkommensteuererstattung als Einkommen:
…
Die Steuererstattung ist dem Kläger am 4. Oktober 2010 zugeflossen, mithin zu einem Zeitpunkt nach Antragstellung. Sie stellt damit Einkommen dar. Es handelt sich auch nicht um bereits erlangte Einkünfte, mit denen Vermögen angespart wurde (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 64/08 R – a. a. O.; Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R – […]; Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 47/08 R – a. a. O.). Bei Forderungen ist grundsätzlich bei deren Erfüllung unter wertender Betrachtung auf die letztlich in Geldeswert erzielten Einkünfte abzustellen und nicht auf das Schicksal der Forderung. Es handelte sich vorliegend nicht um ein Ansparen – die zu hoch entrichtete Steuer wurde nicht freiwillig (und zinslos) „angespart“ – sondern der Kläger hat diese schlicht nicht früher erhalten (vgl dazu im Einzelnen BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 64/08 R – a. a. O. – m. w. N.). Anders als bei einem fest angelegten Sparguthaben stand der Betrag der Steuererstattung dem Kläger vor deren Auszahlung auch nie tatsächlich zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung. Anders als bei einem Sparguthaben hat er sich auch nicht bewusst dafür entschieden, das für ihn konkret verfügbare Geld fest anzulegen. Auch wenn die Steuererstattung auf einem zu hohen Lohnsteuerabzug vom Bruttolohn des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit beruht und der Steuererstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Abgabenordnung (AO) unmittelbar einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis darstellt, entsteht der Anspruch auf Steuererstattung nach § 38 AO erst, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Voraussetzung für einen Steuererstattungsanspruch ist jedoch nach § 155 Abs. 1 AO die Festsetzung der Steuern durch die Finanzbehörde. Die Auszahlung eines sich nach Abrechnung der Einkommensteuer ergebenden Überschusses zugunsten des Steuerpflichtigen erfolgt erst nach Bekanntgabe des Steuerbescheids (36 Abs. 4 S. 2 Einkommensteuergesetz -EStG-). Auch ein Anspruch auf Verzinsung bereits bei Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, der sich nachträglich im Hinblick auf die Einkommensteuerfestsetzung als zu hoch erweist, besteht nicht. Entsprechendes gilt für den Solidaritätszuschlag (§ 1 Abs. 2 Solidaritätszuschlaggesetz).
…
Als einmaliges Einkommen ist die Steuererstattung dann auf mehrere Monate zu verteilen. Absetzbeträge gemäß § 11b Absetzbeträge
…
(2) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist …
(3) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist …
1. für den …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 11 b Abs. 2 und 3 SGB II für Erwerbstätige sind dabei nicht zu berücksichtigen (s. o. LSG Bayern noch zu § 30 SGB II alter Fassung):
… Ein Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags gemäß § 30 SGB II idF des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige (Freibetragsneuregelungsgesetz) vom 14. August 2005 (BGBl I 2407) kommt bei der Aufteilung einer einmaligen Einnahme aus einer Steuererstattung nicht in Betracht. Es handelt sich insofern nicht um Erwerbseinkommen im Sinne von § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 SGB II i. V. m. § 30 SGB II. …
Dies bestätigte auch das www.sozialgerichtsbarkeit.deBundessozialgericht in einer Entscheidung vom 11. Februar 2015 (B 4 AS 29/14 R): Im Hinblick auf die Einkommensteuererstattung können noch nicht einmal Absetzbeträge für Erwerbstätige abgezogen werden und darüber hinaus kann eine hohe Einmalzahlung auch auf einige Monate angerechnet werden (s. o. BSG, Rdnr. 20). Die Anreizfunktion der Freibetragsregelungen für erwerbstätige Leistungsbezieher im Hinblick auf die Verringerung der Hilfebedürftigkeit würde durch die Berücksichtigung eines Erwerbstätigenfreibetrags bei einer Einkommenssteuererstattung konterkariert (s. o. BSG, Rdnr. 24).
Die vorstehend zitierten Entscheidungen des BSG von 2015 betraf allerdings einen Sachverhalt, bei denen bereits zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Leistungsbezug bestand.
In der Entscheidung vom 28. Oktober 2009 führte das BSG (B 14 AS 64/08) allerdings auch zu einem Sachverhalt, in dem zum Zeitpunkt der Steuerentstehung noch kein Leistungsbezug bestand, aus, dass von der Regelung des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen auch nicht deswegen abzuweichen wäre, weil es sich um einen Geldzufluss handelt, dessen zu Grunde liegende Forderung zu einem früheren Zeitpunkt fällig geworden wäre, wenn der Erstattungsberechtigte eine andere steuerliche Disposition getroffen hätte (s. o. BSG, Rdnr. 20). Tatsächlich steht es ja oft im Einflussbereich eines Leistungsberechtigten, wann der Leistungszufluss erzielt wird.
