Es gehört zwar nicht zu den Aufgaben von Leistungen zum Hartz 4, Schulden zu tilgen bzw. beim Vermögensaufbau behilflich zu sein. Das Bundessozialgericht entschied aber zu Tilgungsraten für eine selbst genutzte Eigentumswohnung bereits im Jahr 2008 (Urteil vom 18. 6. 2008 – B 14-11b AS 67/06 R), dass derartige Kosten der Eigentumswohnung als Kosten der Unterkunft ggf. gemäß § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, …
(Link: zum kommentierten Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 22 SGB II zu ersetzen sind:
Tilgungsleistungen als Bestandteil der Finanzierungskosten einer vom Hilfebedürftigen selbst genutzten Eigentumswohnung sind vom Grundsicherungsträger bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige andernfalls gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben.
Die genaue Lektüre des Urteils des www.sozialgerichtsbarkeit.deBSG vom 18. Juni 2008 (B 14/11 b AS 67/06 R) kann jedem Immobilieneigentümer, der in den Bezug von Leistungen nach dem SGB II geraten ist und der die selbst genutzte Wohnung noch nicht abgezahlt hat, empfohlen werden.
Das Jobcenter wollte nur die Zinsen für die Eigentumswohnung ersetzen. Das Sozialgericht sprach sich auch für die Übernahme der Tilgungsraten aus. Allerdings sollten nur die Kosten ersetzt werden, die angemessen sind. Das Landessozialgericht wollte hinsichtlich der Tilgungsleistungen nur einen Darlehensanspruch des Wohnungseigentümers annehmen.
Das Bundessozialgericht folgte im Wesentlichen dem Sozialgericht. Es sollen nicht nur die Zinsleistungen abgegolten werden. Auch die Tilgungsleistungen können und müssen teilweise übernommen werden:
…
[23] … Jedenfalls dann, wenn der Hilfebedürftige ohne (gegebenenfalls anteilige) Übernahme von Tilgungsraten gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben, kommt eine Übernahme der gesamten Finanzierungskosten bis zur Höhe der abstrakt angemessenen Kosten einer Mietwohnung in Betracht.
…
[27] dd) Allerdings besteht insoweit ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohneigentums einerseits und der Beschränkung der Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung andererseits. Das Arbeitslosengeld II soll den Lebensunterhalt sichern und grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen …
[28] … Zum anderen können Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zu der Höhe übernommen werden, die er auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte (Rdnr. 28) … Wenn die unvermeidliche Tilgungsleistung die angemessenen Kosten einer Mietwohnung übersteigt, könnte darüber hinaus ein Darlehen in Betracht kommen.
…
Die Ausführungen des BSG sind hinsichtlich der Anforderung „wenn andernfalls der Hilfebedürftige gezwungen wäre, die Wohnung aufzugeben“, etwas schemenhaft. Dem LSG wirft das BSG vor, es habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Übernahme der Tilgungsraten für den Erhalt der Immobilie zwingend erforderlich war (Rdnr. 30). Es komme möglicherweise eine Tilgungsaussetzung oder -streckung in Betracht (Rdnr. 30). Wie ein Jobcenter insbesondere die Frage, ob eine Tilgungsaussetzung oder -streckung in Betracht kommt, klären kann, wird nicht wirklich deutlich.
In einer jüngeren Entscheidung vom 18. September 2014 entschied das Bundessozialgericht sogar, dass eine „Balkonumlage“ zu ersetzen ist www.sozialgerichtsbarkeit.deBSG (B 14 AS 48/13 R, Rdnrn. 17 bis 19):
[17] Leistungen (heute: Bedarfe) für die Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den Aufwendungen für die Unterkunft gehören – wie das LSG zu Recht ausgeführt hat – bei Leistungsberechtigten, die in einem Haus oder einer Eigentumswohnung wohnen, das oder die in ihrem Eigentum steht, auch die mit der Nutzung der Immobilie unmittelbar verbundenen Lasten (BSG Urteil vom 24.2.2011 – B 14 AS 61/10 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 14, 15).
[18] Diese umfassen auch Zahlungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit sie nicht zu einer Verbesserung des Standards der selbst genutzten Immobilie führen (vgl BSG Urteil vom 3.3.2009 – B 4 AS 38/08 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 16, 17 sowie in Umsetzung dieser Rechtsprechung § 22 Abs 2 SGB II in der Fassung der ab 1.4.2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850, im Folgenden: SGB II nF). Instandhaltung bedeutet nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung, der sich das BSG angeschlossen hat (vgl BSG Urteil vom 19.3.2008 – B 11b AS 31/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R – BSGE 102, 194 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 19), die Erhaltung des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustandes des Wohnobjekts, also die Beseitigung der durch Abnutzung, Alter und Witterungseinwirkungen entstehenden baulichen und sonstigen Mängel (BGH Urteil vom 6.4.2005 – XII ZR 158/01 – NJW-RR 2006, 84 ff; BGH Urteil vom 14.2.2007 – VIII ZR 123/06 – NJW 2007, 1356 ff). Bei den Instandsetzungskosten handelt es sich in der Regel um Kosten aus Reparatur und Wiederbeschaffung (für die Wohnraummiete: vgl BGH Urteil vom 7.4.2004 – VIII ZR 146/03 – NJW-RR 2004, 877 ff). Instandsetzung und Instandhaltung betreffen deshalb Mängel an der baulichen Substanz der Immobilie oder ihrer Teile (BGH Urteil vom 7.4.2004 – VIII ZR 167/03 – NJW-RR 2004, 875 ff), wobei es sich um weitgehend inhaltsgleiche Begriffe handelt (BGH Urteil vom 14.2.2007 – VIII ZR 123/06 – NJW 2007, 1356 ff). Eine mit diesen Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen verbundene Wertsteigerung der Immobilie ist nur eine Folge der notwendigen Erhaltung und schließt deren Berücksichtigungsfähigkeit nach § 22 Abs 1 S. 1 SGB II nicht aus (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 176 f, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 138, 141). …
[19] Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der strittigen Balkonumlage erfüllt. …
Liljana Galovac says
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich beziehe seit 2009 Kosten für Unterkunft. 2010 wurden mir ca 250,- € gekürzt. Die Grundmiete liegt über der angemessen Mietobergrenze von 610,- € ich bezahle aber für München 850,- € Miete.
Das Landratsamt hat mir bereits ein Widerspruchsbescheid zugesandt mit der Begründung öffentliche Mittel sind sparsam zu verwalten und werden nur 6 Monate genehmigt. Ein Widerspruch eine bereits getroffene Entscheidung keine andere Entscheidung gefällt.
Laut dem Ring Deutscher Makler ist der Mietpreis 430,- € Grundmiete. Meine Miete liegt aber laut Landratsamt über den genannten Grenzen. Macht es einen Sinn gegen den Widerspruch Einspruch einzulegen?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Kontakt,
die Frage bezieht sich auf eine schon öfter im Rahmen des § 22 SGB II entstandene Problematik:
Ohne eine genaue Kenntnis aller Daten „stochere ich hier etwas im Nebel“ – bei uns hier in Remscheid, Solingen und Wuppertal stellt sich die Problematik so nicht, da die Mieten in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen sind.
Deshalb kann ich hier – ohne eine vertiefte Kenntnis aller Unterlagen – nur „ohne Gewähr“ „aus der Hüfte schießen“:
§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II fordert, dass „Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen sollen“.
Bei dem oben beschriebenen Sachverhalt scheint es auf den ersten Blick so zu sein, dass tatsächlich die „Aufwendungen durch … einen Wohnungswechsel … zu senken sind …“, § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II.
Allerdings … der Wohnungswechsel muss auch zumutbar sein, ….
Grüße
Sönke Nippel
Ele says
Guten Tag Herr Nippel,
ich habe folgende Frage.
Ich habe mit meiner Familie zusammen ( 2 Erwachsene,2 Kinder) Ende März ALGII beantragen müssen.
Dieses ist jetzt auch bewilligt worden.
Allerdings ist es so, dass wir auch noch neben unserem selbst genutzten Haus, 2 Eigentumswohnungen besitzen.
Die Mieteinnahmen dieser Wohnungen gehen aber direkt an die Bank um dort die Zinsen ohne Tilgung zu begleichen.
Die Wohnungen stehen beide zum Verkauf. Dieses geht aber leider nicht in 2 Wochen oder so.
Die ARGE hat uns nun die beiden Mieteinnahmen als Einkommen angerechnet.
So dass wir zu 4 noch Unterstützung von 765,-€ bekommen.
Von diesem Geld müssen wir jetzt noch unser Haus bezahlen, rund 600,-€
So, dass uns zum Leben noch 165,-€ im Monat bleiben.
Die Dame beim Amt hat mir gesagt, dass ich die Banken nicht mehr bezahlen soll und eine Zwangsversteigerung hinnehmen muss.Was wahrscheinlich auch Privatinsolvenz von meinem Mann und mir bedeuten würde.
Ist das so richtig?
Gibt es da keine Übergangsfristen in der man Zeit hat die Wohnungen zu verkaufen?
In der man dann ALG II bekommt ohne Berücksichtigung der Mieteinnahmen, die ja nicht für den Lebensunterhalt zu Verfügung stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ele
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Ele,
Ihre Problematik ist recht ungewöhnlich. Daher kann ich ohne eine weitere Prüfung nur „vorsichtig“ antworten:
– Zu der selbst genutzten ETW müssten die „allgemeinen Grundsätze“ gelten. Sprich: die Übernahme von Tilgungskosten für die selbst genutzte Wohnung müsste gemäß § 22 SGB II geprüft werden.
– Zu den anderen zwei Wohnungen gilt nach meiner ersten Einschätzung Anderes: Diese Wohnungen sollten veräußert werden. Veräußerung heißt aber nicht Zwangsversteigerung! M. E. sollte auf jeden Fall die Zwangsversteigerung vermieden werden. Für Wohnungen ist in der Regel die „freihändige Veräußerung“ der bessere Weg! Also: die Bearbeiter der Bank ansprechen und darauf hinwirken, dass zumindest eine „freihändige Veräußerung“ versucht werden kann. Das dürfte sowohl dem Gläubiger (der Bank) als auch Ihnen als Schuldner zugutekommen.
– Bei der ARGE sollte ggf. nachgefragt werden, ob weitere Hilfen (z. B. ein Darlehen) möglich sind.
Viel Glück und Erfolg!
Sönke Nippel
HM says
Sehr geehrter Herr Nippel,
Probleme mit der ARGE lassen uns nicht schlafen und so finde ich mich zu nächtlicher Stunde am PC wieder.
Ich bewohne mit meiner 11-jährigen Tochter das geerbte Elternhaus und erhalte ALG II.
Für das Haus sind Tilgungsraten fällig, die ich momentan von ALG II bezahle, da sich die ARGE weigert, diese zu übernehmen, obwohl die Hausbank bestätigte, dass eine Stundung nicht möglich ist.
Das Haus ist mittlerweile in einem schlechten Zustand, da uns auch Instandhaltungskosten verweigert werden.
Im Wohnzimmer fault der Fußboden, über die Terrasse dringt Wasser ins Mauerwerk, was zu Schimmelbildung in den Innenbereichen führt, Dachbalken sind morsch usw. Ein erstellter Kostenvoranschlag für die Renovierung wurde jetzt abgelehnt.
Im Moment erhalten wir als Kosten für Unterkunft monatlich 35 Euro, bis zum Dezember wird dieser Betrag auf 25 Euro abgesenkt.
Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht wurde abgelehnt, da das Gericht den Ausführungen der ARGE folgte.
Leider ist es hier in ländlicher bayrischer Umgebung auch schwer, einen geeigneten Rechtsanwalt zu finden.
Wir sind aber dringend auf Hilfe angewiesen, da wir zum einen mit sehr geringen Geldmitteln auskommen müssen und zum anderen das Haus immer mehr herunter kommt.
Freundliche Grüße
HM
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo meisetschlaeger,
– haben Sie in dem Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht – Sie sprechen von einstweiligen Rechtsschutzverfahren – vorgetragen, dass Sie gern die Kosten einer angemessenen Unterkunft ersetzt hätten?
– wurde Ihnen hier evtl. entgegengehalten, dass die Wohnung bzw. das Haus zu groß (nicht angemessen) ist?
Zu dem Thema „Wie lang sind die Kosten einer Unterkunft zu begleichen, wenn sie unangemessen hoch sind?“, habe ich einige Artikel gefertigt (Link: Artikel). Dieses Thema ist auch immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II gibt der ARGE letztlich die Möglichkeit, zum Auszug zu zwingen, wenn die Kosten für das Haus zu hoch sein sollten und wenn das Haus zu groß – sprich: nicht angemessen – ist.
Ich hoffe, dass Sie eine Lösung für die Probleme finden können!
Grüße
Sönke Nippel
Hyperdock says
Ich beziehe Geld von der ARGE für Unterkunft und Heizung (ein Betrag- – nicht aufgeteilt). Den gleichen Betrag zahle ich eigenständig. Habe jetzt bei den Heizkosten eingespart und einen Betrag zurückerhalten, den die Arge sofort bei der nächsten Zahlung für Unterkunft und Heizung gegengerechnet hat.
Hätte ich nicht die Hälfte des Betrages für mich behalten können ?????
Wer hat Erfahrungen mit diesem Problem ???
Hy.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Hyperdock,
§ 22 SGB Abs. 3 II enthält heute die einschlägigen Regelungen:
…
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben außer Betracht.
…
Also, im Ergebnis wird das Guthaben also als Einkommen gewertet und mindert folglich die Leistungen in dem Folgemonat.
(„Früher“ war diese Regelung in § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II enthalten)
Grüße
Sönke Nippel