Andreas says
Hallo,
wir sind eine Bedarfsgemeinschaft von 3 Personen. Meine Frau geht in Vollzeit arbeiten, das Kind geht auf das Gymnasium und wir bekommen anteilmäßig ALG 2.
Nun haben wir die Einkommenssteuererklärung für 2014/15 wiederbekommen.
Wird die gesamte Summe auf ALG 2 angerechnet?
Vielen Dank
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Andreas,
leider muss ich zu der Frage Folgendes mitteilen:
Die Entscheidung wurde im Ergebnis vom Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. Beschluss vom 8. November 2011, 1 BvR, 2007/11, Rdnr. 8):
Im Ergebnis wird also die Steuererstattung leistungsmindernd angerechnet. Rechtsmittel dürften keinen Erfolg haben.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Werner W. says
Und wo bleibt dabei die Gleichheit vor dem Gesetz? So können nur Menschen argumentieren, die im Monat mehr Geld übrig haben als andere mit der ganzen Familie für ein Leben knapp oberhalb der Armutsgrenze.
Zuviel durch den Staat abgezogenes Geld ist das Eigentum desjenigen, dem es fälschlicherweise abgezogen wurde. Wer würde schon freiwillig zu viel Steuern zahlen. Dass im Einkommensteuergesetz diesbezüglich das Zuflussprinzip gilt, ist ja logisch, da sonst so ziemlich jeder Bescheid rückwirkend geändert werden müsste, was natürlich widersinnig wäre.
Aus dieser „Verwaltungsvereinfachung“ nun zu schließen, dass das gleiche Prinzip auf das SGB II anzuwenden sei, ist in meinen Augen ein billiger Taschenspielertrick,
um zu viel gezahlte Steuern nicht an ihre Eigentümer zurück zu erstatten. Und das ist effektiv genau das, was erreicht wird. Das FA könnte den Betrag eigentlich gleich an die Sozialbehörde überweisen, bzw. einfach behalten für den großen Steuerpott.
Wohl dem, der sich auskennt und sich deshalb erst gar nicht die Arbeit einer Steuererklärung macht! Diese läßt sich ja bis zu 3 Jahre aufschieben, und wenn sich die Situation bis dahin ändert, also der Bedarf für Sozialleistungen weggefallen ist, kann man sich das Geld erstatten lassen, ohne es gleich retour gehen zu lassen.
Oder noch besser, man vermeidet eine Steuerüberzahlung.
Fazit: Wer sich also auskennt oder Freunde hat, die sich auskennen, erhält mehr Leistungen als die anderen. Die Blöden sind wie immer die Dummen.
Aber Artikel 3 GG meinte das wohl etwas anders…
Ich wundere mich immer wieder darüber, welche juristischen Klimmzüge noch gemacht werden, um die fortschreitende Umverteilung von unten nach oben zu gewährleisten.
T. Daniel says
Hallo,
ich bin Student und arbeite nebenbei, meine Frau bekommt alg 2.
Ich habe eine Steuerrückzahlung in Höhe von ca. 500€ erhalten. Bei der Berechnung wurde dieser Betrag nur für den einen Monat angerechnet in dem ich das Geld vom Finanzamt überwiesen bekommen habe! Nun sollen wir ca. 460€ zurückzahlen.
Ist das richtig so? Doll der Betrag nicht auf 6 Monaten geteilt werden?
Vielen Dank
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
ich bin Student und arbeite nebenbei, meine Frau bekommt alg 2.
Ich habe eine Steuerrückzahlung in Höhe von ca. 500€ erhalten. Bei der Berechnung wurde dieser Betrag nur für den einen Monat angerechnet in dem ich das Geld vom Finanzamt überwiesen bekommen habe! Nun sollen wir ca. 460€ zurückzahlen.
Ist das richtig so? Soll der Betrag nicht auf 6 Monaten geteilt werden?
Vielen Dank
Angii says
Hallo, mein Freund hat Anfang April eine Steuerrückzahlung erhalten. Ich habe gestern einen Antrag auf alg2 gestellt. Jetzt zu meiner Frage: wir die Rückzahlung als Einkommen angesehen oder Vermögen? Obwohl nichts mehr von dem Geld da ist weil wir uns ein neues Auto kaufen müssten.
Lg
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Angii,
am 26. April 2018 haben Sie einen Antrag auf Erhalt von Leistungen (vermutlich ab Anfang April) gestellt. Anfang April 2018 hat ihr Freund eine Rückzahlung der Einkommensteuer erhalten.
Ich gehe zunächst davon aus, dass Sie Leistungen ab Anfang April beantragt haben und nicht erst ab Anfang Mai. Dann ist die Erstattung als Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Olaf Strauß says
Hallo Herr Rechtsanwalt S. Nippel,
mich verwundert immer wieder die bürgerfeindliche Auslegung der Gesetze beim „kleinen Mann“:
wenn, im Zeitraum eines Leistungsbezuges die Anrechnung einer Steuererstattung „rechtmäßig“ ist, dann muss doch im Gegenzug durch das Jobcenter auch die Übernahme der Kosten einer Steuernachzahlung erfolgen?!?
Doch diese Übernahme gibt es NATÜRLICH nicht.
MfG
Olaf Strauß
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
zu dem Thema „Steuernachzahlung“ kann ich „allgemein“ nur folgende Ausführungen treffen:
Soweit es sich bei dem der Steuernachzahlung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis um „private Schulden“ ohne Bezug zu einer Leistungsgewährung handelt, ist die Nichtberücksichtigung verständlich – „private Schulden“ werden nicht einkommensmindernd und in der Folge leistungserhöhend berücksichtigt.
Andererseits dürfte gelten: wenn die Steuernachzahlung einen Zeitraum betrifft, in dem – zumindest ergänzend – Leistungen durch das Jobcenter erbracht werden mussten, so dürfte ein Anspruch auf Ausgleich des nunmehr geringeren Einkommens in diesem Zeitraum einen Nachzahlungsanspruch begründen! Im Rahmen einer endgültigen Festsetzung der evtl. nur vorläufig gewährten Leistungen oder auch im Rahmen eines Nachprüfungsantrages gemäß § 44 SGB X (falls die Leistungsgwährung nicht nur vorläufig erfolgte) könte dann der entsprechende Anspruch auf Neuberechnung (mit dem geringeren Einkommen nach Abzug der Steuern) erfolgreich durchsetzbar sein! Ein geringeres Einkommen führt nämlich zu einem höheren Leistungsanspruch.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
le.musicien says
Hallo Herr Nippel,
mit welcher Begründung wird eine ESt-Rückerstattung als „Einkommen“ gewertet, wo doch die Rückerstattung aus zuvor zu viel bezahlter Steuer resultiert? Es wird doch lediglich der zu viel abgeführte/einbehaltene Steuerbetrag quasi „als Korrektur im Nachhinein“ zurückgegeben. Durch eine Besteuerung des Rückerstattungsbetrags wird ja letztlich mein per Bescheid festgestellter Anspruch auf geringere Steuerlast ad absurdum geführt!
Ich bin Bezieher einer „normalen“ Altersrente, ohne Anspruch auf anderweitige Sozialleistungen.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo musicien,
nur das Einkommen nach Abzug der Einkommensteuer wird bei der Berechnung der Leistungen leistungsmindernd zum Ansatz gebracht. Eine Einkommensteuererstattung führt nicht zu einer späteren Neuberechnung des Nettoarbeitsentgeltes und damit zu einer Korrektur vormals gewährter Leistungen.
Auf der Kehrseite wird dann die Einkommensteuererstattung zum Zeitpunkt des Zuflusses als Einkommen gewertet und dann auch entsprechend leistungsmindernd angesetzt. Das ist im Ergebnis nur für diejenigen problematisch, die zum Zeitpunkt der zu viel gezahlten Steuer nicht im Leistungsbezug standen.
Am Ende reduziert sich die Fragestellung darauf, ob es sich bei der Erstattung um Vermögen und/oder Einkommen handelt. Die Frage ist allerdings eindeutig beantwortet: es handelt sich um Einkommen. Einkommen ist leistungsmindernd zu berücksichtigen.
Dazu hat das Bundessozialgericht sogar entschieden, dass im Hinblick auf die Einkommensteuererstattung noch nicht einmal Absetzbeträge für Erwerbstätige abgezogen werden können und dass darüber hinaus eine hohe Einmalzahlung auch auf einige Monate angerechnet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 2015, B 4 AS 29/14). Dies betraf allerdings einen Sachverhalt, in dem bereits zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Leistungsbezug bestand. Es gibt allerdings auch Entscheidungen des BSG, bei denen zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer noch keine Leistungsbezug bestand. Eine entsprechende Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2009 habe ich jetzt oben verlinkt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt